IN MEMORIAM
CARL RENZ, M.D.
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in 2012
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LEHRBUCH DER
HYPNOSE
VON
P.jSCHILDER und O.KAUDERS
PRO'F'ESSOR DR. MED. ET PHIL. DR. MED.
ASSISTENTEN DER PSYCHIATRISCHEN KLINIK IN WIEN
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WIEN UND BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1926
ALLE RECHTE, INSBESONDERE
DAS DER ÜBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
COPYRIGHT 1926 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN.
Spec. Coli.
Won-c/rc. Vorwort.
In meiner kleinen Schrift über die Hypnose habe ich versucht, psycho-
logische und biologische Gesichtspunkte in Einklang zu bringen. Der
damalige Versuch stützte sich einesteils auf psychoanalytische For-
schungen, andererseits auf die Erfahrungen, welche die Encephalitis
epidemica vermittelt hat. Ich habe selbst immer wieder versucht,
neues Tatsachenmaterial herbeizuschaffen. An der Wiener Klinik haben
Kauders und Heilig und Hoff über neue Ergebnisse berichtet. Auch
sonst ist wesentliches neues Tatsachenmaterial zutage gefördert worden.
Ich erinnere nur an die Untersuchungen von Heyer. Das Sammelbuch
von O. Schwarz: Psychogenese und Psychotherapie körperlicher
Symptome, vermittelt einen guten Einblick über das, was in den letzten
Jahren geleistet wurde. Die Lehre vom Zwischenhirn und seinen Funk-
tionen, begründet durch Aschner, hat durch die Forschungen von
Leschke, Müller, F. H. Lewy und Dresel eine wesentliche Ver-
tiefung erfahren, so daß eine biologisch-physiologische Betrachtung
seelischer Vorgänge immer mehr an Boden gewinnt. Eine tief geführte
biologische Untersuchung solcher Probleme muß letzten Endes mit den
Resultaten einer psychologischen Betrachtungsweise im Einklang stehen.
Kauders und ich haben uns daher entschlossen, die damals angedeu-
teten Gesichtspunkte eingehender darzustellen, insbesondere auch des-
halb, weil sich unsere theoretischen Voraussetzungen auch praktisch
bewährt haben, so daß wir die Hoffnung hegen können, daß unsere
Gesichtspunkte auch für breitere ärztliche Kreise von Interesse sein
dürften. Wir haben dementsprechend unserer Darstellung eine lehr-
buchmäßige Fassung gegeben und haben es unterlassen, allzuviel ins
Detail zu gehen. Von der Literatur haben wir im allgemeinen be-
sonders jene herangezogen, welche biologische und physiologische Tat-
sachen vermittelt. Die psychoanalytische Bearbeitung der Probleme
ist von mir allein gegeben.
Wien, November 1925- PAUL SCHILDER.
592UU
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Die Erscheinungsweise der Hypnose 1
II. Die Wirkungen der Hypnose 7
III. Schlaf und Hypnose 15
IV. Der Bewußtseinszustand der Hypnotisierten . . ■ 21
V. Der suggestive Rapport 26
VI. Die psychoanalytische Theorie der Hypnose 29
VII. Die Hypnose als soziales Phänomen 41
Anhang: Forensische Bedeutung der Hypnose 47
VIII. Die leichte Hypnose 49
IX. Die Amnesie 50
X. Physiologische Theorie der Hypnose 60
XI. Technik der Hypnose 69
XII. Allgemeine Richtlinien der Hypnosetherapie 83
XIII. Spezielle Hypnosetherapie 90
A. Behandlung organischer Erkrankungen 90
B. Hypnotische Schmerzbeeinflussung und Hypnonarkose ..... 93
C. Die Behandlung neurotischer Störungen 95
D. Die Hypnose bei Psychosen 104
Literaturverzeichnis 106
I. Die Erscheinungsweise der Hypnose,
Ich halte einem Menschen, der liegt, einen Schlüssel vor die Augen
und befehle ihm, den Schlüssel anhaltend zu fixieren. Gleichzeitig
streiche ich ihm immer wieder sanft über die Stirn und wiederhole
in mehr oder minder einförmiger Weise, er werde müde, matt, schläfrig,
die Glieder würden ihm schwer, er habe das Gefühl wie vor dem Ein-
schlafen, er könne die Augen nur mit Mühe offen halten, er müsse sie
schließen. Bei einer Reihe von Personen werden auf diesen Vorgang
hin die Augen zufallen. Bei anderen wird es nötig sein, den ausdrück-
lichen Befehl zum Schließen der Augen zu geben. Die Versuchsperson
liegt nun gleich einem Schlafenden da. Sie macht wenig Bewegungen,
ist vielleicht ganz regungslos. Ich hebe nun ihren Arm sanft in die
Höhe und lasse ihn dann wieder los. Er sinkt weder schlaff nach ab-
wärts noch verbleibt er in seiner Stellung, sondern er bewegt sich in
langsamen Ansätzen abwärts, bis er die Unterlage wieder erreicht hat.
Ich streiche über den Arm der Versuchsperson und sage ihr eindringlich
wiederholt: ,,Sie spüren, daß der Arm, über den ich streiche, warm
geworden ist." Ich streiche über den anderen Arm unter der eindring-
lichen Versicherung, daß der Arm empfindungslos geworden sei. Ich
steche die Hand mit der Nadel, die Versuchsperson zuckt leicht zu-
sammen. Ich streiche nochmals über die Stirn und sage: ,,Sie sehen ganz
deutlich eine schöne Blume." Hierauf „wecke" ich die Versuchsperson
mit folgender Formel: ,,Wenn ich bis drei zähle, werden Sie die Augen
öffnen, werden sich vollkommen wohl, frisch und munter fühlen, werden
keinen Schwindel, keinen Kopfschmerz haben." Ich zähle bis drei,
die Versuchsperson öffnet prompt die Augen und berichtet folgendes:
Sie habe nicht geschlafen, habe alle meine Worte gehört. Müdigkeit
und Schwere in den Gliedern habe sie wohl gespürt, doch hätte sie,
wenn sie nur gewollt hätte, die Augen öffnen und sich bewegen können.
Die Wärme habe sie empfunden, ebenso den Stich. Gesehen habe
sie nichts. Jetzt empfinde sie leichten Schwindel und leichten Kopf-
schmerz. Wir haben den Typus einer sehr oberflächlichen Hypnose
vor uns.
In anderen Fällen verläuft alles ähnlich, nur erklärt die Patientin
nach dem Erwecken, sie könne sich nicht erinnern, an das, was zu ihr
gesprochen worden sei. Sie wird sich vielleicht beim Wecksignal, beim
Öffnen der Augen Zeit lassen, verwundert umherblicken und sich die
Schilder und Kauders, Lehrbuch der Hypnose. I
2 Die Erscheinungsweise der Hypnose.
Augen reiben. Freilich pflegen, ohne daß das eine Regel ohne Ausnahme
wäre, derartige Fälle die erhobene Hand entweder schlaff und wie leblos
herabfallen zu lassen oder die Hand kataleptisch steif in der gegebenen
Stellung zu belassen. Hat aber die Versuchsperson die in der Hypnose
gegebenen Befehle ausgeführt oder nicht? Hier ist der Weg des Be-
fragens nach dem Erwecken ungangbar, wir befragen während der
hypnotischen Prozedur. Wir erhalten dann entweder durch Kopf-
nicken oder durch mehr oder weniger gedämpftes Sprechen Auskunft
über das Ergebnis der Suggestion. Wir machen hier auf jenen Typus
der Hypnose aufmerksam, bei welchem trotz geringfügiger Suggesti-
bilität und sogar vielleicht auch geringer Muskelerscheinungen doch
Amnesie für das in der Hypnose Erlebte vorhanden ist.
In anderen Fällen treten schwere Erscheinungen in bezug auf die
Muskulatur in den Vordergrund. Die Hypnotisierten zeigen extreme
Muskelschlaffheit oder ein Steifwerden des ganzen Körpers, Katalepsie,
ohne daß eine entsprechende verbale Suggestion gegeben wurde. Manch-
mal sind Katalepsie und Muskelspannung nur auf suggestivem Wege
zu erzielen. Trotz schwerer Muskelerscheinungen muß Suggestibilität
auf anderen Gebieten nicht vorhanden sein, die Amnesie kann vorhanden
sein oder fehlen. Während solcher Hypnosen kann auch Sprechunfähig-
keit vorhanden sein, es wird kein Wort hervorgebracht, was unter
Umständen lebhafte Angstgefühle hervorrufen kann.
Motorische Erscheinungen in Form von Zusammenzucken, hysteri-
formen Schüttelerscheinungen, ja in Form von mehr oder minder aus-
geprägten hysterischen Anfällen können den Inhalt einer Hypnose
oder auch die Einleitung zu Hypnosen bilden, welche den Eindruck
tiefen Schlafes hervorrufen.
,, Tief schlaf ende" Hypnotisierte müssen, bevor man sich mit ihnen
in Verbindung setzen kann, oft energisch angesprochen werden, man hat
den Eindruck als müßten sie, wenigstens zum Teil, geweckt werden.
Die Stimme derartiger Hypnotisierter klingt zunächst heiser, leise,
kaum verständlich und wird erst im Laufe der Gespräche in der Hypnose
klarer, bis sie sich der Wachstimme annähert. Vollständige Muskel-
schlaffheit ist in solchen Fällen vorhanden, sie kann auf suggestivem
Wege meist leicht, aber nicht immer, in Katalepsie übergeführt werden.
Bewegungslosigkeit ist nicht immer vorhanden. Die Hypnotisierten
können unruhige Bewegungen des Gesamtkörpers und der Extremitäten
zeigen. Wärmesuggestion, Anästhesie, Geruchs- und Geschmacks-
suggestionen werden häufig, optische Suggestionen nicht immer akzep-
tiert. Der Grad der optischen Suggestibilität ist hierbei sehr verschieden.
Flecken, Nebel, Wolken, Farben werden leichter akzeptiert als etwa
gestaltete und geformte optische Bilder. Personen, die gestaltete Bilder
produzieren, produzieren häufig nur solche, welche ihnen genehm sind,
Die Erscheinungsweise der Hypnose. %
etwa Bilder von nahestehenden Personen, und lehnen es ab, Gleichgül-
tiges, Blumen, Landschaften u. dgl. zu halluzinieren. Werden gestaltete
optische Bilder, etwa eine Blume, halluziniert, so ist es meist' möglich,
die hypnotisierte Person zu veranlassen, nach dem Gegenstand zu
fassen, die Blume z. B. zu beriechen, so daß die Versuchsperson dann
mit dem suggerierten Gegenstand wie mit einem wirklichen Objekt
verfährt. Hypnosen von der hier beschriebenen Art können, aber
müssen nicht von Amnesien gefolgt sein. Von den Versuchspersonen,
welche das in der Hypnose Erlebte nicht amnesieren, erhält man über
die Leibhaftigkeit des ,, Gesehenen, Gefühlten, Getasteten" verschiedene
Angaben. Manche schildern ihre Erlebnisse so, daß man sie nur als
lebhafte Vorstellungen bezeichnen kann, andere schildern sie als An-
schauungsbilder, bei wieder anderen kann an dem Wahrnehmungs-
charakter wohl kaum ein Zweifel bestehen. Häufig wird auch die An-
gabe gemacht, die Halluzinationen seien zwar ganz deutlich, also
wahrnehmungsmäßig gegeben gewesen, wären aber in ihren Konturen,
Farben unscharf oder wie von einem Schleier bedeckt erschienen. Das
Realitätsurteil ist hierbei von dem Leibhaftigkeitsgrade weitgehend
unabhängig. Auch wenn die in der Hypnose erteilten Suggestionen nur
als Vorstellungen erlebt werden, kann das Bewußtsein gegeben sein,
die suggerierten Dinge seien da, während bei gegebenem Wahrneh-
mungscharakter an das Dasein der Gegenstände nicht geglaubt werden
muß. Bei Patienten mit Amnesien erhält man die gleichen Angaben,
wenn die Amnesie auf irgendeine Weise behoben wurde. J. H. Schultz
berichtet über Schichtenbildungen im hypnotischen Selbstbeobachten.
Zuerst erscheinen im Gesichtsfeld des Hypnotisierten ungeformte Farb-
und Hell-Dun kelerlebnisse, ähnlich den Nachbildern. Dann erst wird
das optische Erleben geformter, läuft in Form eines vielfach geschich-
teten Bildstreifens ab, formt sich dann straffer und zerfällt schließlich
wieder in vage Form- und Farberlebnisse ohne klar faßbaren Inhalt.
Bei einei Rt ihe von Hypnotisierten ist es möglich, Halluzinationen
auf allen Sinnesgebieten, auch bei offenen Augen, zu erzielen, gleich-
zeitig können die vorhandenen Wahrnehmungsgegenstände dem Hyp-
notisierten zum Entschwinden gebracht werden. Er sieht dann Per-
sonen nicht, welche sich im Zimmer befinden, und er nimmt auch bei
entsprechender hypnotischer Suggestion nicht die dort befindlichen
Gegenstände wahr (negative Halluzination). Die Handlungen sind dann
ausschließlich durch die suggerierten Objekte bestimmt. Freilich muß
der Hypnotisierte irgendein Wissen von den negativ halluzinierten
Gegenständen haben, denn er weicht Hindernissen aus und er wendet
eine Tatsache von großem Interesse — die Augen von den negativ
halluzinierten Gegenständen ab. Viele Versuchspersonen geben bei
eindringlichem Befragen nach der Hypnose auch an, sie hätten den
4 Die Erscheinungsweise der Hypnose.
negativ halluzinierten Gegenstand doch irgendwie gesehen nach Art
eines ganz undeutlich geformten Gesichtseindruckes im äußersten seit-
lichen Gesichtsfeld. Eine der von uns beobachteten Versuchspersonen,
der als posthypnotischer Auftrag die Suggestion erteilt worden war,
die Person des Hypnotiseurs durch eine bestimmte Zeit lang nicht zu
sehen, gab nach Ablauf dieser Zeit an, sie hätte zwar eine Gestalt ge-
sehen, aber unscharf, sie hätte in ihr trotz Bemühens die Person des
Hypnotiseurs nicht erkannt. Eine andere gab bei dem gleichen post-
hypnotischen Auftrag an, statt des Gesichtes des Hypnotiseurs nur einen
weißen Fleck gesehen zu haben. Bei den Handlungen im suggestiv
verfälschten Gegenstandsbereich macht ein Teil der Hypnotisierten den
Eindruck taumeligen Benommenseins. Sie stehen unsicher, schwanken,
haben einen leicht verglasten Blick, sind in Gefahr hinzustürzen,
ihre Bewegungen sind ungeschickt und unsicher. Andere wiederum
zeigen Handlungen und Bewegungen, welche sich von denen des Alltags
nicht wesentlich unterscheiden. Bei dem erstgenannten Typus werden
Befehle häufig nur ungenügend erfaßt, bei dem zweiten nähert sich die
Auffassungsfähigkeit der des Alltags. Auch bei solchen tiefen Graden
der Hypnose muß Erinnerungslosigkeit an das in der Hypnose Erlebte
nicht vorhanden sein. Allerdings kann sie durch Befehl während der
Hypnose hervorgerufen werden.
Hiermit ist das erste Beispiel dafür gegeben, daß in der Hypnose
gegebene Befehle über diese hinaus wirken können. Die posthypnoti-
schen Suggestionen wird man zweckmäßig in zwei Gruppen einteilen
können. Die erste Gruppe enthält jene Befehle, welche vom Stand-
punkte des hypnotisierten Individuums aus vernünftig sind; etwa die
therapeutischen. Die zweite Gruppe enthält jene Befehle, welche,
wiederum vom Standpunkt des Hypnotisierten aus, unvernünftig sind,
welche keinen irgendwie erkennbaren Sinn haben : etwa auf ein bestimm-
tes Zeichen hin in die Hände zu klatschen, an die Türe zu klopfen.
Manche dieser Befehle widerstreben sogar der Vernunft und verlangen
von dem Individuum Dinge, welche dem Anstand und der gesellschaft-
lichen Gewohnheit widersprechen und das Individuum der Lächerlich-
keit preisgeben; so wenn etwa von einer Dame verlangt wird, sie sollt"
sich den Hut einer fremden Person aufsetzen u. dgl. mehr. Es kann
entweder die sofortige Ausführung der posthypnotischen Befehle ge-
fordert werden, die Ausführung des posthypnotischen Befehles kann
aber auch für eine Zeit verlangt werden, die beliebig lange hinter der
Hypnose liegt, bis zu Wochen oder Monaten. Schließlich kann die
Ausführung eines posthypnotischen Befehls an eine bestimmte Be-
dingung geknüpft werden. Zum Beispiel in der Form, daß man sugge-
riert: ,,Wann immer Sie das Wort Morphium hören, wird Ihnen schlecht
werd« ii. " Man kann nun sagen, posthypnotische Befehle können im
Die Erscheinungsweise der Hypnose. 5
allgemeinen bei jedem Hypnosetypus befolgt werden, wenn sie dem
Typus der vernünftigen Befehle angehören. Die Amnesie kann freilich
auch die Durchführung vernünftiger Befehle unterstützen. Die unver-
nünftigen Befehle haben zwar im allgemeinen nur dann Aussicht durch-
geführt zu werden, wenn eine Amnesie vorhanden ist, welche sie vor
der Kritik des klaren Bewußtseins schützt. Doch handelt es sich keines-
wegs um eine Regel ohne Ausnahme. Unvernünftiges kann auf dem
Wege der Suggestion auch dann erzwungen werden, wenn keine Amnesie
vorhanden ist. Im allgemeinen werden posthypnotische Befehle der
unvernünftigen Art nur von jenen Personen akzeptiert, welche auch
sonst höhere Grade der Suggestibilität zeigen. Doch haben wir erst
kürzlich wieder einen Fall beobachtet, bei welchem, obwohl optische
Suggestibilität nicht erzielbar war, posthypnotische Befehle prompt
ausgeführt wurden. So das Eintreten einer besonderen Heiterkeit aui
ein bestimmtes Signal hin, in die Hände klatschen u. dgl. m. Also auch
hier besteht keine Gesetzmäßigkeit. Andererseits erfüllen auch Hyp-
notisierte, die innerhalb der Hypnose bis zur negativen Halluzination
kommen, außerordentlich häufig posthypnotische Suggestionen (der
unvernünftigen Art) nicht. Handelt es sich um Hypnotisierte, welche
während der Hypnose den Zustand traumhafter Verlorenheit gezeigt
haben, so wird der posthypnotische Befehl sehr häufig nur unvoll-
kommen durchgeführt. So gibt es etwa Versuchspersonen dieser Art,
welche sich des Auftrages, jedesmal auf die Frage, wie es ihnen gehe,
mit dreimaligem Händeklatschen zu antworten, in der Form entledigen,
daß sie sofort nach dem Erwecken in die Hände klatschen. Offenbar
war die Auffassung des in der Hypnose gegebenen Befehles eine un-
genügende. Am besten führen jene Hypnotisierten posthypnotische
Befehle aus, die bei ausgezeichneter Suggestibilität den Eindruck klarer
Besinnung machen.
Die posthypnotischen Beschwerden pflegen bei den tieferen Graden
der Hypnose im allgemeinen stärker ausgeprägt zu sein. Eine Ausnahme
davon machen jene Hypnotisierten, welche den Eindruck machen, als
handelten sie während der Hypnose in der suggerierten Welt nicht viel
anders als im Wachzustande.
Es wurde bereits bei der Beschreibung der optisch Suggestibeln
erwähnt, daß der Hypnotisierte einen Eigenwillen zeigen kann, in bezug
auf das, was er sich suggerieren läßt. Es gibt keinen Grad der Hypnose,
bei welchem die Zeichen des Eigenwillens schwinden müßten. Eine
sehr häufige Form der Hypnose ist die, daß die hypnotische Person
in einen Schlaf verfällt, aus welchem heraus ein Rapport nicht her-
zustellen ist. Andere optisch gut suggestible Hypnotisierte erwachen
nicht auf das gegebene Zeichen, sondern erst nach energischerem Ein-
greifen. Man kann es fast als die Regel bezeichnen, daß der Hypnoti-
(3 Die Erscheinungsweise der Hypnose.
sierte nur ungern und widerstrebend sich von dem Zustand des Schlafes
trennt. In extremen Fällen sind Hypnotisierte aus ihrem Schlafe durch
Tage hindurch nicht zu erwecken. Gar nicht selten gleitet der Hypnoti-
sierte aus der Hypnose in einen Zustand hinüber, in welchem er nur
seinen eigenen Interessen lebt. Der Rapport mit dem Hypnotiseur
löst sich mehr oder minder vollkommen und es entwickelt sich mehr
oder minder deutlich das Bild des hysterischen Ausnahmezustandes,
das in ungünstigen oder ungeschickt geleiteten Fällen unter Umständen
sich tagelang behaupten kann. Wir haben einen Fall beobachtet, bei
dem einige Stunden nach einer der üblichen öffentlichen Hypnose-
vorführungen, in der die Patientin selbst als Medium benutzt worden
war, als hysterische Reaktion auf dieses, die Patientin sehr alterierende
Erlebnis der öffentlichen Hypnose, ein 24 Stunden dauernder Zustand
unerweckbaren Schlafes auftrat, der die Überbringung der Patientin
an die psychiatrische Klinik notwendig machte. Daß hysterische An-
fälle die Hypnose einleiten können, wurde bereits erwähnt. Auch im
hysterischen Anfall lebt ja das Individuum seine eigenen Wünsche aus.
Auch im weiteren Verlauf von Tiefhypnosen können hysterische Anfälle
der verschiedensten Form in Erscheinung treten.
Je tiefer der Grad der Hypnose, desto leichter ist der Übergang zu den
Erscheinungen aus dem Bereiche der Hysterie. Tief Hypnotisierte mit
klarer Besinnung in der Hypnose machen allerdings auch hier wieder
eine Ausnahme. Die Art, wie die Tiefhypnose eintritt, ist außerordent-
lich verschieden. Manchmal genügen die ersten Striche, um sie sofort
hervorzurufen. In anderen Fällen tritt sie über Zwischenstufen aus
der oberflächlicheren Hypnose ein. Manchmal tritt die Tiefhypnose
erst bei oft wiederholten Versuchen innerhalb einer Sitzung ein, manch-
mal erst im Verlaufe einiger Tage nach mehreren hypnotischen Sitzungen.
Die Suggestibilität in der Tiefhypnose pflegt bei der Wiederholung der
Hypnose im allgemeinen zuzunehmen. Auch wird das Bewußtsein bei
späteren Tiefhypnosen klarer, bis schließlich nach wiederholten Hyp-
nosen das Bild erreicht wird, das uns in dem auch die unsinnigsten Be-
fehle ausführenden, dressierten Medium entgegentritt. Man muß aller-
dings sagen, daß der Dressurvorgang mit der Hypnose selbst nichts
unmittelbar zu tun hat. Hier liegen Übergänge zur Wachsuggestion
vor. Denn alle Erscheinungen einer erhöhten Suggestibilität können
auch erhalten werden, unabhängig vom Schlaf zustand und unabhängig
von allen jenen Erscheinungen der Müdigkeit, des Schwindels u. dgl. m.
Man sieht, welche Fülle von Variationsmöglichkeiten in bezug auf
die Erscheinungsweise der Hypnose gegeben ist. Eine schematische
Einteilung verschiedener Grade der Hypnose verbietet sich hiernach
ganz von selbst. Forel unterscheidet 1. Somnolenz. Der Beeinflußte
kann unter Aufwendung einer gewissen Energie der Suggestion wider-
Die Wirkungen der Hypnose. 7
stehen und die Augen öffnen. 2. Leichter Schlaf oder Hypotaxie oder
Charme. Der Beeinflußte kann die Augen nicht mehr aufmachen, muß
überhaupt einem Teil der Suggestionen oder allen Suggestionen gehor-
chen, mit Ausnahme der Amnesie. Er wird nicht amnestisch. 3. Tiefer
Schlaf oder Somnambulismus, durch Amnesie nach dem Erwachen
und posthypnotische Erscheinungen charakterisiert. (Auch diese Ein-
teilung wird der Eülle der Erscheinungen nicht gerecht, genügt aber
für eine oberflächliche Orientierung.)
IL Die Wirkungen der Hypnose.
Wir haben die Abänderungen dargestellt, welche die Hypnose m
Bezug auf die Wahrnehmungs- und Vorstellungstätigkeit des Indi-
viduums schafft und haben gezeigt, wie durch die Hypnose Willen und
Handlungen beeinflußt werden. Daß die Wirkungen der Hypnose damit
keineswegs erschöpft sind, geht schon daraus hervor, daß ja auch an
den Bewegungsapparaten Veränderungen eintreten, welche nach unserer
Darstellung gar nicht unmittelbare Folgen einer suggestiv hervor-
gerufenen Vorstellung oder Empfindung sind. Schließlich tritt ja auch
im Laufe der Hypnose ein Zustand ein, den wir in mancher Hinsicht
dem Schlafe gleichstellen müssen. Mit dem Eintreten der Tiefhypnose
tritt nach Heilig und Hoff (noch nicht publiziert) ebenso wie im tiefen
Schlafe auf Adrenalininjektion nur geringe Blutdruckerhöhung ein. An
Stelle der normalen Adrenalinreaktion ist eine „vagotonische" getreten.
Es treten mit der Hypnose Veränderungen des Körpers ein und zwar
solche, welche der unmittelbaren Willkür entzogen sind, also Ver-
änderungen am vasovegetativen System im weitesten Sinne. Wir haben
bezüglich der Wirkung der Hypnose auf diese ,, körperlichen Systeme"
grundsätzlich zwischen zwei Wirkungsmöglichkeiten zu unterscheiden.
Nämlich 1) zwischen jenen Veränderungen, welche mit der Hypnose
eintreten, ohne daß Vorstellungen suggeriert werden; hierher gehört
es, daß eine Reihe von Versuchspersonen Muskelstarre und Katalepsie
zeigen, ohne daß ihnen diese ausdrücklich suggeriert wurden, und
2) jenen Wirkungen am vasovegetativen System, welche auf eine
Vorstellung hin erfolgen, die also im engeren Sinne des Wortes
suggeriert sind.
Über die unmittelbare, nicht suggestive Wirkung der Hypnose ist
im allgemeinen wenig bekannt. Einzelne Autoren, z. B. Kronfelp
und Friedrichs, leugnen sogar nichtsuggestive Erscheinungen der
Hypnose. Wahrscheinlich wirken aber die in der Hypnose erlebten
Affekte unmittelbar in das vaso vegetative System hinein. Ausführ-
licher muß über die suggestiven Wirkungen in der Hypnose gesprochen
werden. Durch entsprechende Suggestion kann eingewirkt werden:
q Die Wirkungen der Hypno
1. Auf die quergestreifte Muskulatur. Man kann Muskelschlaffheit,
Muskelstarre, Muskelzittern suggerieren. Die Muskelschlaffheit kann auch
bei jenen Personen, welche nicht in einen Schlaf versunken sind, eine sehr
ausgesprochene sein. Die Spannungen sind mehrfacher Art. Es handelt
sich entweder um Katalepsie im engeren Sinne, d. h. der bewegte Körper-
teil verharrt in jeder Stellung, die ihm gegeben wird, aber unter jenem
Minimum von Muskelspannung, das zur Bewahrung der Haltung not-
wendig ist. Gelegentlich sieht man aber auch Spannungen, die be-
deutend ausgeprägter sind. Mitunter wird dann nicht einmal jede passiv
gegebene Haltung beibehalten und es überwiegt die Tendenz zu Streck-
spannungen. Wenn auch die Angaben von Fröhlich und Meyer, daß
bei der kataleptischen Spannung die Aktionsströme fehlen, durch Unter-
suchungen von Rehn und de Jongh widerlegt sind und es erwiesen ist,
daß auch während der kataleptischen Innervation tetanische Inner-
vationsströme ablaufen wie bei einer willkürlichen Muskelspannung,
so darf doch nicht daran vergessen werden, daß auch der quergestreifte
Muskel neben der cerebrospinalen eine sympathisch-parasympathische
Innervation hat. Man kann das auch so formulieren, daß man sagt, in
jedem quergestreiften Muskel sei auch ein glatter Muskel eingeschlossen.
Es ist im einzelnen strittig, was von den Muskelfunktionen auf den
sympathisch-parasympathisch innervierten Anteil zu beziehen ist (vgl.
hierzu F. H. Lewy). Aber wir dürfen weder beim Zittern noch bei der
Schreckerschlaffung des Muskels diesen Anteil übersehen1). Ja wir
möchten diese Erörterungen noch um ein Stück weiter treiben und
betonen, daß ,,der affektiv- vegetative" Faktor den einzelnen quer-
gestreiften Muskeln nicht in gleicher Weise innewohnt. Es gibt zweifel-
los Muskeln, welche der Ausdrucksfunktion und den Affekten in weit
höherem Maße dienen als andere. Hierher gehören etwa die Augen-
muskeln und wir erinnern daran, daß bei der negativen Halluzination
der Hypnotisierte von dem halluzinierten Gegenstande wegzublicken
pflegt. Man wird sich die Frage vorlegen müssen, ob nicht die besondere
Bevorzugung der Kiefer- und Nackenmuskulatur bei der negativistischen
Spannung der Schizophrenen auf ähnliche Momente zurückzuführen sei.
Die gleichen Erwägungen wird man bezüglich des Are de cercle der
Hysterischen anstellen müssen. Man mag gegen diese Betrachtungs-
weise einwenden, daß es psychologische Gründe seien, welche die be-
sondere Stellung der genannten Muskelgruppen bedingen. Wir nehmen
die Grundeinstellung unserer Ausführungen voraus, wenn wir betonen,
daß eine besondere psychische Haltung sicherlich auch hirnphysiologisch
in besonderer Weise gekennzeichnet ist.
J) Gräfe und T kaumann haben gezeigt, daß die hypnotische Starre des Muskels
d< n Stoffwechselumsatz weniger steigert als
I (x Schlaf und Hypnose.
an dem Schlafe mit Energie und Zähigkeit fest. Es sträubt sich, wie
bekannt, gegen das Erwecktwerden.
Mit den bisherigen Annahmen ist jedoch die Psychologie des Schla-
fenden keineswegs erschöpft. Bekanntlich träumt der Schlafende auch,
und in den Träumen ringen sich Infantilstrebungen, eine primitive
Persönlichkeit, durch. Wir verweisen diesbezüglich auf die FREUDsche
Traumdeutung. Die Trauminhalte können in verschiedenen Differen-
zierungsstufen liegen. In den Trauminhalten kommt die Arbeitsweise
des Systems Ubw. von Freud zum Ausdruck. Die verschiedenen Vor-
stellungen werden miteinander verschmolzen, es finden Verschiebungen
und Verdichtungen statt, der Energiebetrag der einen Vorstellung wird
auf die andere übertragen, dabei wird die zeitliche Ordnung nicht
berücksichtigt, die äußere Realität durch die innere ersetzt, Vorgänge,
auf die wir im einzelnen hier nicht eingehen können, bezüglich derer
wir auf Freud verweisen (vgl. auch die kurze Darstellung, welche der
eine von uns in seiner medizinischen Psychologie gegeben hat). Ge-
legentlich treffen wir auch Träume an, welche in ihrer Struktur mehr
dem psychischen System des Vorbewußten entsprechen, d. h. daß sie
in stärkerem Maße die Arbeitsweise des Systems des Alltagsdenkens
zeigen, nur daß diese Gedankengänge vom Bewußtsein abgesperrt
sind. Im allgemeinen ist ja die Motilität des Schlafenden gesperrt.
Aber gelegentlich kann sich, besonders in jenen Träumen des vor-
bewußten Typus, die Motilität als gefügig erweisen, und wir haben dann
jene Bilder vor uns, in welchen die Schläfer aus dem Schlafe sprechen
und mehr oder minder komplizierte Handlungen durchführen. Oder
mit anderen Worten, der Traumzustand nähert sich dem somnambulen
Zustand. Wir hätten also in grober Schematisierung beim Schlafenden
zu unterscheiden: Das Wachich, das Schlaf ich und das Traumich, in
welchem wir ein unbewußtes und ein vorbewußtes Traumich unter-
scheiden können. Das vorbewußte Traumich geht mit fließenden Grenzen
in das Wachich des Schlafenden ein. Man darf über dieser Darstellung
nicht vergessen, daß alle diese verschiedenen Erscheinungen des Ichs
im tiefsten Grunde doch zusammenhängen, und daß auch hinter dem
Traum und den Schlaf wachen die Gesamtpersönlichkeit steht, welche
ihre Gesamtziele irgendwie festhält und den Schlaf und den Traum
an diesen Zielen mißt. In irgendeinem Winkel unserer Seele wissen
wir es doch, daß wir schlafen und träumen.
Man kann nun mit jedem guten Schläfer, während er weiterschläft,
in Kontakt treten. Schlechte Schläfer wachen auf, wenn sie die Anrede
überhaupt aufnehmen. Man kann sich, mit anderen Worten, mit der
Sf hlafwache in Verbindung setzen. Es ist aber nun beachtenswert,
daß der Schlafende der Person, die mit ihm während des Schlafes spricht,
ähnlich gegenübersteht wie der Hypnotisierte dem Hypnotiseur. Er
Schlaf und Hypnose. \g
nimmt Befehle entgegen und pflegt eine Amnesie für das Gespräch zu
haben. Auch ,, posthypnotische" Befehle werden durchgeführt. Es muß
also eine sehr enge Beziehung zwischen Schlaf und Hypnose auch von
diesem Gesichtspunkt aus angenommen werden. Denken wir die
Problematik der Schlafwache genauer durch, so kommen wir wiederum
zu der Anschauung, daß die Schlafwache nicht ganz dem Denken des
Tages entsprechen kann. Sie verfügt über die bessere Zeitschätzung, sie
nimmt Befehle widerspruchsloser entgegen, als es die wache Persönlichkeit
tun würde. Das Reden, die Erlebnisse der Schlafwache verfallen häufig
der Amnesie. Man könnte ja meinen, auch die Schlaf wache sei psycho-
logisch nicht völlig einheitlich, und jene, welche die Befehle entgegen-
nimmt, sei nicht identisch mit derjenigen, welche das Wecken besorgt,
und man wird vermutlich mit dieser Annahme nicht ganz fehlgehen.
Wenn ich nun einen Menschen durch Hypnose in Schlaf versetze,
so bewirke ich bei ihm alle jene seelischen Umstellungen, welche auch
bei dem Schlafenden vorhanden sind. Im allgemeinen pflegt das spon-
tane Träumen der Hypnotisierten nicht ausgiebig zu sein. Doch sind
wohl eingehendere Untersuchungen über diesen Punkt noch nötig.
Daß in der Hypnose äußere Reize und suggerierte Vorstellungen mittels
Verschiebung und Verdichtung behandelt werden, ist sicher.
Der eine von uns hat einen Baum in der Hypnose halluzinieren
lassen und hat dann einen Vestibularisreiz gesetzt. Beide Eindrücke
wurden in der Form verschmolzen, daß die Patientin ausrief, der Baum
wird gefällt. Sehr lehrreich ist eine von Moll mitgeteilte Beobachtung.
Er pustete mit einem Blasebalg neben einer hypnotisierten Person,
ohne etwas zu reden. Sie glaubte, eine Lokomotive zu hören. Daran
knüpfte sich ein vollkommener Traum von einem Eisenbahnzug. Wenn
Moll auf den Tisch trommelte, ohne etwas zu sagen, so träumte der
Hypnotisierte im Anschluß daran von trommelndem Militär und sah
Soldaten. Wir haben es hier mit einer vom Willen des Hypnotiseurs
unabhängigen Eigenleistung des Traumichs der hypnotisierten Person,
zu tun. Es liegt ein ähnlicher Mechanismus vor, wie wenn die hypnoti-
sierte Person etwa mit einer suggerierten einfachen optischen Hallu-
zination nun selbständig zu agieren beginnt und im Anschlüsse daran
plastisch- visuelle Szenen halluziniert, die mit der Ausgangshalluzination
nichts mehr zu tun haben. Daß Träume in der Hypnose suggeriert
werden können, ist bekannt. Wir haben keinen Grund, daran zu zwei-
feln, daß die suggerierten und die spontanen Träume identisch seien.
Im ganzen dürften die Traumerscheinungen innerhalb der Hypnose
einen relativ geringen Raum einnehmen. Das, was von Erlebnissen
in der Hypnose erscheint, trägt vielfach einen anderen Charakter, bei
welchem die traumhaften Verschiebungen und Verdichtungen nur durch-
schimmern. Das gilt von jeder Hypnose, auch von der, in welcher
2*
2Q Schlaf und Hypnose.
optische Halluzinationen erzielt werden können. Die Erlebnisse folgen im
allgemeinen recht klar und deutlich den Suggestionen , soweit es sich
nicht um Hypnosen handelt, in welchen das Individuum seinen eigenen
Willen lebt. Aber auch dann haben die erscheinenden Bilder und
Erlebnisse jene relativ7 gute Formung, welche wir etwa bei den Erleb-
nissen des hysterischen Ausnahmezustandes sehen, oder wie wir präziser
sagen können, sie haben die Erscheinungsweise des Vorbewußten.
Freilich erscheint der Hypnotisierte, der zum somnambulen Handeln
gebracht wird, traumhaft verloren. Er macht den Eindruck eines Men-
schen , der bei relativ äußerer Ordnung dem Träumen nähersteht als
ein anderer. Er handelt ebenso wie der Schlafende, mit dem man in
Rapport getreten ist, in der fühlbaren Nähe des Traumerlebens. In
dieser Schicht spielt sich auch der Rapport mit dem Hypnotiseur ab.
Man kann sagen, daß es sich im wesentlichen um einen Kontakt mit der
Schlaf wache handle, über deren psychologische Stellung ja oben ein-
gehender berichtet wurde. Man kann nun beim Rapport mit dem
Schlafenden sehen, daß es möglich ist, diesen Rapport mit der Schlaf-
wache immer mehr zu verstärken auf Kosten jener Anteile der Persön-
lichkeit, welche schlafen und träumen. Schwankungen zwischen dem
Anteil der Schlaf wache und dem Schlaf ich finden ja auch im normalen
Schlafe fortwährend statt. Der Morgenschlaf wird unruhiger, d. h. die
Reaktion auf die Umgebung verstärkt sich. Steht man mit Schlafenden
in Rapport, so hat man den Eindruck, daß mit der Zunahme des Rapports
der Schlaf immer oberflächlicher wird. Auch werden die Gespräche des
Schlafenden parallel zu dem Weckvorgang immer geordneter, oder in
psychoanalytischer Terminologie ausgedrückt, die Elemente des Systems
Ubw. treten immer stärker zurück gegenüber den Elementen des Systems
Vbw., das sich selbst in seinen Eigenschaften immer mehr dem System
Bw. nähert. Auch bei Tiefhypnosen hat man den Eindruck, daß je ge-
fügiger der Patient wird, je besser er auffaßt, desto mehr das eigentliche
Traumhafte schwindet und der Bewußtseinszustand sich immer mehr
dem Bewußtseinszustand des Alltagslebens nähert. Der Endpunkt einer
solchen Reihe ist in der Wachsuggestion gegeben, bei welcher die Ab-
weichungen vom Bewußtseinszustand des normalen Zustandes recht
geringfügig geworden sind. Freilich ist die bisherige Beschreibung des
Bewußtseinszustandes des Hypnotisierten insofern ungenügend, als
nicht genügend berücksichtigt ist, daß hinter all diesen seelischen Ver-
wicklungen ja noch eine Gesamtpersönlichkeit steht, welche eine Kon-
trolle ausübt einesteils über den Zustand des Schlafichs, andernteils
eine Kontrolle über den Zustand des Traumichs und schließlich auch
über die Schlaf wache mit allen ihren Rapporten, also auch über den
suggestiven Rapport. Gerade diese Problematik soll uns im nächsten
Abschnitt noch eingehend beschäftigen. WTir wollen uns aber zunächst
Der Bewußtseinszustand der Hypnotisierten. 21
noch mit dem Erwachen aus Schlaf und Hypnose beschäftigen. Das
Erwachen aus dem Schlaf kann sanft und allmählich erfolgen. Offen-
bar werden von einem bestimmten Stadium des Schlafes an die Schlaf-
wachen verstärkt, welche dann auf eine geringfügige Änderung der
Situation hin das Individuum wecken. Wird ein tief Schlafender plötz-
lich erweckt, so reagiert er, wie erwähnt, häufig mit einer Phase kurzer
Unbesinnlichkeit, welche von Kopfschmerz und Schwindel gefolgt ist.
Ähnlich der Hypnotisierte. Man kann einen suggerierten Schlaf ohne
weiteres auslaufen lassen, bis der Patient von selbst erwacht. Man kann
den Patienten langsam oder plötzlich wecken. Das plötzliche Wecken
pflegt meistens von mehr oder minder heftigen Kopfschmerzen begleitet
zu sein, welche offenbar die Reaktion auf die allzu plötzliche psychische
Umstellung bedeuten und durchaus in dem Sinne ernst zu nehmen
sind, daß sie auf wirkliche Veränderungen, sei es nun in den Gefäßen,
sei es in anderen Innervationsbereichen zu beziehen sind.
Sicherlich gibt es also einen suggerierten Schlaf, eben den Schlaf der
Hypnose, und von den Erscheinungen der Hypnose sind viele nur aus
der Psychologie des Schlafes heraus verständlich.
Man hört häufig die Frage, ob Menschen gegen ihren Willen hypnoti-
siert werden können. Wir können sie mit dem Hinweis auf den Schlaf-
wunsch abtun. Maßgebend ist der instinktive und nicht der bewußte
Wunsch. Freilich kann der bewußte Wunsch hemmend und fördernd
in die Hypnotisierbarkeit eingreifen, die aber letzten Endes doch
von der instinktiven Hypnosebereitschaft abhängt. Ganz ähnlich wie
der Eintritt des Schlafes durch den Willen allein weder erzwungen noch
hintangehalten werden kann. Gerade bei der Hypnose sieht man es
häufig, daß ein dringender instinktiver Wunsch nach der Hypnose
sich hinter einem oberflächlichen Sträuben verbirgt, und daß der pathe-
tisch vorgetragene Wunsch nach dem Hypnotisiertwerden sich aufbaut
über dem starren Widerstand, sich dem Hypnotiseur und der Hypnose
anzuvertrauen.
IV. Der Bewußtseinszustand der
Hypnotisierten.
Die in Hinblick auf die Beziehungen zwischen Schlaf und Hypnose
gegebenen Ausführungen bedürfen dringend einer Vertiefung und Er-
gänzung. Der tief Hypnotisierte bewahrt, wie wir bereits andeuteten,
eine kontrollierende Persönlichkeit mit jenen Strebungen und Trieben,
welche sich der Außenwelt zuwenden. Diese kontrollierende Persönlich-
keit, im entwickelteren Ich, ist aber irgendwie in den Hintergrund
gedrängt. Es ist, wir wir sagten, in einen Winkel der Seele gestellt.
Die psychoanalytische Terminologie erlaubt in dieser Hinsicht die exakte
22 Der Bewußtseinszustand dei Hypnotisierter
Formulierung. Jeder seelische Vorgang, jedes seelische Streben ge-
schieht mit einem gewissen Aufwand an psychischer Energie. Die Ziele,
die Objekte des Strebens, haben eine gewisse Besetzung. Wir wissen nun
vom analytischen Gesichtspunkt aus, daß ein Ziel, eine Person, ein
Objekt, das eine bestimmte Besetzung hat, diese Besetzung nicht immer
bewahren muß, ohne daß das Objekt, das Ziel, dem psychischen Erleben
als solchem entschwände. Aus allgemeinen Anschauungen heraus, die
der eine von uns an anderer Stelle begründet hat, ist es uns wahrschein-
lich, daß niemals Seelisches vollständig dem Bewußtsein verlorengehen
könne. Es werden von den Objekten nur Besetzungen abgezogen. Nun
ist es unerläßlich, daß wir uns darüber klar werden, was wir unter dem
Ausdrucke kontrollierende Persönlichkeit in psychoanalytischem Sinne
zu verstehen hätten. Offenbar nicht Summe aller seelischen Inhalte,
das Psychische überhaupt, sondern das, was die Persönlichkeit sich
als Ziel setzt, oder mit anderen Worten, das Idealich des Individuums.
Das Idealich ist nach psychoanalytischer Anschauung jenes Bild, das der
einzelne von seiner eigenen Person in sich trägt. Das Bild, wie er seine
Person gestalten möchte. Die Liebe, welche das Individuum seinem
eigenen Körper zuteil werden läßt (Narzißmus), wird auf das geistige
Bild der eigenen Person übertragen oder, anders ausgedrückt, das Ideal-
ich ist narzistisch besetzt. Es entsteht aus der Identifizierung mit
Personen, welchen man liebend gegenübersteht. Den wesentlichsten
Anteil des Idealichs bilden Identifizierungen mit den Eltern. Die Bil-
dung des Idealichs, welches eine komplizierte Struktur aufweist, geht
das ganze Leben hindurch weiter, Identifizierungen mit Lehrern, Helden,
Führern finden statt. Sich identifizieren heißt, die Rolle eines anderen
übernehmen, ohne daß man sich dieser Übernahme bewußt sein muß.
Man identifiziert sich vorwiegend mit jenen Personen, welche man
liebt und bewundert.
Hat die Identifizierung stattgefunden, so bleibt die gleichsam in
sich hineingenommene, einverleibte Persönlichkeit doch weitgehend
innerhalb des Ichs in Form des Idealichs oder eines Anteils desselben
lebendig. Wenn wir also vom Idealich sprechen, so meinen wir ein
relativ umschriebenes Gebilde innerhalb des Ichs. Es hat eines-
teils narzistische Energien an sich gebunden, andernteils sendet es an
ihm erwünschte Objekte Besetzungen aus. Wir haben mit Idealichen
verschiedener Differenzierungshöhe zu rechnen. Wenn wir davon
sprechen , daß während der Hypnose die Gesamtpersönlichkeit erhalten
bleibe, so meinen wir damit, daß ein hochdifferenziertes Ichideal einen
Besetzungsrest behalten hat, und daß damit auch die Ziele des Ich-
ideals, die Objekte des Ichideals gewisse Besetzungen behalten haben
(bezüglich des Aufbaues des Idealichs vgl. den Entwurf zu einer Psych-
iatrie auf psychoanalytischer Basis des einen von uns).
Der Bewußtseinszustand der Hypnotisierten. 23
Das Idealich behält also einen Teil seiner Besetzungen auch während
des Schlafes und während der Hypnose. Von diesem teilweise besetzten
Idealich gehen aber Kontrollen aus. Hier liegt ja auch die Quelle der
Traumzensuren, welche das Triebstreben des Träumenden nur in der
entstellten Form des manifesten Trauminhalts in Erscheinung treten
lassen. Wir müssen annehmen, daß die Idealiche oder die Gesamtpersön-
lichkeit relativ enge Beziehungen zu den Schlaf wachen unterhalten.
Diese werden von der erhalten gebliebenen Persönlichkeit aus kon-
trolliert. Wir müssen überhaupt sagen, daß wir den psychologischen
Haltungen während des Schlafes nicht gerecht werden, wenn wir den
hier besprochenen Faktor nicht berücksichtigen.
Wenn wir im Ich des Schlafenden das Schlaf ich, die Schlaf wache, das
Traumich, und zwar das Ubw.- und das Vbw. -Traumich unterschieden
haben, so ist noch hinzuzufügen, daß jede der in dieser Bezeichnung
ausgedrückten Haltungen von der Gesamtpersönlichkeit her irgendwie
kontrolliert und beaufsichtigt wird. Je stärker dieses kontrollierende
Ich ist, desto lebendiger wird im Schlafen und im Träumen das Be-
wußtsein sein; ich schlafe ja nur. Wir müssen annehmen, daß von
diesem Idealich aus bestimmt wird, ob ein Traum zu unterbrechen
sei u. dgl. in. Die gleiche Betrachtungsweise haben wir nun auch auf
die Hypnose und die Hypnotisierten zu übertragen. Es ist hier von
besonderer Bedeutung, daß jene seelische Schicht, welche den Rapport
mit dem Hypnotiseur vermittelt, einer ständigen Kontrolle und Über-
wachung von Seiten der entwickelteren Persönlichkeit unterworfen ist.
Der Anteil der hypnotisierten Persönlichkeit und derjenige, welcher
der Hypnose mehr oder minder betrachtend gegenübersteht, ist ein
außerordentlich wechselnder. Wir müssen dementsprechend in jeder
einzelnen Hypnose uns nach der ,, seelischen Tiefe" der Hypnose fragen.
Mit diesem Ausdruck bezeichnen wir eine Qualität des Erlebens der
Hypnose, welche unmittelbar nichts zu tun hat mit den Graden der
Hypnose. Man muß diese Qualität auch nicht zusammenwerfen mit
der Frage, ob es sich um Somnambulschlaf oder Wachsuggestion handle.
Ja, man muß sogar noch um einen Schritt weitergehen und sagen:
Der zentrale Anteil der Persönlichkeit kann sich in verschiedener Weise
gegenüber der hypnotisierten Persönlichkeit verhalten. Er kann sich
mehr oder minder einverstanden erklären. Er kann sich auch mehr
oder minder als Zuschauer gegenüber den Phänomenen der Hypnose
verhalten. Die entwickeltere Persönlichkeit kann aber auch die Hyp-
nose als ein Spiel betrachten, wobei das Bewußtsein des Spieles bald
mehr, bald minder ausgesprochen sein kann. Schließlich können die
hypnotischen Erscheinungen mit dem ausdrücklichen Bewußtsein des
bewußten Vormachens erfolgen, und wir haben dann das Bild der Simu-
lation vor uns. Es gibt eine Fülle von Zwischenerlebnissen und Ab-
> I Der Bewußtseinszusland der Hypnotisierten.
stufungen. Ja sogar die ausgeprägte Simulation hypnotischer Erschei-
nungen mag dann, wenn sie aus lebendiger Vorstellungskraft heraus
erfolgt, noch ernsthaft aufzufassen sein in dem Sinne, daß sie mit
biologischen Wirkungen auf den Körper verknüpft ist. Auch der Schau-
spieler, der ja im Grunde psychologisch dem Simulanten nahesteht,
muß, wenn er gut spielen will, sich selbst in den Charakter der dar-
gestellten Person hineinversetzen, in ihr zu leben versuchen, wobei
wiederum ein mehr oder minder bedeutsamer Anteil der Persönlichkeit
beobachtend gegenübersteht. Aber auch jener Schauspieler, der zutiefst
in seiner Rolle lebt, behält einen kontrollierenden Anteil der Persön-
lichkeit, denn er spricht ja immer noch die Worte seiner Rolle. Der
Schauspieler, der in der Rolle lebt, kann wohl echte Tränen vergießen,
er kann Abänderungen des Pulsschlages, der Atmung zeigen und
Änderungen in der Blut Verteilung im Organismus. Es ist also nicht nur
Spiel, sondern jedes Spiel ist irgendwie auch ernsthaft. Freilich ist die
physiologische Wirkung des Spieles verschieden, je nach der seelischen
Tiefendimension des Spieles. Simulation und Spiel in der Hypnose
entsprechen also einer geringen seelischen Tiefe der Hypnose. Die
größte Tiefe ist dann erreicht, wenn sich das Individuum als Gesamt-
persönlichkeit restlos mit dem hypnotischen Rapport einverstanden
erklärt, denn das Kernphänomen der Hypnose bleibt der seelische
Rapport zwischen dem Hypnotiseur und dem Hypnotisierten. Haben
wir jenes Phänomen voll erreicht, dann ist im Grunde aus der Hypnose
Hörigkeit geworden. Es bezieht sich also der Begriff der seelischen
Tiefe der Hypnose im wesentlichen und zunächst auf den hypnotischen
Rapport. Allerdings muß ja mit aller Entschiedenheit hervorgehoben
werden, daß auch alle übrigen ,,Hypnose-Iche" vom Zentralich aus
kontrolliert und überwacht werden. Das Wesen des suggestiven Rap-
ports soll uns im folgenden noch eingehend beschäftigen. Wir sind aber
jetzt so weit, daß wir einen schematischen Überblick über den psycho-
logischen Zustand des Hypnotisierten zu geben imstande sind.
1. Zwischen dem Hypnotiseur und dem Hypnotisierten besteht ein
suggestiver Rapport. Dieser wird von einem zentraleren Anteil der
Gesamtpersönlichkeit kontrolliert. Die seelische Tiefe der Hypnose
hängt davon ab, welchen Anteil der Persönlichkeit dem Rapport und
welcher Anteil der zentralen Persönlichkeit zugehört. Von Simulation
und Spiel führt die Reihe über mäßige und starke Suggestibilität zur
Hörigkeit.
2. Durch den suggestiven Rapport wird Schlaf erzeugt. Der suggestive
Rapport wird mit der Schlaf wache aufrechterhalten. Der Anteil des
schlafenden und des wachenden Ichs sind verschieden je nach dem
Verhältnis von Schlafwachen und Schlafich. Überwiegt das letztere
extrem, so haben wir das Phänomen des Schlafes ohne Suggestibilität
Der Bewußtseinszustand der Hypnotisierten. 25
vor uns. Von hier führen Zwischenstufen über das mehr oder minder
wachende Individuum hinüber zu jenen Zuständen, in welchen das
Schlafich annähernd zu Null reduziert ist und das Individuum sich
im Zustand der Wachsuggestion befindet.
3. Das Schlaf ich kann von Träumen durchsetzt sein, und diese können
mehr oder minder in den Suggestivrapport hineindiffundieren. Auf
der einen Seite der Reihe stehen jene Fälle, in welchen die Eigenträume
des Hypnotisierten den hypnotischen Rapport vollständig lösen und
Bilder einer traumhaften Verlorenheit da sind. Auf der anderen Seite
jene Fälle des Suggestivrapportes, welche von traumhaften Beimen-
gungen fast frei sind.
4. Ebenso wie traumhaftes Eigenmaterial kann auch vorbewußtes
Eigenmaterial den Suggestivrapport mehr, oder minder durchsetzen.
Punkt 3 und 4 haben zueinander die allerengsten Beziehungen. Sie
sind weniger praktisch als theoretisch voneinander zu unterscheiden.
Die Reihe geht von Hypnosen, welche mehr oder minder traum-
haften hysterischen Ausnahmszuständen entsprechen hinüber zu
jenen Fällen, welche in absoluter Suggestibilität keinerlei Eigenwillen
erkennen lassen, mit anderen Worten, zu dem Typus der dressierten
Medien.
5. Schließlich muß auch nach dem Grade der Hypnotisierbarkeit
und der Suggestibilität gefragt werden. Es ist der Grad der Suggesti-
bilität nicht zusammenzuwerfen mit der seelischen Tiefendimension der
Suggestibilität. Ein spielerisch Somnambuler muß doch wohl als sehr
suggestibel bezeichnet werden, allerdings nur in einer oberflächlichen
Schicht des Erlebens.
Es ist richtig, daß sich die hier gegebenen Scheidungen vielfach über-
kreuzen. So wird etwa bei stärkster seelischer Tiefendimension (1) der
Grad der Suggestibilität (5) meistens wohl ein beträchtlicher sein. Ist
der Anteil des Schlafiches (2) sehr stark, so wird die Wahrscheinlichkeit,
daß traumhafte Eigenelemente (3) auftauchen, relativ groß sein. Ist
nur Wachsuggestion gegeben (2), so wird im allgemeinen traumhaftes
und vorbewußtes Eigenmaterial (3 und 4) nicht von sehr wesentlicher
Bedeutung sein. Ist traumhaftes und vorbewußtes Eigenmaterial
(3 und 4) sehr stark vertreten, so wird die Tiefendimension des Rap-
portes (1) wohl nicht sehr erheblich sein. Diese Darstellung ist natürlich
in jeder Hinsicht unvollständig und erschöpft keineswegs die reiche Fülle
der wirklichen Vorkommnisse. Schließlich sind ja die Ausdrücke
Schlafich, Wachich, Traumich u. dgl. doch nur Bezeichnungen für
Triebstrebungen eines Gesamtichs und können nur in der Beschreibung
isoliert werden und verleugnen letzten Endes nicht die Zugehörigkeit
zu einem Ich, welches trotz aller Spaltungen seine Einheitlichkeit
bewahrt.
2() Der suggestive Rapport.
V. Der suggestive Rapport.
Das Charakteristische der Suggestion liegt offenbar darin, daß wir
ohne genügende sachliche Begründung1) durch sie zum Vorstellen,
Wahrnehmen, Urteilen und auch zu Handlungen gebracht werden.
(Eine ähnliche Definition stammt von Lipps.) Der Hauptakzent muß
auf den Worten liegen ,,ohne genügende sachliche Begründung". Diese
Worte umschließen zweierlei; nämlich daß das Individuum im all-
gemeinen entweder den Zielen, welche die Realität vorzeichnet, oder
seinen aus seiner Gesamtpersönlichkeit heraus erfließenden Zwecken folgt.
Wir nehmen an, daß das Individuum Idealiche aufbaue, welche die
Funktion haben, die Beziehungen zur Wirklichkeit, zur Realität, zu
regeln, welche die Ichtriebe in Einheiten zusammenfassen und welche
so nicht nur den Forderungen der Gesellschaft gerecht werden, sondern
auch den Forderungen der eigenen Persönlichkeit. Der eine von uns
hat an anderer Stelle ausgeführt, daß es ebenso wie zu den Forde-
rungen der Gesellschaft auch zu den Forderungen der Idealiche
gehört, die Wirklichkeit in der Wahrnehmung, im Vorstellen und
Denken zu erreichen, denn die Idealiche besorgen auch die Einfügung
in die Realität. Von Suggestion zu sprechen hat im allgemeinen nur
dann Sinn, wenn durch die Suggestion erzielt wird, daß sich das Indi-
viduum gegen seine Ichideale stelle. Folgen die Ichideale der Suggestion
letzten Endes nach, so haben wir gar keinen Grund mehr, von Suggestion
zu sprechen. Der eine von uns hat an anderer Stelle betont, daß die
affektiven Mechanismen in ihren Tiefen Verwandtschaften aufweisen,
daß es aber doch nicht zweckmäßig sei, deswegen weil Übergangsfälle
existieren, einen Terminus auf das Gesamtgebiet auszudehnen, dessen
Endpunkte wohl charakterisierte psychologische Typen darstellen. Aus
solchen Erwägungen heraus wird man auch den letzten Versuch von
Strauss, die Begriffsgrenzen des Begriffes Suggestion grundsätzlich
auf das alltägliche Erleben des Glaubens, Fürwahrhaltens usw. aus-
zudehnen, ablehnen müssen. Auch wir erkennen gleich Strauss ein
Erlebnis „Wir" an. Dieses baut sich aus dem Ich und dem unmittel-
bar erfaßten einfachen oder vielfältigen „Du" auf. Daß Identifizierungen
die endgültige Gestaltung dieses Wir entscheidend beeinflussen, halten
wir für sicher, ohne hier der Frage im einzelnen nachgehen zu können,
wie groß der Anteil der Identifizierungen an der Bildung des „Wir"
sei. Es ist sicherlich auch richtig, wenn Strauss die Übernahme von
Überzeugungen von der Gesamtsituation, vom lebendigen Wir abhängig
erscheinen läßt. Zweifellos ist auch die geistige Nachfolge, das
Glauben, Fürwahrhalten eng mit den Persönlichkeiten der Umgebung
verknüpft. Darauf hat aber sowohl die Analyse als auch der eine von
a) Von dem Standpunkte des Suggerierten aus gesehen.
Der suggestive Rapport. 27
uns immer wieder hingewiesen. Aber die Suggestion hebt sich von den
anderen obengenannten Phänomenen dadurch ab, daß die zentrale
Persönlichkeit der Suggestion, der sie folgt, anders gegenübersteht als
anderen Meinungen, denen sie beipflichtet. Und eben diese besondere
Form des Erlebens ist zu erklären; eine Erklärung, die Strauss
deswegen nicht geben kann, weil er das Problem nicht sehen will.
In der oben gegebenen Definition ist die Tatsache mit enthalten,
daß es eine suggerierende und eine suggerierte Persönlichkeit gibt.
Dieser Grundfall ist jedenfalls festzuhalten. Es wird in der Suggestion
einer anderen Person zuliebe etwas gedacht , vorgestellt, getan, was
dem Idealich widerstrebt. Auch an diesem Grundsatz ist festzuhalten.
Es ist selbstverständlich, daß, wenn ich einer anderen Person zuliebe
etwas tue, es meine eigenen Regungen sind, welche hier in Frage kommen.
Daß die andere Person erst durch meine Mithilfe, durch meine Regung
ihre Bedeutung, ihre Fähigkeit erhält, mir suggerieren zu können. Es
wäre aber unerlaubter Psychologismus, zu meinen, daß die andere
Person deswegen bedeutungslos sei und daß der Kern der Suggestion
Autosuggestion sei, eine Lehre, die von Coue und Baudouin vertreten
wird. Es wäre ja auch irrig zu meinen, daß es nur Selbsterziehung gebe,
weil es meine Gedanken und Empfindungen sind, welche durch den
Erzieher angeregt werden. Wir werden grundsätzlich daran festhalten
müssen, daß es sich in der Hypnose und in der Suggestion um einen
Vorgang handelt, der sich zwischen zwei Personen abspielt. Dieser
Formulierung scheint es zu widersprechen, daß Autosuggestion doch
wohl kaum geleugnet werden kann. Hier würden wir es allerdings
wiederum für begriffsverwirrend halten, immer dann von Autosuggestion
zu sprechen, wenn aus irgendwelchen Gedanken, Ideen, Triebrichtungen
heraus ein Handeln erfolgt, welches den realitätsangepaßten Ideal-
ichen nicht entspricht. Von Autosuggestion können wir sinngemäß nur
dann sprechen, wenn das Individuum bewußt in sich selber eine Gruppe
seines Erlebens abspaltet und so in sich selbst den Suggestor schafft.
Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir annehmen, daß im allgemeinen das
Individuum nur dadurch zu solcher Abspaltung befähigt sein wird, daß
es sich mit einer anderen Persönlichkeit identifiziert. Der Begriff der
Identifizierung ist wichtig genug, um ihn etwas eingehender zu erörtern.
Wir sprechen dann von einer Identifizierung, wenn ein Stück fremden
Erlebens als eigenes in Anspruch genommen und damit ausgedrückt
wird, daß wir an die Stelle jener anderen Person zu treten wünschen.
In der Identifizierung spielen wir eine Rolle, ohne daß wir uns der
Übernahme dieser Rolle bewußt sein müssen. Wir haben nur dann
Interesse, die Rolle eines anderen zu spielen, wenn wir jenen anderen
lieben, achten, bewundern. Freuds Beispiel ist Wallensteins Lager
entnommen, wo es von jenem Wachtmeister heißt: „Und wie er sich
28 ^)or suggestive Rapport.
räuspert und wie er spuckt, das hat er ihm glücklich abgeguckt." Der
Wachtmeister weiß gar nicht, daß er mit seinen Gewohnheiten aus-
drückt, daß er sein möchte und geachtet werden möchte wie der Feld-
herr selbst. Gewiß bewundert und liebt dieser Soldat den Wallenstein.
Kr ist zwar teilweise selbst Wallenstein geworden, erkennt aber das
geachtete und geschätzte Objekt doch voll an. Bei der vollständigen
Identifizierung würde der Feldherr für ihn überflüssig geworden sein.
Er würde, analytisch gesprochen, die libidinöse Besetzung von jenem
abziehen und diese ganz auf den Wallenstein in sich konzentrieren.
Die Identifizierung wäre dann eine vollständige. Der Wallenstein in
ihm hat aber stets eine gewisse Sonderstellung. Etwa ebenso wie in
irgendeinem von uns der früher geliebte, aber jetzt überwundene Lehrer,
dessen man entraten zu können glaubt, weil man sich mit ihm identi-
fiziert hat. Aus der Identifizierung heraus wird, wie erwähnt, in uns
das Gewissen aufgebaut, welches aus der Identifizierung mit Eltern,
Erziehungspersonen entsteht, aber auch aus der Identifizierung mit
allen den Menschen um uns herum, welche die Gesellschaft und ihre
Forderung repräsentieren, deren Vertreter ja letzten Endes auch die
Eltern und Erziehungspersonen sind. Jede Identifierung schafft sich
ein Idealich, welches innerhalb des Ich eine gewisse Selbständigkeit
stets bewahrt1) Auf solchen Identifizierungen, auf solchen Idealichen
beruht die Möglichkeit einer Autosuggestion, in welcher sich ein Teil
des Individuums als Idealich bis zu einem gewissen Grade von dem Ich
loslöst und dem übrigen Anteil des Ichs als Suggestor gegenübertritt.
Wenn Coue und Baudouin bei ihren Heilmethoden von Autosuggestion
sprechen, so ist diese Bezeichnung im Grunde irreführend. Denn es
ist klar, daß es der Arzt und der Pädagoge sind, welche die Forderung
erheben, die dann der Kranke und der Erziehungsbedürftige über-
nimmt und sich zu eigen macht. Man kann allenfalls nur sagen, daß die
von Coue und Baudouin geübte Technik, welche den eigenen Anteil
des Suggerierten immer wieder betont, den Übertritt der suggerierenden
Person in das Idealich in dem Rahmen der eigenen Persönlichkeit ver-
deutlicht. All das werden wir erst dann voll verstehen, wenn wir in
die psychologische Struktur der Hypnose mittels psychoanalytischer
Gedankengänge tiefer eingedrungen sein werden.
Aus den Ausführungen des vorangehenden Kapitels geht klar hervor,
daß hinter dem suggestiven Rapport zwischen Hypnotiseur und Hypno-
tisiertem noch ein Idealich steht, welches den Zielen der Gesamtpersön-
lichkeit dient und eine fortwährende Kontrolle ausübt auf die Beziehung
Hypnotisierter — Hypnotiseur, Suggestor— Suggerierter. Ganz abgesehen
*) Die Gedankengänge Freuds sind von dem einen von uns im Entwurf zu
einer Psychiatrie auf psychoanalytischer Basis und in dem Aufsatz über den
Ichkreis weiter verfolgt worden.
Die psychoanalytische Theorie der Hypnose. 29
davon, daß ja der Suggerierende, der Beeinflussende seine Bedeutung
nur aus den Seelenregungen des Beeinflußten heraus erhält: der Hypno-
tisierte, der Beeinflußte sind also keineswegs willenloses Werkzeug des
Beeinflussenden. Verlangt man von einer tief hypnotisierten Person
Unbilliges, was ihrem Gesamtwillen, ihrer Gesamtpersönlichkeit wider-
spricht, so ist folgendes möglich. Der Hypnotisierte verweigert trotz
der tiefen Hypnose den Gehorsam. Der paranoische Hypnotisierte ver-
zichtet z. B. trotz sonstiger Suggestibilität nicht auf seine Wahnideen.
Eine eifersüchtige Frau, im übrigen in der Hypnose sehr suggestibel,
sträubt sich entschieden, als ihr der Glaube an die Treue ihres Mannes
nahegelegt wird. Eine Patientin, welche Veronal zu einem Selbstmord-
versuch von einer Krankenschwester erhalten hatte, weigert sich trotz
sonstiger vollkommener Suggestibilität den Namen der Kranken-
pflegerin anzugeben. Andere Hypnotisierte wachen aus der Hypnose
auf, wenn die Forderung des Hypnotisierenden und die Gesamtsituation
nicht mehr ihren sonstigen Idealichen entspricht. Derartige Beobach-
tungen müssen für die Frage Hypnose und Verbrechen entscheidend
sein. Wir versparen uns die ausführlichere Besprechung dieses Pro-
blems, bis wir die psychoanalytische Theorie der Hypnose gegeben
haben.
VI. Die psychoanalytische Theorie der
Hypnose.
Ferenczi erblickt in der Hypnose ein Wiederaufleben infantil ero-
tischer, masochistischer Einstellungen. Der Hypnotisierende ist ent-
weder Abbild des Vaters, Vaterhypnose, oder ist Ebenbild der Mutter,
Mutterhypnose. Im Zentrum der Hypnose stehen Triebregungen aus
dem Bereiche des Ödipuskomplexes. Auch Ferenczi stellt die Sug-
gestion und die Suggestibilität in das Zentrum seiner Betrachtungen.
In der Tat, Hypnose und Suggestibilität haben eine erotische Wurzel.
Hypnotisiert man Frauen, so erreicht den Hypnotiseur vor dem Ein-
schlafen und nach dem Erwachen sehr häufig jener brechende Blick,
der für sexuelle Erregung kennzeichnend ist. Zittern, welches dem Zit-
tern bei erotischer Erregung entspricht, ist nicht selten. Die hysteri-
formen Versteifungen im Beginn einer Hypnose zeigen oft deutlich die
Verwandtschaft mit Coitusbewegungen. Versucht man von Hypnoti-
sierten Angaben zu erhalten, so erfährt man sehr häufig von einem
wohlig angenehmen Gefühl, von einer wohligen Mattigkeit u. dgl. m.
Gar nicht selten wird un verhüllt von sexueller Erregung gesprochen.
Die Beschuldigungen, welche hypnotisierte Patienten gegenüber dem
Hypnotiseur erheben, er habe sie mißbraucht, entspringen den durch
die Hypnose geweckten erotischen Phantasien. Eine wahrscheinlich
iq Die psychoanalytische rheorie der Hypn<>
schizophrene Patientin unserer Beobachtung hatte bei einer Laien-
hypnose, welche in Gegenwart anderer Personen vorgenommen worden
war, den entschiedenen Eindruck, daß sie den Zwang verspüre zu denken:
,,Ich liebe dich". Die Hellsichtigkeit der Schizophrenen in bezug auf
psychologische Probleme erstreckt sich ganz besonders auf die Hypnose.
Für schizophrene und paraphrene Patienten bedeutet Hypnotisiert-
werden und sexuell Beeinflußtwerden das gleiche. Auch der Sprach-
gebrauch des alltäglichen Lebens ist hier heranzuziehen, welcher in der
Erotik gerne von Verzauberung und Hypnose zu sprechen pflegt.
„Du hast mich hypnotisiert" ist geradezu ein Ausdruck für erotischen
Zwang. Es gehört zu der typischen Furcht der Frau, bei der Hypnose
vergewaltigt zu werden. Wir haben von Patientinnen der Klinik, die
wir hypnotisierten, wiederholt derartige Angaben erhalten, trotzdem
wir grundsätzlich nur in Gegenwart dritter Personen hypnotisieren.
Besonders auffallend war diese Angabe im Munde einer intelligenten
Bankbeamtin, welche allerdings in ihre Neurose dadurch geraten war,
daß ihr der Vater sexuell nachstellte und sie wiederholt zu vergewaltigen
versucht hatte. Die Furcht vor Vergewaltigung ist sicherlich Ausdruck
des entsprechenden Wunsches, welcher durch die Hypnose geweckt wird.
Sanftes Zureden, Anschreien, Brutalisieren sind nicht nur Mittel der
Hypnosetechnik, sondern auch solche erotischer Verführung. Die tech-
nischen Mittel des ,,Fixierens", Streicheins — gewisse Techniken
machen ja von den Strichen über den Körper sehr ausgedehnten Ge-
brauch — sind der Hypnose und der Erotik gemeinsam.
Auch die Ergebnisse hypnoseähnlicher Erscheinungen an Tieren
ergeben sehr ähnliche Resultate (vgl. hierzu Mangold und spätere
Ausführungen). Gegen diese Betrachtungsweise könnte zunächst an-
geführt werden, daß ja die Hypnose nicht nur zwischen Personen ver-
schiedenen Geschlechtes stattfinde, sondern daß es auch eine Hypnose
von Mann zu Mann und von Frau zu Frau gebe. Wir haben im all-
gemeinen keinen Grund anzunehmen, daß diese Hypnosen schwerer
zustande kämen als die zwischen Personen verschiedenen Geschlechtes.
Wir wissen allerdings von der Psychoanalyse her, daß in j edem Menschen
homosexuelle Regungen vorhanden seien und es ist anzunehmen, daß
Hypnose zwischen Personen gleichen Geschlechtes sich an die homo-
sexuellen Regungen des Menschen wende. Hier kann wiederum auf die
vielen Angaben Paranoid-Schizophrener verwiesen werden, welche sich
durch Hypnose außerordentlich häufig homosexuell beeinflußt fühlen.
Sowohl die heterosexuelle Regung als auch die homosexuelle Regung
in der Hypnose kann am sichersten mittels der Psychoanalyse fest-
gestellt werden. Man nimmt ja gelegentlich Personen in Analyse,
welche früher in hypnotischer Behandlung gestanden sind. Ein beson-
ders lehrreiches Beispiel dieser Art teilen wir im folgenden mit.
Die psychoanalytische Theorie der Hypnose. \\
Ein 22jähriger Hochschüler ist, nachdem er schon in der Pubertätszeit eine
kurze Phase mit ausgesprochen zwangsmäßigen Symptomen durchgemacht hatte,
seit einigen Monaten neuerdings an einer Reihe von Zwangssymptomen, in denen
analerotische Beziehungen besonders stark — zum Teile ganz ungedeckt — in
Erscheinung treten, erkrankt. Der Patient leidet seit dem Beginn seiner Er-
krankung an einer hartnäckigen Obstipation, für die sich weder klinisch noch
röntgenologisch irgendwelche Anhaltspunkte ergaben, er leidet an unwillkürlichen
Windabgängen, die sich immer in gewissen, komplexbesetzten Situationen ein-
stellen, und leidet noch mehr an der Furcht vor dem Auftreten derselben. Um
diese beiden Hauptsymptome gruppiert sich aber nun eine Reihe weiterer soma-
tischer Symptome, die in einer eigenartigen, hier nicht näher auszuführenden
Weise auf dem Wege zur Konversion und vollwertigen somatischen Symptom-
bildung sozusagen steckenblieben , und das ganze System zwangsneurotischer
Gedankenabläufe, Befürchtungen und Antriebe und seines Gegenspieles von seilen
der Ichtriebe und des Idealichs, Das Gefüge dieser Symptomatologie erwies sich
nun in der Analyse ;ils ein ungemein Testes, die Symptome in einer eigentümlich
starren Weise ineinandergefügt und ihr Auftreten in typischer Abhängigkeit
von bestimmten determinierenden inneren und äußeren Erlebnissen. Was, um
nur ein Beispiel zu erwähnen, das Symptom der Windabgänge anlangt, so stellte
sich dasselbe vornehmlich in Situationen, in denen eine wie immer geartete An-
knüpfung an das weibliche Geschlecht, die auch nur entfernt die Möglichkeit einer
Liebesbeziehung hätte gewährleisten können, versucht wurde, ein; wobei das
Quälende der hierbei auftretenden Flatulesccnz in dem häufigen, sozusagen in dosi
refraeta stattfindenden Abgehen der Flatus gelegen war, so daß Patient es kaum
mehr wagte, das Zimmer zu verlassen. In der Analyse erwiesen sich nun diese
Windabgänge gleichsam als „Signalement" von Seiten des Unbewußten, ver-
drängter analer und homosexueller Einstellungen, die sich auf diese Weise der
Anknüpfung einer heterosexuellen Beziehung aufs wirksamste entgegensetzten;
über diese Zusammenhänge später noch mehr. Dieser Patient suchte nun in einer
äußerst üblen geistigen Verfassung — scheu, menschenfeindlich, zu jeglicher
Tätigkeit unfähig — psychotherapeutische Behandlung auf. Aus verschiedenen
Gründen wurde zunächst der Versuch gemacht, auf dem Wege der Hypnose einen
Einbruch in die Symptome des Patienten zu gewinnen und zunächst die Obsti-
pation zu beeinflussen. Nach einigen hypnotischen Sitzungen, als deren Resultat
nur ein ganz kurzfristiger, unbefriedigender Erfolg zu melden ist, wurde bei dem
Patienten mit der psychoanalytischen Behandlung begonnen, die nach mehr-
monatiger Dauer weitgehende Besserung zeitigte. Er ist von seinen somatischen
Symptomen befreit und obliegt nunmehr wieder mit großem Eifer und Erfolg
seinen Studien.
Am Schlüsse einer analytischen Sitzung wurde nun dieser Patient,
nachdem die eben erwähnte Besserung schon eingetreten war, gefragt,
welche Gedanken und Empfindungen er vor dem Einschlafen in der
Hypnose denn gehabt habe. Er berichtet sogleich über ein Gefühl
des „Lachenmüssens", das ihn regelmäßig unmittelbar vor dem Ein-
schlafen betroffen habe und produziert, unaufgefordert, hierzu die
folgenden Einfälle. Er hat im Gymnasium einen Professor gehabt, über
den er sehr viel lachen mußte — er sei ein dummer und beschränkter
Mensch gewesen. Dann: Im Alter von etwa 12 Jahren habe er zusammen
mit seinem Vetter mosaischen Religionsunterricht gehabt; der Vetter
zeichnete während einer Stunde einmal heimlich eine Schlange auf und
12 Die psychoanalytische Theorie der Hypnose.
sagte, das sei der Religionsprofessor, worüber er, der Patient, habe
außerordentlich lachen müssen. Als weiterer Einfall folgt eine Erinne-
rung, das er als etwa 6 jähriger Knabe beim Defäzieren häufig Angst
hatte, es möchten ihm Schlangen in den After kriechen. Zum Schlüsse
kommt noch eine etwas schüchtern gebrachte Zusatzbemerkung: Der
Professor (in dem ersten Einfall) sei zwar ein alter Mann gewesen, habe
aber ganz gut Grammatik können. Der Sachverhalt, wie er sich auf
Grund dieser geschlossenen Reihe von Einfällen ergibt, ist ein ziemlich
eindeutiger. Zu der Erinnerung an die Schlangenangst beim Defäzieren
ist zu bemerken, daß dieselbe schon früher einmal gelegentlich einer
Traumanalyse gebracht worden war und in der Folge zu einer Art
Schlüsselerinnerung zur Aufdeckung der libidinösen Beziehungen und
homosexuellen Strebungen zum Vater wurde. Ergänzend sei daher noch
die damalige Einfallsfolge mitgeteilt. Er glaubt sich zunächst zu er-
innern, daß das Ereignis der Schlangenangst beim Defäzieren auffälliger-
weise gewöhnlich gegen Monatsende sich ereignet habe, dann, daß er
als Halbwüchsiger lange Zeit der Ansicht gewesen sei, die Menstruation
erfolge — sozusagen ordnungshalber — zu Monatsende und schließlich,
daß der Vater später einmal ihm gegenüber die Bemerkung gemacht
habe, die Frauen seien zur Zeit der Menstruation sexuell am aufgereg-
testen. Diese zweite Einfallsreihe erst gestattet es uns, das Bild unserer
Deutung zu vervollständigen und zu vereinheitlichen. Es figurieren
die beiden Lehrer in der ersten Einfallsreihe — die Szenenfolge ist ja,
von der Person des Hypnotiseurs ausgehend, eine recht charakteristische
— als Ersatzbildungen für die Person des Vaters. Die Schlange aber
ist, wie ja ein Einfall besagt, der Religionsprofessor, wir können er-
gänzen: der Vater, das Glied des Vaters. Das Glied des Vaters ist es,
das hier in einer stark passiv-masochistisch gefärbten Strömung am
Ausgange der sadistisch-analen Phase der Libidoentwicklung an Stelle
der Kotsäule, an Stelle des mit der Defäkation verbundenen Lustent-
ganges sozusagen zum analen Liebesobjekt wird, und es erscheint be-
merkenswert, wie in der zweiten Einfallsreihe die für die Entwicklung
der Neurose so wichtige Identifizierung mit der Mutter anklingt, wie
die anale Zone, wohl unter den Eindrücken kindlicher Sexualforschung,
in eine Kloakenmündung von passiv-femininem Charakter umgedeutet
erscheint, in die das Glied des Vaters zu Zeiten ,, besonderer sexueller
Erregung" eindringt. Weisen also die Einfälle bezüglich der Person
des Hypnotiseurs über die beiden Lehrer in direkter Linie auf den Vater
hin, so greifen sie bezüglich der Bindung an den Hypnotiseur zurück
auf jene analerotische Beziehung zum Vater. Durch das Schlaf gebot
des Hypnotiseurs wird beim Hypnotisierten, wie Freud und Ferenczi
es gezeigt haben, ,,ein Stück von dessen archaischer Erbschaft, die auch
den Eltern entgegenkam und im Verhältnis zum Vater eine individuelle
Die psychoanalytische Theorie der Hypnose. \\
Wiederbelebung erfuhr" geweckt, wobei ja in unserem Falle, wie aus
dem vorher Gesagten erhellt, die infantile Beziehung zum Vater noch
eine starke libidinöse Eigennote trägt und somit die Hypnossmöglichkeit
vergrößert. Das Individuum benutzt sozusagen die Gelegenheit der
Hypnose, um jene noch stark libidinös besetzte, aber längst in Zärtlich-
keitsbeziehungen umgewandelte infantile Beziehung zum Vater wieder
aufleben zu lassen. Bezeichnenderweise ist die Hypnose selbst und die
Einfallsserie durch die Erscheinung der Lachlust, des Lachzwanges
aneinandergekoppelt. Hier finden wir zu der Person des Hypnotiseurs,
der mitten aus dem banalen Alltagsleben heraus eine Machtfülle für
sich in Anspruch nimmt, die ihm eine kritische Realitätsprüfung sicher
nicht zuerkennen kann und der man sich doch hingeben muß, in den
Personen der beiden beschränkten, viel verlachten Lehrer ein recht
bezeichnendes Gegenstück. Sind doch auch schon längst die Zärtlich-
keitsbeziehungen zum Vater durch die scharfe Kritik des Heranwachsen-
den getrübt worden — ein alter Mann, wie die Zusatzbemerkung nebenbei
sagt, dem immerhin noch gewisse Kenntnisse zugebilligt werden müssen.
Es erscheint also in unserem Falle die Lachlust vor dem Einschlafen
in der Hypnose determiniert als Endglied jener aus dem Unbewußten
erfließenden, verdrängten und an der Hypnose wieder auflebenden
Infantilbeziehung zum Vater, des weiteren aber auch von der ambi-
valenten, gleichfalls vom Verhältnis zum Vater der späteren Zeit her
diktierten, zwischen Hohn und Anerkennung schwankenden Einstellung
des Hypnotisierten zum Hypnotiseur.
Diese Beobachtung ist deshalb besonders lehrreich, weil sie uns zeigt,
daß für Art und Form der Hypnosefähigkeit die Triebkonstitution des
Hypnotisierten maßgebend ist. Der Hypnoseversuch, der ein Lächeln
bei dem Patienten hervorruft, erweckte analerotische Vorstellungskreise
entsprechend der Triebrichtung des Patienten. Es handelt sich um
jene ambivalente Einstellung gegenüber dem Liebesobjekt, die wir von
der Zwangsneurose her kennen. Aus dieser Quelle entspringt auch das
Lächeln unseres Patienten. Hier mag die Bemerkung eingeschaltet
werden, daß Lachen bei Beginn der Hypnose gar nicht selten zu sein
pflegt. Es hat bei zwangsneurotischen Charakteren den Ausdruck und
die Bedeutung einer Verhöhnung, bei der Hysterie und den verwandten
Charakteren den Ausdruck und die Bedeutung eines verhüllten ero-
tischen Nachgebens. Jedenfalls müssen wir festhalten, daß in der Art
und Form der Hypnose die Sexualkonstitution des Individuums zum
Ausdruck kommt. Menschen, welche besonders zur Liebe neigen, die
Tendenz haben, Liebesobjekte stark zu besetzen, pflegen leicht in tiefe
Hypnose zu kommen. Die Hysterischen mit einer starken Tendenz
zu Objektbesetzungen pflegen im allgemeinen besonders gut hypnoti-
sabel zu sein, während die Hypnose bei Zwangsneurotischen sehr häufig
Schilder und Kauders, Lehrbuch der Hypnose, 3
^ j i )ic psj i hoanal) i ist he I be< ,i Le dei 1 1 \ pm ■
auf Schwierigkeiten stößi , was mit der sadistischen Stellung der
Zwangsneurotiker gegenüber ihren Objekten (Liebesobjekten) in Zu-
sammenhang steht. vSo scharfen Akzent wir auch auf die erotische Wurzel
der Hypnose legen, so müssen wir doch mit aller Entschiedenheit be-
tonen, daß es sich bei der Erotik der Hypnose doch um zielgehemmte
Erotik handelt Wir müssen geradezu sagen, daß wir es für die Hypnose
als solche als typisch ansehen, daß ihr sexueller Gehalt dem Individuum
zunächst nicht zum Bewußtsein kommen muß. Freilich wird die ziel-
gehemmte Sexualität in weiterem Verlaufe mitunter weiter differen-
ziert und steigert sich etwa bis zur Selbstanbietung. Das darf uns jedoch
nicht darüber täuschen, daß Hypnose im allgemeinen zielgehemmte
Erotik ist.
Außer der erotischen Wurzel in dem oben beschriebenen Sinne hat
die Hypnose noch eine zweite. Sie ist Unterordnung unter eine Autorität .
v\lles, was geeignet ist, die Autorität des Hypnotiseurs oder Suggestors
zu erhöhen, erhöht auch die Hypnosefähigkeit. Ruf des Hypnotiseurs,
Wissen, daß er auf andere Personen eingewirkt hat, Alter, ehrwürdiges
Aussehen, höhere soziale Stellung sind Momente, welche die Hypnotisier-
barkeit der Versuchspersonen begünstigen. Offiziere waren im Kriege
im allgemeinen schwerer hypnotisierbar als Mannschaftspersonen. Kin-
der, Jugendliche verfallen der Hypnose eher als Erwachsene. Personen,
welche im allgemeinen nicht geneigt sind, Autoritäten anzuerkennen,
sind schwerer in Hypnose zu bringen. Wir können das auch so aus-
drücken, daß wir sagen, die Hypnose ist eine Stellung der Unterordnung,
eine Stellung des sich Unterwerfens. Diese Situation samt ihrem libi-
dinösen Hintergrund bei Patienten verschiedenen Geschlechtes, Alters
und sozialer Stellung richtig zu erfassen und durch eine individuell
streng angepaßte Hypnosetechnik taktvoll zu gestalten, bleibt die
ständige Aufgabe des Hypnotiseurs. So hatte sich z. B. einer unserer
Patienten, ein hoher Staatsbeamter, in einer Reihe von Hypnose-
versuchen völlig refraktär erwiesen. Dem Patienten wurde das offenbar
Peinliche der Entgegennahme der einleitenden suggerierenden Schlaf-
befehle dadurch erspart, daß ihm bei einem neuen Hypnoseversuch
mitgeteilt wurde, er brauche sich nur auf das Sofa zu legen, er werde
sogleich aus eigenem Willen, ohne Zutun des Hypnotiseurs, einschlafen.
In der Tat gelangte dieser Patient schon nach wenigen Minuten in Tief-
schlaf und die Hypnose ging weiterhin bei ausgezeichneter Suggesti-
bilität gut vonstatten. Hier waren es also im wesentlichen durch Alters-,
vermutlich auch soziale Unterschiede bedingte Hypnosewiderstände,
die erst hinweggeräumt werden mußten, um die außerordentliche
Hypnosebereitschaft des Patienten in Erscheinung treten zu lassen.
Wir können weiter sagen, daß die beiden muskulären Phänomene der
Hypnose, nämlich die absolute Schlaffheit und die Katalepsie, ja beide
Die psyi lioänalytische Theorie der Hypno i je;
aufgefaßt werden können als der Ausdruck des willenlosen Mit-sich-
Geschehenlassens. Völliges Unterworfensein drückt auch jene Lage aus,
in welcher die Hypnose vonstatten geht. Der Hypnotisierte liegt, der
Hypnotiseur steht bei ihm. Wir haben allen Grund zu der Annahme,
daß derartige Haltungen der Haltung des Masochismus entsprechen,
denn der Kern der masochistischen Stellung liegt nicht darin, daß man
Schmerz erleiden will, sondern in der völligen bedingungslosen Unter-
ordnung. So etwa wenn ein Schizophrener, der von Jugend auf maso-
chistische Züge geboten hatte, erzählt, eine seiner Phantasien in frühem
Jugendalter von 6—8 Jahren sei die gewesen, er werde von Zigeunern
entführt, sitze auf dem Schoß einer Zigeunerin, so daß er gar nicht tun
könne, was er wolle und jener Zigeunerin völlig unterworfen sei. Der
vSchmerz, der als solcher empfunden wird, wird zum Zeichen der abso-
luten Unterwerfung geduldet und gesucht.
Gerade jene Vereinigung von zielgehemmter Erotik und bedingungs-
losem Glauben und Sich-unterwerfen ist die Stellung, welche die Haltung
des Kindes gegenüber den Eltern kennzeichnet. Es ist eine wichtige
Haltung im Rahmen des Ödipuskomplexes, der ja bekanntlich neben
der heterosexuellen auch eine homosexuelle Form hat. Die Be-
ziehungen dieses hypnotischen Liebeserlebnisses zu dem reifen Liebes-
erlebnis zu verfolgen, kann hier nicht unsere Aufgabe sein. Nur zwei
Züge sind von größerer Bedeutung. Die Unterwerfung ist im normalen
Liebesleben, sofern sie statthat, doch bei beiden Partnern gegeben.
Fernerhin wird im reifen Liebeserlebnis von den Liebenden die Persön-
lichkeit des Geliebten doch in individuelleren Zügen gesehen, als der
Hypnotisierte den Hypnotiseur sieht, der Suggerierte den Suggestor.
Doch sollen uns diese Probleme späterhin noch eingehender beschäftigen.
Von der Psychologie des Masochismus aus gewinnen wir ein tieferes
Verständnis für die Psychologie der Hypnose. Um Mißverständnissen
vorzubeugen, möchten wir bezüglich des Gebrauches des Terminus
Masochismus allgemein, im Einklang mit den Grundsätzen der Psycho-
analyse, folgendes sagen. Die Psychoanalyse spricht von der polymorph
perversen Triebartung des Kindes. Sie übersieht jedoch keineswegs,
daß die ausgebildete Perversion nicht der Abklatsch der infantilen
Regungen ist. Ganz abgesehen davon, daß jede Triebregung erst inner-
halb des gesamten psychischen Aufbaus, der ja im Kindesalter ver-
schieden ist von dem psychischen Aufbau des Erwachsenen, seinen Sinn
erhält, müssen wir zwischen dem kindlichen Partialtrieb und dem per-
versen Trieb auch jene Unterschiede annehmen, welche zwischen jeder
anderen keimhaften und ausdifferenzierten Seelenregung vorhanden sind.
In jedem Masochisten finden wir auch sadistische Züge. Umgekehrt wie
wir auch bei jedem Sadisten masochistische Züge antreffen. Der Maso-
chist identifiziert sich mit seinem Beherrscher, in der Unterwerfung
3*
iß Die psychoanalytische Theorie der Hypnose.
genießt er die Größe und die Macht des anderen mit. Durch gelegentliche
sadistische Züge bringt er diese Identifizierung zum Ausdruck. Freud
hat diese Mechanismen mit vollständiger Klarheit auseinandergesetzt.
Nur mit jenen Personen identifizieren wir uns, denen wir innerlich gleich
sein möchten, deren Rolle wir zu übernehmen bereit sind. Mit anderen
Worten, das Streben des Masochisten geht auf dem Wege der Unter-
ordnung nach Machtgewinnung. Er dient, um an der Macht des anderen
wenigstens in Gedanken teilzuhaben, und der dem Mächtigen willenlos
Unterworfene kommt ja gar nicht selten in der Tat auf diesem Wege
zu einem Stückchen Macht, dessen er sonst nicht teilhaftig geworden
wäre. Wir wären also geneigt, auch beim Masochisten die primäre
Regung als sadistisch anzusehen. Wir verkennen jedoch die Schwierig-
keit nicht, die darin gelegen ist, daß wir ja auch im Sadisten masochi-
stische Züge finden, so daß wir genötigt sind, auch dem Wunsch nach
Unterordnung eine gewisse selbständige Bedeutung zuzuschreiben.
Letzten Endes stehen sich offenbar auch hier Triebgegensätze besonders
nahe und die endgültige Gestaltung einer Triebregung hängt nicht nur
von den gegensätzlichen Triebarten ab, sondern von Bedingungen,
welche innerhalb der Gesamtpersönlichkeit gelegen sind. Jedenfalls
haben wir daran festzuhalten, daß im Masochismus auf indirektem Wege
auch ein Machtstreben befriedigt wird.
. Übertragen wir die gewonnenen Erkenntnisse auf den Hypnotisierten,
so ergibt sich, daß er sich nur deshalb dem Hypnotiseur so vollständig
unterwirft, weil er an der Größe des Hypnotiseurs Anteil zu haben
wünscht. Wir haben uns nun zu fragen, worin denn die Größe des
Hypnotiseurs bestehe, oder, anders formuliert, was denn der Hypnoti-
seur der hypnotisierten Person bedeute. Seine Fähigkeiten sind darin
gegeben, daß durch sein bloßes Wort in der Außenwelt Veränderungen
erscheinen. Für den Hypnotisierten wenigstens ist er der große Zau-
berer, der durch seinen Wunsch und Willen allein imstande ist, die Welt
schaffend zu verändern, nach Belieben aus ihr Dinge hinwegzutun und
ihr hinzuzufügen. Darüber hinaus hat er auch die große Gewalt auf die
körperlichen Funktionen der Hypnotisierten, oder mit anderen Worten,
der Hypnotiseur ist Magier, Zauberer für den Hypnotisierten. Wir
wollen es zunächst als erwiesen ansehen, daß dem Hypnotiseur diese
magischen Fähigkeiten nicht zukommen. Der Hypnotisierte muß also
diese Fähigkeiten aus irgendeinem Motiv heraus dem Hypnotiseur
zuschreiben oder, anders ausgedrückt, die magischen Fähigkeiten sind
in den Hypnotiseur hineinprojiziert. Wenn wir den Ausdruck Projektion
gebrauchen, so drücken wir damit aus, daß der Wunsch nach solcher
Zauberkraft in dem Hypnotisierten selbst lebendig sein muß. Freilich
wagt der Hypnotisierte nicht, sich diesen Wunsch einzugestehen, oder
gar ihn in bezug auf die eigene Person als erfüllt zu denken. Deshalb
Die psychoanalytische Theorie der Hypnose. \J
projiziert er ihn auf den Hypnotiseur und wird nun auf dem Wege
der Identifizierung doch einer Zauberkraft teilhaftig, welche er sich
sonst nicht zuzuschreiben wagen dürfte. Der Wunsch nach Allmacht
wird also in ,, unbewußter Bearbeitung" als erfüllt dargestellt, wird in
den anderen hinausprojiziert und wird auf dem Wege der Identifizierung
wieder in die Persönlichkeit zurückgenommen. Man kann den psycho-
logischen Vorgängen bei der Hypnose mit einfacheren Mitteln wohl
kaum beikommen.
Einige allgemeine Bemerkungen über den Wunsch nach Allmacht
sind vonnöten. Wir haben allen Grund mit Ferenczi anzunehmen,
daß das Kind in den primitivsten Stadien der Entwicklung sich solche
Allmacht zuschreibe. Über Einzelheiten möge man in dem Aufsatze
von Ferenczi nachlesen. Wir führen derartige Allmacht in der Psycho-
analyse auf narzistische Triebeinstellungen zurück, auf Triebeinstel-
lungen, welche vorwiegend der Liebe zum eigenen Körper, zur eigenen
Person dienen. Nur wenn solche Einstellungen übermächtig sind, ver-
fließen Körper und Welt in Eines und die Welt ist in ähnlicher Weise
den Wünschen Untertan, wie die eigene Vorstellung. Diesen Anspruch
zur Bewältigung der Welt durch den bloßen Gedanken allein, ohne
den mühsamen Weg über die der Realität angepaßte Handlung geben
wir niemals vollständig auf. Der Wunsch, es möge übersinnliche Kräfte
geben, welche durch den Gedanken allein oder durch gedankenähnliche
Kräfte die Welt bewegen, verdichtet sich in jedem von uns nur allzu
leicht zu dem Glauben, daß solche Kräfte wirklich vorhanden sind.
Jeder von uns würde, falls nur irgend jemand solchen magischen Könnens
teilhaft wäre, in seinem Selbstgefühl gestärkt werden. Er würde durch
Identifizierung ja gleichfalls an dieser Gottähnlichkeit Anteil haben.
Kaplan verweist eindringlich auf die Beziehungen der Hypnose zum
Animismus. Hier liegt eine der tiefsten Wurzeln der Hypnose. Sie
stammt lediglich aus der Psychologie des Hypnotisierten und nicht
aus der des Hypnotiseurs. Der Hypnotiseur hat lediglich den Prozeß
nicht zu stören. Man sieht, wir kommen auch hier wieder dazu, im
Infantilen die Wurzel der Hypnose zu sehen. Der Hypnotiseur trägt
dem Infantilen der Situation durch Streicheln, einförmigen Singsang
und dergleichen mehr Rechnung und paßt sich hierin den Forderungen
des Hypnotisierten an.
Wir sind in der Psychoanalyse gewohnt, psychische Phänomene
dadurch zu charakterisieren, daß wir jene Phänome des kindlichen
Lebens aufzeigen, welchen sie regressiv entsprechen. Wir pflegen ja
auch in diesem Sinne von einer Regression zu sprechen. Wir mußten
nun die Hypnose mit jener Phase des kindlichen Erlebens in Verbindung
bringen, wo das Kind nicht mehr den Mut hat, sich selbst die magischen
Fähigkeiten zuzuschreiben, aber diese doch wenigstens seinen Eltern
ag Die psychoanalytische Theorie der Hypnose.
zuerkennt, so daß es wenigstens auf dem Umwege über die Eltern, mit
denen es sich identifiziert, magischer Fähigkeiten teilhaftig ist.
Freilich kennzeichnet diese Charakteristik nicht alle Phänomene der
Hypnose und Suggestion, denn im Schlafe werden ja Regressionen
erreicht, welche offenbar noch um ein Stück tiefer liegen. Andernteils
würde manifest hervorbrechende Erotik einer Stufe höherer psychischer
Entwicklung zuzuschreiben sein. Wir haben mit all dem, was wir aus-
führten, nur die ,, Hauptfixierungsstellen" der Hypnose gekennzeichnet.
Bjerre sieht in der Hypnose eine Rückkehr ins Embryonale, eine
Anschauung, der nur eine teilweise Berechtigung in bezug auf gewisse
Phänomene der Hypnose (Schlafphänomene) zukommt. Denn der
Schlaf weist nach analytischer Lehre, die hier nicht näher zu begründen
ist, wesentliche Züge der Regression zum Embryonalen auf.
Aber noch von einem anderen Gesichtspunkt aus ist unsere bisherige
Darstellung lückenhaft. Sie vernachlässigt nämlich, daß die hier be-
schriebene Regression die Persönlichkeit nur in gewissen Teilen umfaßt.
Wir haben bereits früher darauf hingewiesen, daß die Hypnose sich in
verschiedener seelischer Tiefe abspielen kann. Wir haben von der see-
lischen Tiefe der Hypnose gesprochen, wir könnten nach früheren
Begriffsfassungen des einen von uns auch davon sprechen, daß die
Hypnose dem Zentrum des Ichkreises bald näher, bald ferner liegt.
Wir haben diese deskriptiven Begriffe noch psychoanalytisch schärfer
zu fassen. Wir gehen hierbei am zweckmäßigsten von der Tatsache aus,
daß der Hypnotisierte, der negativ halluziniert, doch auf die scheinbar
nicht für ihn vorhandene Realität Rücksicht nimmt. Er blickt von den
negativ halluzinierten Gegenständen weg und er findet sich in einer
noch so kompliziert gebauten Räumlichkeit zurecht, auch wenn er
diese anscheinend nicht wahrnimmt. Das Handeln, welches der hyp-
notischen Suggestion entspricht, macht häufig einen schwächlichen,
oberflächlichen und kraftlosen Eindruck. Wir haben jedenfalls daran
festzuhalten, daß das hypnotisierte Individuum, obwohl es in einer
suggerierten Welt lebt, der wirklichen Welt doch bis zu einem gewissen
Grade im Handeln gerecht wird. Mit anderen Worten, Idealiche, welche
den Verkehr mit der wirklichen Welt aufrechterhalten, haben eine ge-
wisse Besetzung behalten. Diese Idealiche sind es ja auch, welche fort-
während darüber wachen, daß dem Individuum nichts zustoße, was
seinen Gesamtzielen widerspricht; oder mit anderen Worten, alle jene
Regressionen, von welchen wir gesprochen haben, sind nur partielle
und ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Persönlichkeit hält die nor-
malen Beziehungen zur Außenwelt fest. Eine in der Ichperipherie
gelegene Haltung der Unterordnung steht demnach im Sinne der früheren
Ausführungen dem Spiele nahe. Es verlohnt, sich die Frage vorzulegen,
welche Verhältnisse denn bei der Hörigkeit in der Hypnose gegeben
Die psychoanalytische Theorie der Hypnose. ^
seien. Nur die Hörigkeit in der Hypnose, nicht aber die sonstige Hörig-
keit, stattet den Hypnotiseur mit magischen Fähigkeiten aus, oder
mit anderen Worten, nur die Hypnosehörigkeit erreicht jene tiefe
Regression zu den magischen Stufen. Gleichzeitig ist die Hypnose zu
sehr tiefen seelischen Schichten vorgedrungen, dem Ichzentrum nahe-
gerückt. Wir werden allerdings auch für derartige Fälle daran zweifeln
müssen, ob der Glaube an magische Einwirkung selbst in derartigen
Fällen dem Individuum so zur inneren Überzeugung wird, wie etwa
gewissen Schizophrenen .Ja darüber hinaus wird man noch daran
erinnern müssen, daß wir auch die Fixierungsstelle der Hypnose an
jenen Punkt verlegt haben, an welchen das Individuum bereits nahe
daran ist, der magischen Weltanschauung den Rücken zu kehren. In
der Hörigkeit überwiegt im allgemeinen die masochistische Unterwerfung
unter den Hypnotiseur, und diese masochistische Unterwerfung kenn-
zeichnet auch die Hörigkeit außerhalb der Hypnose. Hier verlegt sich
der Schwerpunkt immer mehr zu jener Einstellung hin, welche innerhalb
des masochistisch-infantilen Ödipuskomplexes liegt.
Unsere bisherigen Formulierungen ermöglichen es nun, das psychische
Phänomen der Hypnose anderen Erlebnisweisen klar gegenüberzustellen.
Der hysterische Ausnahmezustand ist gegenüber der Hypnose dadurch
gekennzeichnet, daß kein Rapport zu einem Suggestor besteht, und wir
sehen ja gar nicht selten, daß eine Hypnose dann in einen hysterischen
Ausnahmezustand übergeht, wenn das Individuum in der Hypnose den
Rapport löst. In der Hysterie lebt^das Individuum unmittelbar seinen
eigenen Komplexen. In der Hypnose lebt es diese auf dem Umwege
über den Hypnotiseur aus, die Regression zum Magischen ist in der
Hypnose ausgesprochener. Daher bleibt die Person des Hypnotiseurs
noch undifferenzierter als die Person, auf welche die Hysterische ihre
infantilen Liebeseinstellungen überträgt. Oder mit anderen Worten,
die Figur des Hypnotiseurs ist noch schematischer als jene, welcher
sich die hysterische Persönlichkeit zuwendet. Das schließt natürlich
nicht aus, daß der Hypnotisierte gelegentlich doch nur bestimmten
Persönlichkeiten die Gewalt des Suggestors zuerteilt und auf andere
„nicht überträgt". Denn neben dem tief infantilen Material gehen
in die Hypnose zweifellos in individuell verschiedenem Grade auch
differenziertere libidinöse Regungen ein.
Für das Problem der Beziehung der Hypnose zur Hysterie ist jene
Beobachtung von Interesse, welche der eine von uns in der Gesell-
schaft der Ärzte in Wien einmal demonstriert hat. Ein 16 jähriger
wurde von einem Laienhypnotiseur hypnotisiert, wurde in der Hyp-
nose tobsüchtig und attackierte den Hypnotiseur, der sich nicht zu
helfen wußte und die Hilfe der Polizei in Anspruch nahm. Der
Hypnotisierte mußte gefesselt werden. In der Klinik war er bereits
40 Die psychoanalytische Theorie der Hypnose.
ruhig und geordnet, wußte aber nichts von dem Vorgefallenen.
Eine hier neuerdings durchgeführte Hypnose ergab nun: Der junge
Mann war in der Umgebung Wiens als gutes Medium bekannt gewesen
und war wiederholt, im ganzen etwa 200 mal, von verschiedenen Per-
sonen zu Vorführungen benutzt worden. Einer dieser Laienhypnotiseure
hatte ihm wiederholt den Befehl gegeben, irrsinnig zu werden und hatte
ihm suggeriert, es käme eine Fliege an ihn heran, die immer größer und
größer werde, was ihn mit lebhafter Angst erfüllte. Während der Hyp-
nose, die in Wien stattgefunden hatte, erschien nun der andere Hyp-
notiseur, und auf dessen Befehl hin wurde der junge Mann nun tob-
süchtig. Der anwesende Hypnotiseur stand dieser aus den früheren
Hypnosen stammenden ,, Tobsucht" hilflos gegenüber. Mit jeder Hyp-
nose erwecken wir aber etwas, das aus tiefer liegenden Schichten stammt.
Wir wenden uns immer an die im Triebleben verankerte Vergangenheit.
Wenn aber auch zwischen tiefgreifender Hypnose und Hysterie Be-
ziehungen bestehen, so sind die Unterschiede doch hinreichend groß,
um beide Zustände scharf auseinanderzuhalten. Die Hypnose ist also
nicht eine künstlich erzeugte Hysterie, wie es Charcot annahm.
Noch leichter fällt uns die Charakterisierung der Hypnose gegenüber
jenen Zuständen, in welchen der Glaube an magische Kräfte beherrschend
zutage tritt, nämlich gegenüber den paraphrenen und schizophrenen
Bildern. Hier lebt das Individuum in der Magie und die aus dem
Ödipuskomplex stammenden Einstellungen verlieren an Bedeutung.
Wir haben vielfach von der Beziehung der Hypnose zur Erotik
gesprochen und wir wollen uns in letzter Zusammenfassung noch einmal
fragen, inwieweit sich denn die Erotik des Hypnotisierten von der wirk-
lichen Liebe unterscheidet. Die Materialien zur Beantwortung dieser
Frage sind zum Teil schon in den früheren Ausführungen gegeben. Wir
haben betont, daß dem Hypnotiseur der Eigenwert im allgemeinen
mangelt. Er ist ein Schema, dem die besonderen individuellen Züge
fehlen, während es gerade für die echte Liebe charakteristisch ist, daß
die andere Person irgendwie in ihrer Gänze in diese Liebe eingehe.
Nur jene Liebe wird eine reiche sein, welche die geliebte Persönlichkeit
in ihrer Fülle in sich schließt. Dementsprechend werden die Züge der
Unterwerfung in der Liebe keineswegs so dominieren wie in der Hypnose,
es sei denn, es bestünde die Haltung der Hörigkeit. Deuten wir ferner
hier nur den allgemeinen Grundsatz an, daß ein Phänomen zu zweit
nie in der Weise verlaufen kann, daß die Haltung der anderen Persön-
lichkeit für das Erleben gleichgültig sei. Die besondere Stellung des
Hypnotiseurs zum Hypnotisierten und der liebenden Person zur geliebten
muß das Phänomen der Hypnose und der Liebe irgendwie wesentlich
mitbestimmen. Und schließlich kommen wir zu einem entscheidenden
Punkte. In jeder wirklichen Liebe und Hingabe gibt sich das Individuum
Die Hypnose als soziales Phänomen. 41
rückhaltlos oder zumindest tritt jeder Vorbehalt tief in den Hintergrund
des Erlebens zurück. Wir haben immer wieder die Vorbehalte betont,
welche der Hypnotisierte macht. Die Hingabe des Hypnotisierten ist
eine Hingabe auf Widerruf. Das nimmt der Hypnose jenen letzten
Ernst, der jede wirklich große Leidenschaft auszeichnet. ,,Die Hypnose
ist nur ein schüchterner Versuch, in das Chaos zurückzukehren, es fehlt
ihr die große, freie, bedingungslose Hingabe."
Die Psychologie des Hypnotisierten ist ohne die Psychologie des
Hypnotiseurs unvollständig. Die Analyse des Hypnotiseurs ist noch
nicht gegeben, aber aus allgemeinen Gründen ist es unwahrscheinlich,
daß der Hypnotiseur nicht das fühle, was der Hypnotisierte in ihm
voraussetzt. Er muß in irgendeinem Winkel der Seele die magische
Potenz in sich verkörpert fühlen, muß die Forderung nach unbedingter
masochistischer Unterwerfung erheben und muß den Wunsch nach der
sexuellen Hörigkeit der anderen Person in sich tragen. Der Vergewalti-
gungsfurcht des Hypnotisierten muß der Vergewaltigungswunsch des
Hypnotiseurs entsprechen. Wir wissen ja, daß Laienhypnosen in der
Tat oft als Mittel zur sexuellen Annäherung dienen. Der Übertragung
des Hypnotisierten muß eine Gegenübertragung des Hypnotiseurs ent-
sprechen. Es ist sonderbar, daß ein mißglückter Hypnoseversuch bei
dem Hypnotiseur ein Gefühl der persönlichen Enttäuschung hervor-
zurufen pflegt, welches über das Maß hinauszugehen pflegt, welches
dem bewußten Interesse an der Sache entspricht. Freilich werden alle
diese Erlebnisse bei dem Hypnotiseur besonders weit in der Peripherie
seines Erlebens liegen. Er ist mit besonders breiten Anteilen seiner
Persönlichkeit an allen diesen Dingen unbeteiligt, ja es ist geradezu der
Sinn der Hypnose, daß der Hypnotiseur der Wirklichkeit zugewandt,
im vollen Besitze hochentwickelter und hochdifferenzierter Idealische
bleibe und daß jene oben gekennzeichnete Regression unbewußt
verbleibe.
VII. Die Hypnose als soziales Phänomen.
Die Gesellschaft ist an den Leistungen des Einzelnen weitgehend
interessiert, und die Frage, ob und inwieweit in der Hypnose Leistungs-
steigerungen stattfänden, ist von einer sehr wesentlichen sozialen Be-
deutung. Wir wissen ja, daß die Leistung jedes einzelnen von uns
vielfachen Hemmungen unterliegt. Wir sind keineswegs imstande, stets
unser Letztes herzugeben. Die Theorie aller dieser Dinge kann uns hier
im einzelnen nicht beschäftigen. Wir haben nur festzuhalten, daß wir
ja stets unter der Wirkung vieler Einstellungen stehen, widersprechender
Triebrichtungen, welche uns verhindern, uns ganz den Dingen hinzu-
geben. Alt überkommene starre Formeln aus Differenzierungen, welche
42 Die llvpnosc als sozialos Phänomen
neuen Situationen gegenüber keine Anpassungsfähigkeit haben, rauben
uns jene kindliche Frische, deren es bedarf, wenn Sachstrukturen wirk-
lich in ihrer Fülle erkannt werden sollen. Schöpferische Prozesse aller
Art beginnen damit, daß Differenzierungen eingeschmolzen werden und
ein undifferenzierter Zustand erreicht wird, aus welchem heraus die
Neuschöpfung ihren Ausgang nehmen kann. Freilich muß in diese
Neuschöpfung das Individuum zur Gänze eingehen, wenn eine wertvolle
Leistung zustande kommen soll. Das Tatsachenmaterial, das in bezug
auf Leistungsteigerung in der Hypnose vorliegt, ist nicht sehr groß.
Es bezieht sich auf Steigerung der Leistung der Sinnesorgane (Trömnek).
Man hat mit Recht hervorgehoben, daß die Aufmerksamkeit in der
Hypnose nicht durch Zwischenerlebnisse abgelenkt sei.: Ach fand die
geistige Leistungsfähigkeit, geprüft durch fortlaufendes Addieren, um
fast ein Fünftel des Normalen gesteigert. Prantl untersuchte die
Gedächtnisspanne. Er prüfte, wieviele Ziffern in einer Bietung behalten
werden. Es ist mehr eine Prüfung der Aufmerksamkeit, als des Gedächt-
nisses selbst. Er faßt seine Versuche dahin zusammen, daß durch Sug-
gestion die Aufmerksamkeits- oder Gedächtnisspanne ihrer Leistungs-
fähigkeit nach etwa verdoppelt werden kann.
Der eine von uns (Kauders) hat in einer Reihe derzeit noch nicht
veröffentlichter Untersuchungen intellektuelle Leistungssteigerungen,
zum Teil auch kombinatorische Leistungen in der Hypnose untersucht.
Es wurden zu diesen Versuchen prinzipiell nur der Tiefhypnose zugäng-
liche Personen ausgewählt, die das in der Hypnose Erlebte voll amne-
sieren. Die Versuchsanordnung war derart, daß in einer Hypnose von
der Versuchsperson eine bestimmte schwierige Leistung meist arith-
metischer Art gefordert und zugleich der Auftrag erteilt wurde, die
Lösung in der nächsten Hypnose, die von der ersten oft durch mehr als
eine Woche getrennt war, zu wissen. Es wurde also, bei völliger Aus-
schaltung der außerhypnotischen, bewußten intellektuellen Bearbeitung
ein posthypnotischer Befehl für die nächste Hypnose erteilt. Die Er-
gebnisse dieser Untersuchungen können hier in extenso nicht wieder-
gegeben werden, es gelang aber auf diese Weise, die Multiplikation
zweier dreistelliger Zahlen im Kopfe anstandslos herbeizuführen. Die
Art, wie in der zweiten Hypnose dann das Resultat gebracht wurde,
war hierbei eine höchst auffällige. Dieses wurde nicht einfach als glatt
erledigte Aufgabe mitgeteilt, sondern die Nennung des sechsstelligen
Resultates erfolgte ziffernweise und unter deutlicher Anstrengung, so
als ob die Aufgabe eben jetzt erst gelöst würde, aber doch in ganz
richtiger Reihenfolge. Natürlich wurden entsprechende Kontrollversuche
bei sämtlichen Medien angestellt, und zwar über die Rechenfähigkeit des
betreffenden Mediums im Normalzustand und in der Hypnose selbst,
ohne vorausgegangenen hypnotischen Befehl.
Die Hypnose als soziales Phänomen. /\x
Bezüglich schöpferischer Leistungen in der Hypnose werden wir wohl
folgendes sagen können. Besteht die Bindung an den Hypnotiseur
weiter, so wird wohl jene letzte Freiheit nicht erreicht werden, welche
zu jeder wahrhaft großen Leistung notwendig ist. Auch Zustände von
Autohypnose und Autosuggestion werden jene letzten Zusammen-
fassungen der Gesamtpersönlichkeit deshalb nicht ermöglichen, weil in
der letzten Phase der Bearbeitung des Werkes eine starke Beziehung
zur Wirklichkeit unbedingtes Erfordernis ist.
Freud hat die Hypnose als eine Masse zu zweit gekennzeichnet.
Nach Freud entsteht eine Masse dann, wenn sich die einzelnen Persön-
lichkeiten der Masse mit einem gemeinsamen Führer identifizieren.
Identifizierungen zwischen den Einzelnen der Masse machen diese
homogener. Die Identifizierungen werden in das Idealich eingetragen,
jeder einzelne trägt in seinem Idealich die Züge der Menschen, mit
denen er sich identifiziert, herum. Im Idealich ist das Gewissen ver-
treten. Die wichtigsten Identifizierungen sind die mit den Eltern, be-
sonders mit dem Vater, welcher zunächst die Forderungen der Gesell-
schaft vermittelt. Auch hier die Unterordnung unter eine mit mehr
oder minder gewaltig gedachten Kräften ausgestattete Persönlichkeit.
Auch in der Hypnose treffen wir jene Unterordnung wieder an und der
Hypnotisierte ordnet sich dem Hypnotiseur in ähnlicher Weise unter,
wie der Geführte dem Führer. Wir haben allen Grund, anzunehmen,
daß die massenbildenden Kräfte der Gesellschaft den homosexuellen
Triebkräften nahestehen, mit jener Einschränkung, welche wir all-
gemein in bezug auf die Gleichsetzung von Infantilregungen und
Regungen der Perversion schon vornahmen. Man kann, wenn man
will und wie das auch schon wiederholt geschehen ist, von einer Sug-
gestibilität der Masse sprechen, wenn man etwa die leichte Bestimm-
barkeit durch die Affektivität und die Abweichung in Betracht zieht,
welche das Handeln der Masse von den Normen gebilligter Idealiche
aufweist. Der Führer, und abgeleitet von diesem die führende Idee,
würde die Rolle des Suggestors übernehmen. Die Hypnose ist von
diesem Gesichtspunkt aus in der Tat eine Masse zu zweit, aber man
darf doch nicht verkennen, daß die Hypnose auf der einen Seite tiefere
Regression aufweist, auf der anderen Seite nicht dem Ichzentrum so
nahesteht wie die Phänomene der wirklichen Überzeugung, der wirk-
lichen Begeisterung, welche wir ja doch in der Masse suchen müssen.
Letzten Endes hängt dieser Unterschied damit zusammen, daß mit der
Psychologie der Masse eine wesentliche Abänderung des Ichideals selbst
verbunden ist, welches sich mit den Handlungen der Masse einverstanden
erklärt. Bei jeder großen Massenbewegung werden die Ichideale um-
gebaut, in Identifizierung mit dem Führer und den übrigen Gliedern
der Masse. Nichts Derartiges kommt der Hypnose zu. Ihr fehlt der
44 Die Hypnose als soziales Phänomen.
Umbau der Ichideale, ihr fehlt, wie wir das schon gegenüber der Liebe
hervorgehoben haben, die Vorbehaltlosigkeit, welche das Tun der Masse
und der in ihr vereinigten Personen auszeichnet. Der Hypnotisierte ist
nur bis auf Widerruf hingegeben.
Von diesen Gesichtspunkten aus gewinnen wir die Einstellung zu
dem viel diskutierten Problem von H37pnose und Verbrechen. Wenn
ein wesentlicher Teil der Persönlichkeit kontrollierend beobachtet, was
in der Hypnose der Fall ist, so ist es selbstverständlich, daß nur jene
verbrecherischen Handlungen von den Hypnotisierten auf Suggestion
hin durchgeführt werden, mit denen sich die Gesamtpersönlichkeit ein-
verstanden erklärt. Immer wieder haben wir hervorgehoben, daß die
Macht des Hypnotiseurs über die hypnotisierte Person nur eine begrenzte
ist. Man könnte versucht sein, eine mangelhafte Technik des Hypnoti-
seurs dann anzunehmen, wenn das Medium Eigenwillen behält. Aber
auch Delbceuf hat gezeigt , daß die hypnotisierte Person keineswegs
willenloses Werkzeug in der Hand des Hypnotiseurs ist und daß sie
ihren eigenen Willen, ihre eigenen Einstellungen beibehält. Es ist
übrigens zunächst einmal sehr auffallend, daß es keinen einzigen gut
beglaubigten Fall gibt, in welchem ein wirkliches Verbrechen von einem
Hypnotisierten auf den Befehl des Hypnotiseurs hin gegen den Willen
der hypnotisierten Person ausgeführt worden wäre. Dies ist um so
beachtenswerter, als nach der Beendigung des Krieges das Hypnotisieren
eine ungemeine Verbreitung hatte, öffentlich in Schaustellungen gezeigt
wurde, so daß vorausgesetzt werden kann, daß eine große Anzahl von
Personen hypnotische Experimente durchführte. Diese Hypnoseepi-
demie fällt noch dazu in eine Zeit gelockerter Rechtsbegriffe, in eine
Zeit gesteigerter Kriminalität. Die äußeren Bedingungen für Verbrechen,
begangen durch Hypnotisierte, sind also sehr günstige gewesen, so daß
man wohl berechtigt ist, aus dem Fehlen der entsprechenden Kasuistik
Schlüsse zu ziehen. Man hat auch nicht mit Unrecht hervorgehoben,
daß ja gar keine Gewähr bestehe, daß der Hypnotisierte in der Hypnose
oder auf den hypnotischen Befehl hin so handle, daß das Verbrechen
geschickt ausgeführt werde. Delbceuf hat einige sehr interessante
Beobachtungen dieser Art mitgeteilt. Wir folgen mit unseren Ausfüh-
rungen durchaus dem Gedankengange Wagner- Jaureggs, den er in
einem öffentlichen Vortrage zum Ausdruck gebracht hat. Der Friseur-
gehilfe Grundmann erachtete die Ausführungen Wagner- Jaureggs als
irrig und richtete die 46jährige Marie D., welche er wiederholt hypnoti-
sierte, zu einem Attentat gegen Wagner- Jauregg ab, das die Möglich-
keit suggerierter Verbrechen dartun sollte. Er gab ihr zu diesem Zweck
eine blindgeladene Pistole in die Hand und befahl ihr, nachdem er ihr
noch vorher eingeschärft hatte, daß die Waffe gefahrlos sei, in die
Wohnung Wagner- Jaureggs zu gehen und auf ihn zu schießen. Be-
Die Hypnose als soziales Phänomen. 45
merkenswerterweise hob im entscheidenden Moment das Mädchen zwar
die Waffe zum Schuß, ließ sie aber, ohne losgedrückt zu haben, sinken1).
Also nicht einmal zu jenem Schein verbrechen konnte sich das Mädchen
entschließen. Über die Einzelheiten des Falles möge man in dem aus-
führlichen Berichte Kogerers nachlesen. Der Versuch, auf hypno-
tischem Wege eine Person zum Verbrechen zu bringen, ist also auch hier
völlig mißglückt. Die Vertreter der Lehre, daß es hypnotisch erzeugte
Verbrechen gebe, verweisen auf Laboratoriumsexperimente, in denen
die hypnotisierte Person dazu bewogen werden konnte, Schüsse auf andere
Personen abzugeben u. dgl. m. Wir müssen aber daran festhalten, daß
der Hypnotisierte immer von der Gesamtsituation weiß, daß er das
Bewußtsein hat, daß mit ihm experimentiert wird, und daß er recht
wohl wissen muß, daß ihn der Hypnotiseur nicht zu einem wirklichen
Mord bewegen wird, wenn der Hypnotiseur ein Mann in geachteter
sozialer Position ist. Wir sind also der Ansicht, daß man den Hypnoti-
sierten nur zu jenen Verbrechen bewegen kann, zu welchen er von
vorneherein Neigung besitzt. Eine endgültige Entscheidung zugunsten
der gegenteiligen Ansicht könnten nur Erfahrungen des wirklichen
Lebens bringen, denn Laboratoriumsexperimente sind aus den oben
angeführten Gründen zur Entscheidung der Frage grundsätzlich un-
geeignet. Man könnte ja gegen den eingenommenen Standpunkt ein-
wenden, daß wir ja selbst die Möglichkeit des Übergangs der Hypnose
in die Hörigkeit zugegeben haben und daß der Hörige von seinem Be-
herrscher zu Verbrechen getrieben werden kann, bedarf keiner weiteren
Begründung. Aber Hörigkeit und Hypnose haben ihrem Wesen nach,
wie wir bereits wiederholt betont haben, nichts miteinander zu tun.
Daran ändert nichts, daß es gelegentlich möglich ist, die Hypnose als
technisches Hilfsmittel zu benützen, um sich einen Menschen hörig zu
machen. Es wäre auch unrichtig, den Flirt als große Liebe zu bezeichnen,
weil er gelegentlich einmal zu solcher Liebe hinführt. Und hiermit
wenden wir uns auch noch einmal mit Entschiedenheit gegen die miß-
bräuchliche Ausdehnung des Begriffes der Suggestion. Von Suggestion
können und dürfen wir nur dann sprechen, wenn das Individuum ent-
gegen seinen Idealichen, entgegen seiner sonstigen Persönlichkeit Ge-
danken, Handlungen u. dgl. unter dem Einfluß einer bestimmten Person
akzeptiert. Sachlich ungerechtfertigte Überzeugungen durch fremden
Einfluß dürfen nicht als Suggestion bezeichnet werden, wofern man nicht
den Ausdruck Suggestion eines jeden klaren Sinnes berauben will und ihn
mit Überredung, geistiger Nachfolge u. dgl. m. in eins zusammenfallen
lassen will. Man hat vergessen, daß es zwar möglich ist, Übergänge
2) Es ist allerdings nicht sichergestellt, ob die Hypnotisierte nicht doch los-
gedrückt hat, aber der Schuß versagte.
|() i »i. 1 1 \ pnose als i oiiales Phäni >m< q
zwischen allen diesen Phänomenen aufzuweisen , daß aber Suggestion
ein völlig klar umschriebenes psychisches Phänomen darstellt, einen
Typus geistiger Haltung, der weit entfernt ist von den Typen geistiger
Haltung, welche wir bei der Gewinnung von Überzeugungen einnehmen,
seien diese falsch oder richtig. Auf diesem Wege des Verwischens wesent-
licher Unterschiede hat man auch eine persönliche Beziehung zwischen
Hypnotiseur und Hypnotisiertem in der Form angenommen, daß man
behauptet hat, beim innigen hypnotischen Rapport sei die Beziehung
des Hypnotiseurs zum Hypnotisierten unübertragbar. Wir müssen dem-
gegenüber mit aller Entschiedenheit betonen, daß gut hypnotisable Patien-
ten grundsätzlich von jedem hypnotisierbar sind, ja daß auch der Befehl
des ersten Hypnotiseurs die Hypnotisierbarkeit durch andere nicht stört.
In Vorlesungen, Kursen usw. haben wir vielfach Gelegenheit gehabt, von
anderen begonnene Hypnosen selbst fortzusetzen, ohne daß die Hypnose
irgendwelche Störungen erfuhr. Für die Haltung des Hypnotisierten
ist es geradezu charakteristisch, daß er bereit ist, die masochistisch in-
fantile Stellung gegenüber jedermann einzunehmen, wenn nur die vagen
Züge des Schemas erfüllt sind. Der Hypnotisierte ist bezüglich der
Tendenz, ein Individuum zum Hypnotiseur zu machen, wahllos, noch
wahlloser, als es der Hysterische in seinen Objektbesetzungen zu sein
pflegt. Wenn in einzelnen Fällen nur bestimmte Personen mit der
Würde des Hypnotiseurs bekleidet werden, so handelt es sich um ein
Hervortreten differenzierterer Strebungen, welche nicht grundsätzlich
zum Phänomen der Hypnose gehören. Man könnte auch sagen, daß die
Neigung zu verbrecherischer Betätigung in uns allen schlummere, und
daß die Hypnose, welche ja imstande ist, Affekte zu entfesseln, auch die
verbrecherischen Instinkte entfesseln könnte. Aber auch hier hängt
alles von der zentralen Persönlichkeit ab und diese entscheidet, in-
wieweit einem Affekte nachgegeben wird. Es sind auch nur bestimmte
Menschen, welche im Affekt zu Totschlägern werden. Man darf nicht
glauben, daß die Gesamtpersönlichkeit durch einen Affekt so leicht
erschüttert werden könne. Selbst bei der schweren Psychose pflegen
sich die Züge der individuellen Persönlichkeit noch auszudrücken. Die
Aggression im epileptischen Dämmerzustand richtet sich häufig gegen
jene Personen, welche dem Individuum auch in den freien Zeiten un-
angenehm sind. In diesem Sinne mag es auch erwähnt werden, daß
selbst bei den hypnotischen Scheinverbrechen die Versuchspersonen den
Revolver nur gegen jene Personen abdrücken, welche ihnen unangenehm
sind. Die Hypnose kann also bestenfalls als ein technisches Hilfsmittel
— und noch dazu eins von fraglichem Werte — angesehen werden,
um einen Menschen zum Verbrechen zu verleiten (vgl. hierzu auch
Friedländer). Liegeois und Liebault vertreten allerdings die ent-
gegengesetzte Anschauung.
Forensische Bedeutung der Hvpn< I
Eine besondere Stellung nehmen die aktiven und passiven Sexual-
handlungen in der Hypnose ein. Hypnose ist, wie wir ausgeführt haben,
zielgehemmte Sexualität, und wir wissen, daß es im allgemeinen von der
zielgehemmten zur entwickelten Sexualität kein allzu weiter Schritt ist.
Wir wissen auch, daß auch außerhalb der Hypnose Situationen, welche
Erotisches zunächst nur leise andeuten, die Erotik in vollen Flammen
sehr bald hervorbrechen lassen. Die geknebelte Sexualität wartet ja
nur auf die Möglichkeit, auszubrechen. Wir werden also zugeben können,
daß der oder die Hypnotisierte zu sexuellen Handlungen leichter gebracht
werden könnte als zu sonstigen „Verbrechen". Aber vergessen wir nicht,
daß schon die Situation, in welche sich die einzelne Person mit dem
Hypnotiseur begibt, eine unausgesprochene Einwilligung, ja Aufforde-
rung zum Sexualakt bedeuten kann etwa Laienhypnosen ohne
Zeugen — , und daß die Gesamtpersönlichkeit des oder der Hypnotisierten
auch für die durch die Hypnose hervorgerufene Sexualhandlung von
Bedeutung ist. Wir glauben nicht, daß sich die Verführung mit Hypnose
einfacher gestaltet als die Verführung ohne Hypnose, und wir können
in der Hypnose nicht mehr sehen als ein nicht besonders wirksames
technisches Hilfsmittel der Verführung.
Anhang.
Forensische Bedeutung der Hypnose.
Man kann durch die Hypnose Schlaf erzielen, und es bedarf keiner
ausführlicheren Begründung, daß man eine schlafende Person leichter
bestehlen, vergewaltigen, erschlagen kann als eine wache Person. Auch
dieser Satz erfährt insoferne eine Einschränkung, als sowohl der Schla-
fende wie auch der Hypnotisierte irgendwie auf die Gesamtsituation ein-
gestellt bleiben. Was wir von den Verbrechen der Hypnotisierten selbst
halten, haben wir im vorangehenden ausführlich auseinandergesetzt.
Daß durch Suggestion und Hypnose Zeugenaussagen gefälscht werden
können, ist zuzugeben. Man wird aber die praktische Bedeutung dieses
Umstandes nicht sehr hoch einschätzen, wenn man nur den Begriff
der Suggestion nicht unnötig erweitert. Die Psychologie der Aussage
ist mit dem Begriffe der Suggestion keineswegs erschöpft. So ist es
vollständig unberechtigt, in dem von Forel zitierten Fall Johann Ber-
told (dreifacher Raubmord), in welchem durch unzweckmäßige Haltung
der Presse und des Gerichts eine Reihe von falschen Zeugenaussagen
provoziert wurde, von Suggestion zu sprechen. Es handelt sich vielmehr
um die Psychologie der Aussage (der Fall ist von Schrenck-Notzing
mitgeteilt).
Über die Schädigungen der Hypnotisierten durch unzweckmäßige.
Methoden werden wir im folgenden noch eingehender sprechen.
48 Die Hypnose als soziales Phänomen.
Eine weitere Problematik liegt in der Frage, inwieweit durch die
Hypnose Aussagen eines Beschuldigten oder von Zeugen erhalten werden
können, welche ergiebiger und zuverlässiger sind als Angaben, welche
außerhalb der Hypnose gewonnen sind. Man muß hier grundsätzlich
zwei Fälle scheiden. Solche, in welchen die Versuchsperson grundsätz-
lich in ihrem Bewußtsein nach der Erreichung der Wahrheit strebt, die
ihr selbst verborgen ist. Diese Frage fällt weitgehend mit dem Problem
der Aufheilbarkeit von Amnesien zusammen. Da Amnesien in der
Hypnose grundsätzlich aufhellbar sind, ohne daß dies im Einzelfall stets
möglich wäre, so kann die Möglichkeit der forensischen Verwertung
derartig gewonnenen Materiales keineswegs in Abrede gestellt werden.
Man darf allerdings nie vergessen, daß der Aussage in der Hypnose an
und für sich kein absoluter Wahrheitsgehalt zukommt, auch hier muß,
wenn es sich um die Wahrheit der Aussage handelt, die in der Hypnose
gewonnene Aussage noch mittels anderer Kriterien verifiziert werden.
Hat nun das Individuum kein Interesse an der Feststellung der
Wahrheit, oder liegt ihm sogar daran, die Wahrheit zu verbergen, so
muß erstens daran erinnert werden, daß das bewußte Widerstreben
gegen die Hypnose, wie oben ausgeführt, die Hypnose zwar nicht un-
möglich macht, aber sie doch erschwert. Im wesentlichen wird es doch
auf den instinktiven Wunsch ankommen. Ist die Hypnose herbeigeführt,
so müssen wir wiederum damit rechnen, daß breite Anteile der Gesamt-
persönlichkeit auch innerhalb der Hypnose ihre Ziele festhalten. Wir sind
gar nicht sicher, ob wir nicht auch innerhalb der Hypnose von der hypno-
tisierten Person in mehr oder minder klar bewußter Absicht getäuscht
werden. Hier ist eine Arbeit von Jacobi und eine Beobachtung des
einen von uns heranzuziehen, welche besonders geeignet ist, die Un-
zuverlässigkeit der Angaben Somnambuler erkennen zu lassen. Gelegent-
lich begegnen wir bei Forschung nach Dingen, welche die Patienten
verborgen halten wollen, einem starren Nein, wie wir das gleichfalls
schon auseinandergesetzt haben. Trotz allem kann die Möglichkeit nicht
in Abrede gestellt werden, daß Personen, welche in ihrem Bewußtsein
Geständnis oder die Aussage ablehnen, doch innerlich nach dem Ge-
ständnisse hindrängen, und daß die psychische Umstellung der Hypnose
so das Geständnis erleichtert oder ermöglicht. Jedenfalls scheint es nach
diesen Erwägungen nicht, daß die Hypnose berufen wäre, der Wahrheits-
forschung des Gerichtes große Dienste zu leisten. Gelegentlich wird sie
aber vielleicht zu Handlangerdiensten geeignet sein.
Auf die Möglichkeit, daß ein Verbrecher mit der schon vorher be-
standenen Absicht, das Verbrechen zu begehen, sich hypnotisieren lasse,
einesteils um eigene Hemmungen zu überwinden, anderesteils um im
Fall des Ertappt werdens der Bestrafung ganz oder teilweise zu entgehen,
hat unter anderen Wagner-Jauregg verwiesen. Diese Zweckhypnosen
Die leichte Hypnose. 49
wären den Zweckräuschen an die Seite zu stellen. Allerdings kennt die
forensische Kasuistik bisher noch nichts Hierhergehöriges.
VIII. Die leichte Hypnose.
Die bisherigen theoretischen Ausführungen haben sich lediglich mit
der tiefen Hypnose beschäftigt. Wir haben das Problem auf zuwerfen,
ob denn die oberflächlichen Hypnosen, welche, wie wir später noch im
Einklänge mit Hirschlaff ausführen werden, für den Arzt eine be-
sondere Bedeutung haben, mit den gleichen psychologischen Annahmen
verstanden werden können. Hirschlaff verneint das. Er zieht zwischen
der Hypnose der Somnambulen und den Erscheinungen leichter, ober-
flächlicher Hypnose einen scharfen Grenzstrich. Wir werden ihm hierin
nicht folgen können. Ganz abgesehen davon, daß alle Grenzziehungen
zwischen oberflächlichen und tiefen Hypnosen, wie aus unserer Be-
schreibung der Erscheinungsweise der Hypnose hervorgeht, mehr oder
minder willkürlich sind, ist der suggestive Rapport zwischen dem leicht
Hypnotisierten und dem tief Hypnotisierten seinem Wesen nach gleich.
Man kann das erfahren, wenn man hinterher einen solchen leicht hypnoti-
sierten Kranken psychoanalysiert. Wir müssen lediglich sagen, daß die
dynamische Bedeutung des suggestiven Rapports auf den Körper bei
der leichten Hypnose offenbar eine geringere ist, besonders die dyna-
mische Bedeutung der Einwirkung auf den Schlaf apparat. Nun ist es
doch sicher, daß das In-Funktion-Treten des Schlaf mechanismus sehr
wesentliche psycho-physische Umstellungen anderer Art mit sich bringt.
Zweifellos ist im Schlafe einesteils der suggestive Rapport mit archaische-
ren Schichten der Persönlichkeit erleichtert, die Halluzinationsfähigkeit
gesteigert und die Ansprechbarkeit der vasovegetativen Apparate im
Zwischenhirn abgeändert. Auch bringt der Schlaf Umstellungen in bezug
auf die Gedächtnisphänomene mit sich, was später noch eingehend
zu erörtern sein wird. Wir müssen freilich in bezug auf das Hervorrufen
des Schlafes neben der dynamischen Bedeutung des suggestiven Rap-
portes auch den Zustand des Schlaf apparates als solchen berücksichtigen,
wenn auch diese Scheidung im Einzelfalle nicht ganz leicht durch-
zuführen ist. Es ist übrigens bekannt, daß gute Schläfer im allgemeinen
besser hypnotisabel sind als schlechte Schläfer. Wir hätten also für
die Wirksamkeit der Schlafsuggestion, wie oben schon ausgeführt, den
Faktor des organischen Zustandes eines Hirnapparates, auf welchen die
Suggestion einwirkt, mit zu berücksichtigen. Inwieweit vasomotorische
Phänomene, Schweißsekretion, Menstruation in der Hypnose beeinfluß-
bar sind, hängt sicherlich von dem Zustand dieser vasovegetativen Funk-
tionen im Mittel-, Zwischen- undEndhirn mit ab. So war die Patientin von
Heller und Schultz, bei welcher auf suggestivem Wege Blasenbildung
Schilder und Kauders, Lehrbuch der Hypnose. 4
50 Die leichte 1 1 ypnose.
hervorgerufen werden konnte, auch sonst vasomotorisch im stärksten
Grade erregbar. Man wird also eine relative Selbständigkeit der einzelnen
Hirnapparate gegenüber psychischem Einfluß wohl annehmen müssen,
wenn auch die eine Funktion mittelbar die andere sehr wesentlich
beeinflussen kann. Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt die Frage
an erhöhtem Interesse, inwieweit die oberflächliche Hypnose auf die
Gedankenbildung, die Vorstellungstätigkeit und die psychische Gesamt-
haltung des Kranken und der hypnotisierten Persönlichkeit überhaupt
von Einfluß sein könne. Hier kann zunächst nur grundsätzlich auf das
therapeutische Problem des Hypnotismus verwiesen werden, nämlich,
daß der suggerierte Inhalt, der ja zunächst nur in der Peripherie des
seelischen Erlebens steht, und sei die Hypnose noch so tief, erst ganz
allmählich der Gesamtpersönlichkeit einverleibt werde. Es handelt sich
also bei der therapeutischen Hypnose weniger um die Tiefe der Hypnose
als solche, sondern um deren seelische Tiefendimension oder, mit anderen
Worten, um die Umgestaltung der Gesamtpersönlichkeit. Ebenso wie
die Hörigkeit von der Hypnose geschieden werden muß und die Hypnose
nur als technisches Hilfsmittel angesehen werden kann zur Herbei-
führung der Hörigkeit, welche in seelische Tiefenschichten hinabreicht
und wirklich die Persönlichkeit in ihrem Kerne irgendwie trifft, ebenso
ist ja die therapeutische Suggestion nur technisches Hilfsmittel zu einem
Gesamtumgestaltungsprozeß des Kranken, welcher freilich zu dem Pro-
zeß des Hörigwerdens in diametralem Gegensatze steht. Die Hypnose
ist in diesem Sinne, sei sie nun oberflächlich oder tief, nur technisches
Hilfsmittel zur Umgestaltung der Gesamtpersönlichkeit, und Hypnose
und Suggestion heben sich in diesem Sinne nach der Erreichung des
therapeutischen Zweckes von selbst auf, denn auf diesem Wege ist ja
die Differenz zwischen den wahren Zielen des Idealichs und den ihm
suggestiv gegebenen bereits wieder geschwunden. Es ist eine Erfahrungs-
tatsache, daß der psychische Umgestaltungsprozeß auch durch die
Suggestion in oberflächlicher Hypnose erreicht werden kann.
IX. Die Amnesie.
Unsere bisherigen Erörterungen mußten das Problem der Erinnerungs-
losigkeit für das in der Hypnose Erlebte beiseite schieben, solange die
psychologische Grundfrage nach der psychischen Einstellung des Hyp-
notisierten noch nicht geklärt war. Nach der Darstellung unseres
Lösungsversuches, es liege in der Hypnose eine Form der Übertragung
vor, können wir uns nun dem Problem der Amnesie für das in der
Hypnose Erlebte zuwenden. Um zunächst das Tatsächliche zu wieder-
holen: eine Reihe von Hypnotisierten weiß nichts von den Erlebnissen,
welch' sie in de] Hypnose hatten.
Die Amnesie. 51
Meist sind es die sehr suggestibeln Patienten, welche amnesieren. Aber
diese Regel zeigt Ausnahmen in doppelter Hinsicht. Es amnesieren
nämlich sehr viele sonst äußerst suggestible Personen das in der Hypnose
Erlebte nicht, anderestcils sieht man gelegentlich Hypnotisierte, welche
in der Hypnose Suggestionen nicht akzeptieren, aus der Hypnose auf-
fahren, die Augen öffnen, scheinbar völlig wach werden und trotzdem
hinterher eine komplette4 Amnesie zeigen. Neben der spontan auftre-
tenden Amnesie gibt es Amnesien, welche erst auf den ausdrücklichen
Befehl des Versuchsleiters auftreten. Posthypnotische Befehle werden
im allgemeinen besser durchgeführt, wenn Amnesie vorhanden ist. Doch
gilt dieser Satz nicht ausnahmslos. Auch die Hypnose und der hypnoti-
sche Tief schlaf werden häufig amnesiert. Von dieser Erfahrung aus wird
auch die häufig gemachte Beobachtung verständlich, daß bei Einschal-
tung eines tiefhypnotischen Zustandes zwischen ein oberflächliches An-
fangs- und Endstadium der Hypnose von der Versuchsperson trotzdem
angegeben wird, sie sei während der ganzen Zeit der Hypnose „wach"
gewesen und könnte sich an alles in der Hypnose Erlebte erinnern. Das
Wachbewußtsein setzt eben hier über die kurze amnestische Tiefschlaf-
lücke hinweg die Kontinuität vom nicht amnesierten Anfangsstadium
der Hypnose zum gleichfalls nicht amnesierten Endstadium fort.
Die bedeutsame Frage ist die, weshalb denn die Spontanamnesie nach
stattgehabter Hypnose eintrete. Hier mag zunächst daran erinnert
werden, daß ja dem Hypnotisierten Tief schlaf suggeriert wird, und daß
wir im allgemeinen keine Erinnerung aus dem Tief schlaf zu haben pflegen.
Auch die Träume werden, wie bekannt, ja außerordentlich häufig ver-
gessen. Wir können zur Erklärung des Vergessens der Träume vom for-
malen Gesichtspunkt aus deren Zerrissenheit anführen. Von der inhalt-
lichen Seite her entspricht dieser Zerrissenheit ein primitives Triebleben,
welches Verdrängungen auslöst. Wir werden uns zur Erklärung der hypno-
tischen Amnesie der gleichen Annahme bedienen müssen, werden aber be-
tonen müssen, daß ja unseren ganzen Ausführungen nach wesentliche Teile
des hypnotischen Erlebens dem Traumerleben nicht entsprechen, sondern
eine vorbewußte Struktur tragen, welche der Struktur des Wacherlebens
weitgehend entspricht. Um so mehr haben wir Veranlassung, nach
dem Motiv der Amnesie zu suchen, das wir in inhaltlichen Besonderheiten
zu suchen haben. Offenbar schämt sich der Hypnotisierte der infantil-
masochistischen Einstellung und leugnet, um diese zu verhüllen, die
Hypnose. Man sieht sogar nicht selten, daß Hypnotisierte entrüstet
ableugnen, hypnotisiert gewesen zu sein. Besonders der Tiefschlaf wird
häufig geleugnet (s. oben). In diesen Kreis von Erscheinungen gehört
es auch, daß Hypnotisierte, welche sich aus irgendeinem Grunde von
ihrem Hypnotiseur losgelöst haben, nicht nur behaupten, sie seien nie-
mals hypnotisiert gewesen, sondern auch zum Beweise dessen alles das
4*
52 Die Amnesii
erzählen, was in der Hypnose stattgefunden hatte, und was scheinbar
amnesiert war. Vielleicht werden wir durch derartige Tatsachen auch
daran erinnert, daß der Hypnotisierte auch dem Hypnotiseur zuliebe
vergißt.
Die Amnesie der Hypnose kann aber auch auf anderem Wege schwin-
den. Gar nicht selten taucht im Traum der Inhalt der Hypnose auf,
ohne daß der Patient immer imstande wäre, genau anzugeben, woher
dieser Inhalt eigentlich stamme. Auch in der Form eines frei steigenden
Einfalls kann der Inhalt der Hypnose erscheinen. Weiter kann die post-
hypnotische Amnesie bei eindringlichem Befragen, bei Befragen unter
suggestiven Prozeduren (etwa Hand auf die Stirne legen oder die
Stirne streichen) schwinden. Und schließlich durch eine neuerliche
Hypnose, wobei entweder in der Hypnose der Inhalt erweckt werden
kann mit dem gleichzeitigen Befehl, nach dem Erwachen den In-
halt der Hypnose nicht zu vergessen, oder in der Hypnose lediglich
der Befehl gegeben wird, nach dem Erwachen alles zu erinnern. Wir
können also grundsätzlich sagen, daß jeder Hypnoseinhalt durch
neuerliche Hypnose dem Tagesbewußtsein wieder zugänglich gemacht
werden kann.
Die Gedächtnislücken nach tiefen Hypnosen entsprechen ihrer Struktur
nach durchaus jenen, welche wir bei der Hysterie und nach den hysteri-
schen Ausnahmszuständen antreffen. Es ist selbstverständlich, daß auch
hysterische Amnesien durch Hypnose beseitigt werden können. Die
ursprüngliche Theorie von Breuer und Freud ging dahin, daß durch
traumatische Erlebnisse ein hypnoider Zustand geschaffen werde, welcher
das volle Bewußtwerden der traumatischen Erlebnisse verhindere, die
traumatischen Erlebnisse amnesiere. Durch diese Absperrung vom Be-
wußtsein erlange das traumatische Erlebnis erst seine krankmachende
Wirksamkeit. Die Absperrung vom Bewußtsein klemme den Affekt ein,
die Einklemmung des Affektes rufe die hysterischen Erscheinungen
hervor. Er würde auf dem Wege der Konversion in die körperlichen, soma-
tischen Erscheinungen umgewandelt. Die Amnesie wäre nach dieser An-
schauung Vorbedingung der Wirksamkeit eines traumatischen Erlebnisses.
In der Hypnose haben wir nun Gelegenheit, die BREUER-FREUDsche
Anschauung einer experimentellen Prüfung zu unterziehen. Wir geben
der Versuchsperson in der Hypnose den Auftrag, sie sollte nach dem
Erwachen immer dann in die Hände klatschen, wenn die Frage gestellt
werde : ,,Wie geht es Ihnen ?" Nach dem Erwachen klatscht die Versuchs-
person, verwundert über sich selbst, auf die entsprechende Frage immer
wieder, unermüdbar in die Hände. Nachdem ihr nun durch hypno-
tische oder suggestive Maßnahmen die Erinnerung wiedergegeben ist,
hört sie mit dem In-die-Hände-Klatschen auf die betreffende Frage
zu reagieren auf. Nicht immer geht der Versuch in derart eindeutiger
Die Amnesie. 53
Weise vonstatten. Bisweilen versandet die Reaktion von selbst, bis-
weilen ist der posthypnotische Befehl wirksam, auch ohne daß
Amnesie vorhanden gewesen wäre. Es kann also die ursprüngliche
BREUER-FREUDsche Formulierung nicht die völlige Aufklärung in sich
schließen.
Die neuere Entwicklung der Psychoanalyse beantwortet diese Frage,
indem sie in den Infantilstrebungen, welche verdrängt sind und ihre
Wirksamkeit entfalten, das wesentliche Moment der Hypnose sieht.
Das traumatische Erlebnis ist nur insoweit wirksam, als es solche
infantil-erotische Einstellungen wachruft. Die Amnesie ist aus den oben
bezeichneten Gründen sehr häufig mit dem traumatischen Erlebnis
verknüpft, leistet dessen Wirksamkeit zwar Vorschub, ist aber nicht
die Vorbedingung der Wirksamkeit des traumatischen Erlebnisses. Be-
deutsam sind vielmehr nur die Triebeinstellungen des kindlichen Lebens
und die mit ihnen verbundenen Amnesien. Nur deren Aufhellung würde
nach dem neueren Stand der Psychoanalyse die vollständige Heilung
mit sich bringen. Die ursprüngliche Methode der Psychoanalyse war
die sog. kathartische Hypnose. Der Patient wird in der Hypnose zum
Wiedererinnern der traumatischen Szene gezwungen ; ist die traumatische
Szene erinnert, so ist der eingeklemmte Affekt freigemacht, das Indivi-
duum der Hysterie ledig. In dem berühmten Fall der Anna O., jener
Beobachtung Breuers, welche den Ausgangspunkt der Psychoanalyse
darstellt, verschwanden die Symptome, wenn im Laufe der kathartischen
Hypnose alle Ereignisse aufgedeckt worden waren, welche in dem hyste-
rischen Symptom zum Ausdruck gekommen waren. Es mußte allmählich
von rezenteren zu früheren Gelegenheiten zurückgegangen werden, bei
welchen das Symptom aufgetreten war. Erst nachdem der erste Anlaß
festgestellt worden war, verschwand das Symptom. Der Weg der
kathartischen Hypnose ist demnach systematisches Rückverfolgen zum
ersten Anlaß.
Da die Hypnose auf infantil-erotischen Bindungen beruht, ist es klar,
daß wir gerade jene infantil-erotischen Bindungen, welche nach Ansicht
der Psychoanalyse so wichtig sind, mittels der Hypnose nicht lösen
können. Gerade jener Teil der Neurose, welchen wir jetzt als konsti-
tuierend ansehen, entzieht sich also der kathartischen Hypnose. Wir
wollen diesem Gedankenzug noch einen zweiten zur Ergänzung hinzu-
fügen. In dem Material, das durch hypnotische Amnesie verdeckt wird,
handelt es sich zum großen, ja zum überwiegenden Teil um Material,
welches die Struktur des Vorbewußten trägt. Wir wissen aber, welche
ausschlaggebenden Anteil das System Ubw. an der Entstehung der
Neurose hat. Wir werden schon aus dem Ubw.-Charakter der Erlebnisse
in der Hypnose ableiten können, daß^die kathartische Hypnose nur
eine begrenzte Wirksamkeit haben kann.
54
Die Amnesie
Es geht schon aus dem bisher mitgeteilten Material hervor, daß der
Inhalt der einen Hypnose mit dem Inhalt der anderen Hypnose in
Kommunikation steht. Man kann davon sprechen, daß die vorbewußten
Materialien miteinander in Verbindung stehen. Die gleiche Kommuni-
kation besteht aber auch zwischen Inhalt der hysterischen Ausnahms-
zustände und der Hypnose und weiter zwischen den verschiedenen Aus-
nahmezuständen selbst. Wir gewinnen so die Verbindung zu jenen
berühmten Fällen des sog. doppelten Bewußtseins. Bezeichnen wir den
Normalzustand als ersten, den Ausnahmszustand als zweiten (etat seconde,
P. Janet) so können die Erlebnisse des 2. Zustandes zu einer scheinbar
geschlossenen Persönlichkeit verbunden sein, ohne daß die Persönlich-
keit des 2. Zustandes von der Persönlichkeit des 1. Zustandes weiß.
Auch der 1. Persönlichkeit kann vollständig entzogen sein, was die
2. Persönlichkeit denkt und fühlt. Es sind aber die verschiedensten
Variationen denkbar. Gelegentlich weiß die eine Person von der anderen,
ohne daß das Umgekehrte der Fall wäre. Es muß ja betont werden,
daß die Erlebnisse des hysterischen Ausnahmezustandes, welche der
normalen Persönlichkeit nicht zu Gebote stehen, doch im psychischen
Erleben enthalten sein müssen. Sie können entweder in einem vor-
gehaltenen Krystall erscheinen, sie können in Träumen erlebt werden,
sie können aber auch in der Art und Weise nachgewiesen werden, daß
Worte, welche auf Erlebnisse des Ausnahmezustandes hinzielen, körper-
liche Affektreaktionen hervorrufen, welche aus den Erlebnissen des
Normalzustandes heraus nicht verständlich sind. Prince und Petersen
haben in einem Falle von doppeltem Bewußtsein mittels des psycho-
galvanischen Phänomens gezeigt, daß die Versuchsperson auf jene Er-
lebnisse affektiv reagiert, von denen sie anscheinend gar nichts weiß.
Und das führt zu der bedeutsamen Frage, in welcher Weise die schein-
bar vergessenen Erlebnisse erlebt werden. Sind sie wirklich unbewußt,
oder sind sie nicht doch im Hintergrunde des Bewußtseins? Unsere
Beobachtungen an dem Verhalten Somnambuler zeigen, daß die schein-
bar nicht wahrgenommene Wirklichkeit doch in das Erleben der Hypnoti-
sierten hineinragt. Es ist also wohl auch der Schluß gerechtfertigt, daß
im Wachzustand die Erlebnisse der Hypnose im Bewußtsein seien,
wenn auch nur im Hintergrunde des Bewußtseins und daß das gleiche
von dem Erlebnis der hysterischen Ausnahmezustände gelte, besonders,
wenn man sich die oben beschriebenen Tatsachen in die Erinnerung ruft.
Wir sind also der Ansicht, daß auch die scheinbar vergessenen Erlebnisse
im Erlebnis enthalten sind; freilich nicht im Vordergrunde, sondern
im Hintergrunde des Erlebens, und wir meinen, daß im Hintergrunde
des Erlebens der Hypnotisierten, wie wir ja immer wieder betont haben,
die wahre Persönlichkeit stehe, und daß im Hintergrunde der erweckten
Person die Erlebnisse der Hypnose stehen. Diese Anschauung piöchten
Die Amnesie. 55
wir ohne Einschränkung auf die hysterischen Ausnahmszustände und
auf die Zustände des doppelten Bewußtseins übertragen. Die Amnesien
der Hypnose sind von allgemeinen psychologischen Gesichtspunkten aus
von ungemein weitreichender Bedeutung. Im posthypnotischen Befehl
führt das Individuum einen Befehl durch, ohne daß es sich der Über-
nahme des Befehles bewußt ist. Wird es gefragt, weshalb es den Befehl
durchgeführt habe, so gibt es entweder die Auskunft, es wisse nicht,
weshalb, bedeutungsvoller ist aber, daß sehr häufig Fehlauskünfte ge-
geben werden. So kann ein Hypnotisierter, der auf posthypnotischen
Befehl hin bei klarem Himmel den Regenschirm aufspannt, etwa an-
geben, er wolle sich gegen die Sonne schützen, oder eine Versuchsperson,
welche auf posthypnotischen Befehl in die Hände klatscht, sie habe
ihrer Freude über ihr gutes Befinden Ausdruck gegeben u. dgl. m. Es
besteht die Tendenz, die vielfach aus dem normalen Alltagsleben heraus-
fallenden posthypnotischen Befehlsausführungen irgendwie motivierend
in den normalen Fluß der Begebenheiten einzuordnen. Inwieweit frei-
lich eine derartige Motivierung, die mitunter in Form einer verlegenen
Ausrede gebracht wird, von der motivierenden Person selbst geglaubt
wird, oder inwieweit es sich hier um eine innerlich evidente Aussage
handelt, muß dahingestellt bleiben. Die Hypnose zeigt also, daß wir
die Motive unserer Handlungen nicht kennen, welch tiefe Erkenntnis
der Grundpfeiler ist, auf dem die Psychoanalyse ruht.
Einige Worte über die sogenannte posthypnotische Suggestion sind
notwendig. Wenn schon das Individuum in der Hypnose selbst von
den Einstellungen der eigenen Persönlichkeit bestimmt wird, nur jene
Befehle durchzuführen, welche sich mit den Zielen der Persönlichkeit
in Einklang bringen lassen, so werden wir wohl das gleiche auch für den
posthypnotischen Befehl voraussetzen dürfen. Einzelne Autoren nehmen
ja an, daß während der Durchführung des posthypnotischen Befehls die
Hypnose wieder auflebt. Eine Annahme, die insoferne ihre Berechtigung
hat, als in der Tat bei einer Reihe solcher Fälle die Versuchspersonen
während der Durchführung des posthypnotischen Befehles in einen
traumhaften Zustand geraten. In anderen Fällen unterscheidet sich
der nach dem posthypnotischen Befehl Handelnde kaum von einem
anderen Menschen, der einen Befehl durchführt, so daß es gezwungen
wäre, von einem neuerlichen Auftreten der Hypnose zu sprechen. Aber
wie dem auch sei, posthypnotische Befehle setzen letzten Endes die
Übereinstimmung der Persönlichkeit voraus. Besonders beachtenswert
sind jene Fälle, in welchen die Versuchsperson den posthypnotischen
Befehl in einer etwas abgeänderten Weise durchführt, so daß er doch
den Anforderungen der Persönlichkeit besser entspricht, als es bei der
reinen Durchführung des posthypnotischen Befehles der Fall gewesen
wäre. So sahen wir Versuchspersonen, welche den Auftrag bekommen
56 Die Amnesie
hatten, in die Hände zu klatschen, sich des Auftrags in der Weise ent-
ledigen, daß sie sich die Hände rieben und dabei gleichzeitig leichte
Klatschbewegungen machten, so daß der Befehl in eine wenig auffällige
Ausdrucksbewegung abgeändert wurde. Man sieht, daß es sich letzten
Endes nur um die einheitliche Persönlichkeit dreht, welche immer irgend-
wie in die Einzelhandlungen eingreift und sie kontrolliert . Amnesien irgend-
welcher Art stellen keinerlei Trennungsstrich zwischen den einzelnen
Erlebnissen der Persönlichkeit dar. Das scheinbar vergessene Material
ist der Persönlichkeit doch gegenwärtig, es steht ihr nur nicht so frei
zu Gebote. Wenn also das in der Hypnose Erlebte scheinbar vergessen
wird, so handelt es sich nicht darum, daß Erlebnismaterial wirklich
zugrunde ginge und entschwände, ja es ist sogar immer wieder da
und immer wieder gegeben, es steht nur der Persönlichkeit nicht
jederzeit zur Verfügung, es ist abgedrängt, es ist in den seelischen
Hintergrund getreten.
Die Frage ist von der größten Bedeutung, ob das durch die Hypnose-
lehre Vermittelte für die Gedächtnispsychologie im allgemeinen ver-
wertet werden kann, und es muß die Frage gestellt werden, inwieweit
dieses Prinzip auf andere Gedächtnisstörungen und auf das Vergessen
überhaupt ausgedehnt werden kann. Hier ist zunächst daran zu er-
innern, daß die hypnotische Literatur eine ganze Reihe von verblüffenden
Beobachtungen kennt, in welchen unter dem Einfluß der Hypnose längst
vergessenes Erlebnismaterial wieder im Vordergrund erscheint. So er-
zählt Benedict von einem Offizier, der in der Hypnose plötzlich eine
neue Sprache sprach, es war die wallisische, welche der Offizier als Kind
gelernt, später aber wieder vergessen hatte. Die tiefe Ähnlichkeit
zwischen dem spontanen Trancezustand und den Erscheinungen der
Hypnose kommt darin zum Ausdruck, daß ein Dienstmädchen in einem
Trancezustand plötzlich aramäisch zu sprechen begann, welche Sprache
sie als Kind bei dem Pfarrer gehört hatte, ohne daß sie sich bewußt ge-
wesen wäre, diese Sprache erlernt zu haben. Man sieht also, daß zwischen
dem vergessenen Material auf der einen Seite, dem Zustand der Hypnose
und der Trance auf der anderen Seite sehr enge Beziehungen bestehen.
Es kann also auch auf „normalem" Wege Vergessenes durch die
Hypnose ins Bewußtsein gebracht werden. Damit ist aber ein ent-
scheidender Hinweis gegeben, daß uns die Gedächtniserscheinungen
der Hypnose eine Aufklärung der normalen Gedächtniserscheinungen
geben können.
Hier setzen nun einesteils Untersuchungen der Külpe sehen Schule ein,
anderesteils die Forschungen der Psychoanalyse. Seit Ach wissen wir,
daß determinierende Tendenzen das Seelenleben beherrschen. Diese
bestimmen nicht nur das Material, das auftaucht und in Vorstellungen
und Gedanken bewußt wird, sondern sie wählen auch noch unter dem
Die Amnesie. 57
aufgetauchten Material aus. Das, was assoziiert wird, ist im Sinne von
Aufgaben bestimmt, Aufgaben, welche auch die endgültige Verwertung
des bereits Bewußtgewordenen bestimmen. Es ist bemerkenswert, daß
Ach zur Begründung seines Standpunktes auch Hypnoseversuche heran-
zieht. Die Aufgabenstellung bedingt es, daß Materialien, welche zur
Lösung der Aufgabe nicht dienlich sind, beiseitegeschoben werden. Es
ist also auch hier ein Verdrängen, allerdings im weiteren Sinne des
Wortes, gegeben. Oder mit anderen Worten, im Erinnern und im Asso-
ziieren ist ein sinnhafter Faktor gegeben, welcher sinnhaft die Auswahl
des Assoziierten bestimmt. Die Psychoanalyse hat dieses Schema mit
reichem Leben erfüllt. Daß alles Erinnern nur erfolgt als Ausdruck der
Triebeinstellungen, daß jedes Erinnern triebhaft bedingt ist, ergibt sich
aus jeder einigermaßen sorgfältig geführten Analyse. Es ist nur eine
andere Formulierung dieser durch Freud vermittelten Erkenntnisse,
daß jedes Vergessen aus affektiven Momenten erfolgt, daß also das
Vergessen nicht etwa eine Vernichtung von Gedächtnismaterial bedeute.
Dementsprechend hat Freud in einem Falle die Analyse bis in das
Alter von anderthalb Jahren zurücktreiben und eine in diesem Alter ge-
gebene Szene wiederherstellen können. Wenn wir im Laufe des Lebens so
vieles vergessen, so vergessen wir es deshalb, weil wir es nicht brauchen
können, weil wir ein Interesse daran nicht gewinnen können und weil
unser Interesse an den Einzelheiten nicht zum Haften gebracht werden
kann. Ja, wir gehen sogar so weit, anzunehmen, daß die einzelnen
Lernakte und Lesungen, welche zur Bewältigung eines Lehrstoffes
führen, im Psychischen in ihrer Individualität erhalten bleiben müssen,
und daß sie in ihrer Gänze reproduziert werden könnten, wenn es
gelänge, Haftpunkte für das biologische Interesse zu finden. Man sieht,
der Typus der Amnesie der Hypnose ist der Typus des Vergessens über-
haupt, und hierin liegt seine große Bedeutung. Man könnte gegen diese
Anschauung anführen, daß es ja auch organisch bedingte Amnesien
gebe. Hier setzen Untersuchungen ein, welche seit Jahren an unserer
Klinik durchgeführt werden.
Stern hat die Amnesien Berauschter auch dann aufhellen können,
wenn es sich um sogenannte pathologische Räusche handelt. Wir haben
es offenbar hier mit einer Amnesie zu tun, die durch einen organischen
Faktor bedingt oder begünstigt ist, und welche durch Hypnose trotzdem
aufgehellt werden kann. Bedeutungsvoller ist, daß nach den Unter-
suchungen von Graeter, Muralt und Riklin und nach den Unter-
suchungen des einen von uns auch epileptische Ausnahmszustände durch
Hypnose aufhellbar sind. Die epileptische Amnesie galt und gilt ja
als der Typus organisch bedingter Amnesie. Ähnlich gelang es Schilder
und Stern, die retrograden Amnesien wiederbelebter Erhängter, deren
„organischen Charakter" W agner- Jauregg nachgewiesen hat, durch
58 Di« \nnw-i-
Hypnose aufzuhellen1). Bezüglich der Amnesien nach Schädeltrauiiien,
der retrograden Amnesien der Schädeltraumatiker ist uns die Aufhellung
in der Hypnose noch nicht geglückt. Aber die Art der Aufhellung in einem
Falle von Righetti entsprach der Aufhellung einer hysterischen Amnesie,
und die Art der Aufhellung in einem Falle von Amnesie nach Schädel -
Verletzung, den Hartmax n und Schilder studiert haben, ließ gleichfalls
nur den Schluß zu, daß das Gedächtnismaterial als solches nicht zer-
stört, sondern erhalten geblieben war. So scheint es, daß kein Teilgebiet
organisch bedingter Amnesien sich der hier durchgeführten Betrachtungs-
weise entziehe2). Auch J. H. Schultz vertritt ähnliche Anschauungen.
Das bisher Gesagte bezieht sich ausschließlich auf die Gedächtnis-
lücken, auf die Amnesien, und wir haben nicht das Recht, alle Gedächtnis-
störungen als Amnesien zu bezeichnen. Es handelt sich ja nicht nur um
das Vergessen des früher Erlernten, das wir in der Tat den Amnesien
gleichzusetzen berechtigt sind, sondern auch um das Vergessen des eben
Neuerlebten, also das, was man als Korsakoffsches Syndrom zu bezeich-
nen pflegt, eine Merkfähigkeitsstörung. Hier sind die ersten wesentlichen
Hinweise in den Untersuchungen von Brodmann und Gregor bei Korsa-
koff- Kranken gegeben, welche zeigen, daß ein einmal gelernter Stoff mit
Ersparnis wiedergelernt werde. Es muß also auch bei noch so schwerer
Merkfähigkeitsstörung eine Spur zurückgeblieben sein, und es besteht
allerdings die Frage zu Recht, inwieweit diese Spur überhaupt noch als
psychisch anzusehen sei, und ob es sich nicht lediglich um körperliches
Residuum handle. Einen gewissen Hinweis geben Versuche des einen
von uns, welche gezeigt haben, daß das im epileptischen Ausnahms-
zustand Erlebte mit Ersparnis gelernt wird, wenn der Ausnahmszustand
abgeklungen ist. Ähnlich verhält es sich mit während der Hypnose er-
lernten Stoffen. Nun wissen wir aus den vorangehenden Ausführungen,
daß das im epileptischen Ausnahmszustand Erlebte auch psychisch fort-
gegeben ist. Wir würden einen gewissen Anhaltspunkt dafür haben,
daß immer dort, wo Ersparnis erzielbar ist, auch psychische Spuren vor-
handen sein müssen. Freilich handelt es sich nicht um einen beweisenden
Schluß, sondern nur um eine durch Analogie gestützte Vermutung.
Hierzu kommt aber, daß nach den Untersuchungen von Betlheim und
Hartmann das Material, welches das vergessene Material ersetzt, Ver-
dichtungen und Verschiebungen erfährt, welche weitgehend den Ver-
x) Natürlich darf man nicht in jedem Einzelfalle auf Erfolge rechnen. Wir
sahen oft Versager. Grundsätzlich halten wir jedoch derartige Amnesien für auf-
hellbar. Selbst bei der technisch leichter behebbaren hysterischen Amnesie ver-
sagt der Versuch der Aufhellung gelegentlich, ohne daß wir Grund hätten,
unsere Anschauungen über die hysterische Amnesie zu ändern.
2) Amnesiert kann natürlich nur werden, was wahrgenommen und aufgefaßt
wurde. Im Stupor und in der Bewußtlosigkeü wird nichts aufgefaßt. Hier kann
ilso. nichts rea mnesierl werden.
I >i< Amnesie :,<;
dichtungen und Verschiebungen des Traumes und der Hysterie ent-
sprechen. Wir dürfen aber annehmen, daß weder im Traum noch in
der Hysterie das scheinbar Vergessene wirklich vernichtet ist. So ist
ein neues Wahrscheinlichkeitsmoment dafür gegeben, daß auch die Merk-
fähigkeitsstörungen mit ähnlichen Grundannahmen verstanden werden
können wie die Amnesien. Damit sind wir aber tief in das Bereich
der organischen Gedächtnisstörungen vorgestoßen, und wir wissen über-
haupt nicht, welche Form von Gedächtnisstörung sich unserer Betrach-
tungsweise grundsätzlich entziehen würde. Man könnte allenfalls noch
darauf verweisen, daß bei den Aphasien und Agnosien Gedächtnis-
material verlorengehe. Doch hat der eine von uns im Anschluß an
Gedankengänge Bergsons dargetan, daß wir nicht das Recht haben,
bei den Aphasien und Agnosien von einem Verlust des Gedächtnis -
materiales zu sprechen. Damit wäre aber die Erkenntnis gewonnen, daß
die Gedächtnisstörungen der Hypnose das Verständnis organischer Ge-
dächtnisstörungen erleichtern können.
Auf einige Züge der Gedächtnisstörungen in der Hypnose und ihrer
Aufhellung sei noch besonders verwiesen. Wir haben bereits hervor-
gehoben, daß im Traum oder im freien Einfall das Gedächtnismaterial
aus der Hypnose auftaucht. Häufig, ohne daß das Individuum sich
darüber klar ist, woher das Gedächtnismaterial stammt, ohne daß es
imstande wäre, das Gedächtnismaterial räumlich und zeitlich entspre-
chend einzuordnen. Das erinnert daran, daß wir Ähnliches auch von
epileptischen Ausnahmszuständen (Bonhoeffer) kennen und auch von
der Spontanaufhellung der Amnesien bei Schädeltraumen. Wir haben
uns ja im allgemeinen die Vorstellung zu bilden, daß der Prozeß der
Erinnerung ein Prozeß fortschreitender Differenzierung sei, und daß
der Endpunkt dieser Differenzierung, welcher über eine Reihe von
Verschiebungen und Verdichtungen zum vergessenen Material führt, die
Einordnung dieses Materials in die richtigen räumlichen, zeitlichen und
sachlichen Beziehungen ist. Dabei werden während dieses Differenzie-
rungsprozesses gelegentlich Einzelheiten differenziert, während alles
übrige noch im Dunkeln bleibt. Von diesen Tatsachen aus gewinnen
wir erst die Möglichkeit, das zu verstehen, was sich bei der Aufhellung
amnestischer Lücken, auch wenn diese aus einer Hypnose stammen,
abspielt. Diese Aufhellung geschieht entweder stückweise oder schicht-
weise. Man ist ferner bei der Aufhellung von Lücken niemals davor
gesichert, daß sich entstelltes Material dazwischen dränge. Das gleiche
gilt übrigens auch von der Aufhellung irgendwelcher im Verlaufe von
Erkrankungen entstandener amnestischer Lücken. Die Aufhellung
amnestischer Lücken kann ja vor Gericht bedeutsam werden. Übt man
nach Breuer und Freud kathartische Hypnosen, so wird die Aufhellung
wiederum von besonderer Bedeutsamkeit sein müssen, Horb ist man auch
60 Physiologische Theorie der Hypnose.
hier selbstverständlich vor Täuschungen niemals gesichert, seien diese
nun dem ,, Unbewußten" des Patienten entsprungen, oder seien diese
Simulation schlechthin. Man vergleiche hierzu eine Beobachtung des
einen von uns, welche eine somnambule Patientin betrifft.
Der Abschnitt über Gedächtnisstörungen bei Hypnosierten ist insoferne
noch unvollständig, als wir noch nicht darauf verwiesen haben, daß zwi-
schen gewissen pharmakologisch-toxischen Einwirkungen, dem Schlaf, der
Hypnose und dem Gedächtnis ganz enge Beziehungen bestehen. Es ist
zunächst daran zu erinnern, daß im Schlafe häufig dem Gedächtnis
längst entschwundenes Material wieder auftaucht. Daß im Rausch Er-
lebnisse eines früheren Rausches wieder erinnert werden können, ist zu
bekannt, als daß es neuerdings betont werden müßte. Schließlich haben
sich uns Schlafmittel zur Beseitigung von hartnäckigen Amnesien als be-
sonders zweckdienlich erwiesen. Wir müssen also annehmen, daß das
System Tiefschlaf ganz enge Berührungen hat zu den Gedächtnissystemen.
Daß dieses System gleichfalls zur Hypnose enge Beziehungen hat, ist ja
bereits wiederholt von uns hervorgehoben worden . Über eine Reihe weiterer
Fragen, die sich an die Schlaf mittelwirkung und an deren Beziehung
zur primitiven Motilität sowie auch an die Beziehungen zur Schizo-
phrenie knüpfen, wird im folgenden noch eingehend zu sprechen sein.
X. Physiologische Theorie der Hypnose.
Von einem besonderen Interesse erscheint zunächst die Frage nach
der Hypnose bei den Tieren. Es ist bekannt, daß eine Reihe von Tieren
in Zustände versetzt werden können, welche wenigstens in vielen äußeren
Punkten der Hypnose des Menschen entsprechen. Solche Zustände kann
man etwa beim Flußkrebs erzielen, sie können aber auch bei Säugetieren
hervorgerufen werden. Das Mittel, durch welches Tiere in den Zustand
der Hypnose gebracht werden können, ist das, daß sie in unbequemen
Lagen festgehalten werden. Man hat die Hypnose der Tiere (Preyer)
auf Schreck zurückgeführt und hat von einer Schreckstarre oder Kata-
plexie gesprochen. Forel wendet dagegen nicht mit Unrecht ein, daß
gerade die zahmsten Tiere am leichtesten in Hypnose gebracht werden
können. Er ist geneigt, von echter Suggestion zu sprechen. Zweifellos
ist ein psychischer Faktor in den Tierhypnosen gegeben. Nun hat
Verworn darauf verwiesen, daß es tonische Lagereflexe seien, welche
durch das Festhalten des Tieres in ungewohnten und unbequemen Lagen
ausgelöst würden. Er schließt allerdings mit Unrecht daraus, daß die
Tierhypnose deshalb nichts Psychologisches an sich habe, die Tierhypnose
kann recht gut einesteils auf tonischen Lagereflexen beruhen, kann aber
anderesteils psychologisch fundiert sein. Psychologisch und Physisch
sind keineswegs Gegensätze, und mit Bleuler müssen wir immer wieder
Physiologische Theorie der Hypnose. 61
betonen, daß wir zu sagen haben: „Physisch und psychisch und nicht
physisch oder psychisch." Es ist beachtenswert, daß nach Mangold,
der die hierhergehörige Literatur zusammenstellt, Hypnosen auch bei
großhirnlosen Vögeln und Säugetieren Zustandekommen. Ja, Spiegel
und Goldblom haben vor kurzem zeigen können, daß die Erscheinungen
der Hypnose bei Säugetieren Zustandekommen, wenn nur das Zentrum
der Stellreflexe, der rote Kern, erhalten geblieben ist. Das heißt mit
anderen Worten, solange das Tier überhaupt zu Lage Veränderungen
fähig ist, kann es durch jene Prozeduren, welche die tierische Hypnose
hervorrufen, dazu gebracht werden, diese Lageveränderung nicht durch-
zuführen. Nun müssen wir auch schon mit Bezug auf die experimentellen
Ergebnisse an Tieren den allgemeinen Gesichtspunkt unterstreichen, daß
die Abtragung eines Hirnteils unter Umständen Funktionen in primi-
tiveren Hirnteilen wieder lebendig werden läßt, welche bei der normalen
Funktion nicht oder nicht im gleichen Ausmaß verwertet werden. Wenn
also nach Abtragung eines bestimmten Hirnteils eine Funktion keine
Veränderung erfährt, so beweisen derartige Versuche nicht, daß der
abgetragene Hirnteil für die Funktion bedeutungslos sei. Aber immerhin
ist es bemerkenswert, daß die Hypnose der Tiere darauf hindeutet, daß
sich vieles von dem, was wir der Hypnose sonst zuschreiben, in primitiven
motorischen Zentren abspielt.
Noch größer sind die Schwierigkeiten, welche sich der Beurteilung der
Hypnose der wirbellosen Tiere entgegenstellen. Man findet grundsätz-
lich zwei Typen, nämlich einen hypotonischen und einen hypertonischen,
also jene Typen, welche wir auch bei der Hypnose des Menschen an-
treffen. Besonders beachtenswert ist die folgende Beobachtung, welche
Mangold mitteilt (nach Heymons). Bei der häßlichen Walzenspinnen-
art Galeodes kaspius turcestanus versucht das Weibchen, die freienden
Männchen zu verzehren ; nur wenn es dem Männchen gelingt, die Zangen
in eine bestimmte Stelle des Unterleibs einzuhacken, läßt das Weibchen
den Geschlechtsakt bewegungslos über sich ergehen; man kann den
hypnotischen Zustand des Weibchens im Laboratorium nachmachen,
indem man die bestimmte Stelle des Weibchens zwischen die Pinzette
faßt, bezeichnenderweise gelingt dieser Versuch nur zur Brunstzeit.
Mangold selbst ist geneigt, in der tierischen Hypnose eine Einrichtung
zu sehen, welche im Dienste sexueller Instinkte steht, und man wird
in der Tat vermuten dürfen, daß Hypnose und ein hypnoseähnlicher
Zustand bei der sexuellen Handlung immer dann einzutreten pflegt,
wenn der Widerstand des Weibchens beginnt, unzweckmäßig zu werden
und die Durchführung des Sexualaktes ernstlich zu gefährden. Mangold
trennt die Hypnose von den Totstellreflexen, welche mehr dem Schutz
des Einzelindividuums dienen. Man wird sich aber daran erinnern
müssen, daß die Hypnose zweifellos Beziehungen zum Schlafe in sich
()2 Physiologische Theorie der Hypno
schließt, und daß diese Beziehungen kaum durch den Hinweis auf die
Sexualität allein erledigt werden können. Außerdem muß es irgend-
welche Brücken zwischen Schlaf und Totstellreflexen geben, denn die
von Zh i beigebrachten Beispiele, daß Schlaf in der Tierwelt dann ein-
trete, wenn das Tier durch seine Bewegung Gefahr laufen würde, scheint
einen Teil der Probleme doch gut darzustellen. Man wird also zwischen
Schlaf auf der einen, Totstellreflexen und Hypnose auf der anderen Seite
doch gewisse Beziehungen annehmen dürfen. Freilich bedarf es, um
das Analogon der sozialpsychologischen Seite bei den Tierhypnosen zu
finden, noch eingehender Untersuchungen, welche sich auf das unbeein-
flußte Verhalten der Tiere beziehen. Freud macht in Massenpsychologie
und Ichanalyse sicherlich mit Recht darauf aufmerksam, daß bei der
Deutung der Hypnose in Betracht zu ziehen sei, daß der Führer nicht
mit einem dauernd fortgesetzten Widerstand zu rechnen habe. Auch
bei Tieren, welche in Gemeinschaften leben, kann die Überlegenheit des
Führers der Herde nur dann nutzbar sein, wenn er seine Autorität nicht
stets von neuem beweisen muß. Daß sich in der Tierwelt Über- und
Unterordnungsverhältnisse finden, hat Schjelderup-Ebbe bei Vögeln
gezeigt. Dabei ist die ,, Einschüchterung" oft maßgebend. Und ist ein
Tier einmal zum ,, Tyrannen" der anderen geworden, so bleibt dieser
Zustand offenbar ohne wesentliche Anstrengung auch dann bestehen,
wenn das Kräfteverhältnis keineswegs zugunsten des Tyrannen spricht.
Die Betrachtung der Hypnose der Tiere gibt uns zwar keine endgültige
Antwort auf die Frage der menschlichen Hypnose, wirft aber eine Reihe
bedeutsamer Probleme auf.
Noch unlängst hat Trömner die Unterschiede zwischen der tierischen
Hypnose, die er als Katalepsie bezeichnet, gegenüber der menschlichen
Hypnose zusammengestellt. Wir wollen diese Gegenüberstellung deshalb
hier wiedergeben und diskutieren, weil wir glauben, in der Polemik gegen
den verdienten Forscher unsere eigene Ansicht klarer darstellen zu können.
Katalepsie: Hypnose:
1. Erzeugung durch Schock. 1. Erzeugung durch Suggestion
(Vorstellung).
2. Spontane Lösung nach kurzer 2. Nicht spontanes Erwachen, es sei
Zeit . denn aus angeschlossenem Schlaf .
1. Nur motorische Hemmung. 3. Mittelphase zwischen Somno-
lenz und Amnesie.
4. Vorkommen auch bei Groß- 4. Bei verblödeten Menschen wohl
hirnlosen. Katalepsie, aber keine Hypnose.
5. Bei Wiederholung sich ver- 5- Bei Wiederholung tiefer wer-
ringernd oder schwindend. dend.
6. Schon bei eben erst Geborenen 6. Hypnose erst von höherer Intelli-
möglich. genzstufe an (v. 5. bis 6. Jahr an).
I'hysiologische Theorie der Hypnose. 63
Zul. Auch der Schock geht ja irgendwie mit psychischen Erlebnissen
einher. Es gibt auch beim Menschen eine Hypnose durch Überwindung
und Schreck. Es ist richtig, daß bei der Gestaltung der menschlichen
Hypnose Vorstellungsmäßiges von besonderer Bedeutung sei, doch haben
wir immer wieder darauf verwiesen, daß es in der Hypnose eine Reihe
von Phänomenen gibt, welche von dei Vm Stellungstätigkeit unabhängig
sind.
Zu 2. Auch Tierhypnosen können längere Zeit hindurch andauern.
Aus der menschlichen Hypnose erfolgt grundsätzlich gleichfalls ein
Abschütteln der Hypnose, ganz zu schweigen von den leichten Graden
menschlicher Hypnose; aber auch aus den tiefen Hypnosen gibt es
nach mehr oder minder langer Zeit ein spontanes Erwachen.
Zu 3- Ob die motorische Hemmung bei den Tieren lediglich motorisch
sei, und ob sie nicht mit Abänderungen des Psychischen verbunden sei,
steht dahin. Daß bei der Hypnose des Menschen gelegentlich nur moto-
rische Hemmungen das Bild beherrschen, haben wir hervorgehoben.
Zu 4. Hartmann und Schilder haben auch, wie noch später zu
erwähnen sein wird, bei dementen Paralytikern hypnotische Phänomene
erzielt.
Zu 6. Wenn wir auch von einer Hypnose bei ganz Jugendlichen im
allgemeinen nicht zu sprechen pflegen, so müssen wir doch hervorheben,
daß die Prozeduren, mit welchen etwa der schreiende Säugling beruhigt
wird, rhythmisch wiederholtes Streicheln, sanftes Zureden u. dgl. m.,
die Prozeduren, welche den Säugling zum Schlafen bringen, die gleichen
sind, welche wir auch bei der Herbeiführung der Hypnose anzuwenden
pflegen. Wir stimmen Trömner vollständig darin bei, daß bei der
Verschiedenheit der Hirnorganisation die Hypnose des Menschen und
die Hypnose der Tiere notwendigerweise voneinander verschieden sein
müssen. Gleichwohl bestehen so wichtige Gemeinsamkeiten , daß wir
doch wohl eine grundsätzliche Identität annehmen müssen. Eine Identi-
tät, die ja Trömner auch insofern anerkennt, als er die hypnotische
Katalepsie und die Katalepsie der Tiere als gleichartig ansieht.
Mit der Besprechung der Katalepsie und der motorischen Erschei-
nungen der Hypnotisierten wollen wir nun auch unsere Erörterungen
über die Physiologie der Hypnose beginnen. Der eine von uns hat
bereits darauf verwiesen1), daß die kataleptischen Erscheinungen der
Hypnose eine grundsätzliche Ähnlichkeit mit jenen Erscheinungen dar-
bietet , welche die Läsion des striopallidären Systems zeigt. Die Kata-
lepsie, welche man bei einzelnen Fällen von Encephalitis epidemica
findet (vgl. hierzu Gerstmann und Schilder), weist sehr wesentliche
Ähnlichkeiten auf mit der Katalepsie der Hypnotisierten, welche ja
') Das Wesen der Hypnose, Seele und Leben
54 Physiologische Theorie der Hypnose.
im allgemeinen dadurch gekennzeichnet ist, daß die Haltung unter
einem möglichst geringen Aufwand von Muskelspannung durchgeführt
wird. Der Ausdruck striopallidäres System ist insofern nicht präzis,
als wir heute noch nicht abschätzen können, welche Bedeutung hierbei
dem striopallidären System als solchem zukommt, welche Bedeutung
der Substantia nigra und welche den cerebellaren Systemen. Man wird,
wenn man darangeht, das Problem der Katalepsie eingehend zu stu-
dieren, nicht vergessen dürfen, daß es sich im wesentlichen um zwei
Komponenten der Katalepsie handelt. Einesteils um die Akinese, um
den mangelhaften Bewegungsantrieb und Bewegungswillen, und zweitens
um die Muskelspannung, welche notwendig ist, die passiv gegebene
Haltung aufrechtzuerhalten. Die Lehre von der striopallidären Genese
der hypnotischen Katalepsie wird in letzter Zeit auch von Leyser
vertreten.
Daß derartige Betrachtungsweisen von grundsätzlicher Bedeutung für
die Lehre vom Muskeltonus und vom striopallidären System sind, hat
der eine von uns zum Teil in gemeinsamer Arbeit mit Gerstmann immer
wieder betont. Hier ist einesteils auf die starke Beeinflußbarkeit strio-
pallidärer Motilitätsstörungen durch psychische Momente hinzuweisen,
anderesteils auf die Muskelerscheinungen, welche auf rein psychische
Einstellungen hin erfolgen. So hat Kauders Bilder von psychogen
bedingten Motilitätsstörungen beschrieben, welche weitgehend Parkinso-
nismen entsprachen. Man kann gar nicht eindringlich genug auf diese
Fragestellungen verweisen, welche mit den grundlegenden Unter-
suchungen von C. und O. Vogt und Kleist ihren Anfang nehmen.
Die bedeutungsvollen Fortführungen dieser Gedankengänge durch
F. H. Lewy und Homburger versprechen eine reiche Aufklärung
bezüglich des motorischen Erlebens und Tuns überhaupt auch beim
Gesunden. Immer wieder muß auf die enge Zusammengehörigkeit ver-
wiesen werden, von psychischem Erleben einesteils und dem motorischen
Typus und dem motorischen Ausdruck andererseits, welcher im
striopallidären System eine Zentralstelle hat.
Aber die Physiologie der Haltungen und der Motilität des Hypnoti-
sierten ist mit den bisher gegebenen Betrachtungen keineswegs erschöpft.
Goldstein und Riese haben als erste darauf verwiesen, daß die Hal-
tungs- und Stellreflexe von Magnus und de Kleyn auch beim normalen
Menschen nachweisbar sind. Es gibt, wie Goldstein und Zingerle
betonen, Fälle, in welchen automatische Bewegungsabläufe auf Änderung
der Kopfstellung hin erfolgen, welche das Individuum nicht zur Ruhe
kommen lassen. Hoff und Schilder haben das bestätigen können.
Gleichzeitig mit dem Ablauf dieser unwillkürlichen Bewegungen (Auto-
matose, Zingerle) treten merkwürdige Veränderungen des Bewußtseins-
zustandes ein. Es bestehen zwischen diesen Bewegungen und dem Be-
Physiologische Theorie der Hypnose. 65
wußtseinszustand Zusammenhänge, deren Natur noch nicht vollständig
geklärt ist. Wir haben anzunehmen, daß es sich um Stellreflexe und um
deren Ausgestaltung handle, deren Zentrum im roten Kern gelegen ist,
wenigstens beim Tiere. Wir haben nun oben auf die Untersuchungen von
Spiegel verwiesen, welche zeigen, daß die Hypnose die Stellreflexe
unterbindet. Dementsprechend haben wir zu erwarten, daß die Stell-
reflexe in der menschlichen Hypnose eine Abänderung erfahren. Diese
Annahme wird insofern durch die Erfahrung bestätigt, als Levinger
gezeigt hat, daß in der Hypnose die Stellreflexe tatsächlich in besonderem
Maße herabgesetzt sind, eine Angabe, die Hoff und Schilder voll-
kommen bestätigen können. Man mag zur Erklärung dieser Verhältnisse
anführen, daß während des hypnotischen Schlafes die Muskelspannung
eine sehr geringe ist und zur Hervorrufung der Stellreflexe im all-
gemeinen ein gewisses Maß von Muskelspannung notwendig erscheint.
Man wird aber auf der anderen Seite den akinetischen Faktor in der
Hypnose nicht unterschätzen dürfen. Man käme so zu der Auffassung,
daß der Bewegungsantrieb in der Hypnose auch in jenen Schichten
abgeschaltet sei, welche der Erzeugung der Stellreflexe bzw. der Auto-
matose dienen. Und hier kann wieder darauf verwiesen werden, daß
bei dem Großteil akinetischer Encephalitiker Lage- und Stellreflexe
gleichfalls herabgesetzt sind oder fehlen. Man sieht also, daß wir mit
den uns heute zu Gebote stehenden Mitteln bereits in der Lage sind,
gewisse Vorstellungen von der Physiologie der Motilität in der Hypnose
zu bilden. Erinnern wir hier daran, daß wir auch die motorischen Reiz-
erscheinungen, die wir in der Hypnose sehen, das hysteriforme Zusammen-
zucken, ja die gelegentlichen hysterischen Anfälle am besten wohl auch
verstehen können, wenn wir die Enthemmung primitiverer Motilität
ins Auge fassen. Daß auch sog. psychogene Motilitätsstörungen hirn-
physiologisch erfaßt werden können, ist ein Gedankengang, der auf
Meynert zurückgeht, der aber erst durch Untersuchungen von Liep-
mann, Kleist, C. und O. Vogt, Gerstmann und Schilder, Leyser
eine präzisere Fassung erhalten hat.
Wir haben es bereits oben abgelehnt, uns in Einzelheiten der Frage
zu vertiefen, wie denn die primitive Motilität in die höher entwickelte
eingebaut sei und mit ihr zusammenarbeite. Auch muß auf das Problem
verwiesen werden, daß die primitive Motilität zum vasovegetativen
System Beziehung hat. Wir verweisen auf F. H. Lewy. Wir halten
jedenfalls daran fest, daß für die motorischen Erscheinungen der Hypnose
die Funktion relativ primitiv gebauter motorischer Apparate von Belang
ist, welche im Mittel-Zwischen- und Endhirn gelegen sind.
Von der Beeinflussung des Schlafzentrums haben wir bereits ge-
sprochen. Daß dieses in der Umgebung des III. Ventrikels gelegen ist,
ist, wie erwähnt, gesichert. Aber die Umgebung des III. Ventrikels ist
Schilde r und Kauders, Lehrbuch der Hypnose. c
56 Physiologische Theorie der Hypnose.
auch jene Stelle, welche die Zentralstelle des Vasovegetativen überhaupt
darstellt. Hier liegen Zentren für die Wärmeregulation, für Blase,
Speichel, Atmung, Sexualität, Stoffwechsel, Drüsen mit innerer Sekretion.
Bezüglich der Daten im einzelnen sei auf das jüngst in der Med. Kl.
erschienene Referat von Müller und Greving verwiesen. Müller
und Greving betonen, daß vom Sehhügel aus die Erregungen der sen-
siblen Neurone auf das vegetative System überspringen, durch den
Schmerz weiten sich die Pupillen, es kommt zur Absonderung des
Speichels und Schweißes. Die Erregung wird also auf das Zwischenhirn
übergeleitet. Wir folgen nunmehr wörtlich den Ausführungen dieser
Autoren: ,,So wissen wir, daß Karplus und Kreidl durch Reizung der
subthalamischen Gegend eine Vortreibung des Bulbus, Ei Weiterung der
Pupillen und Lidspalten, vermehrte Tränen-, Speichel- und Schweiß-
sekretion erzielten. Aschner und Leschke verursachten durch Einstich
in den Boden des III. Ventrikels bei Schonung der Hypophyse Polyurie
mit unbezwinglichem Durst (Diabetes insipidus) und vorübergehende
Glykosurie. Jakoby und Roemer konnten durch Einbringung von
Carbolsäure oder von Quecksilber in das Infundibulum Steigerung der
Körperwärme auslösen. Isenschmidt und Krehl schalteten durch einen
Frontalschnitt hinter dem Sehhügel die Regelung der Körperwärme aus.
E rdhe im sah nach Erkrankungen des Infundibulums bei völlig intakter
Hypophyse Atrophie des Geschlechtsapparates mit Herabsetzung der
Geschlechtslust und Geschlechtskraft, Aufhören der monatlichen Blutung
und Rückbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale zugleich mit
einer merkwürdigen Zunahme des Fettpolsters des ganzen Körpers
(Dystrophia adiposogenitalis). Bei manchen Erkrankungen der Wan-
dungen des III. Ventrikels kommt es aber nur zu Störungen des Ge-
schlechtsapparates oder nur zu Fettsucht. Manche Gründe sprechen
dafür, daß in den Corpora mamillaria das übergeordnete Zentrum für
die Geschlechts- und Fortpflanzungstätigkeit zu suchen ist . . . Daß in
den Wandungen des III. Ventrikels eine Stelle ist, welche die Stoff-
wechselvorgänge des Körpers regelt, mag nicht nur aus dem Entstehen
der Fettsucht bei Verletzungen und Narbenbildungen im Infundibulum,
sondern auch aus den erhöhten Verbrennungsprozessen beim Fieber,
das vom Wärmezentrum aus angeregt wird und aus den schweren
Zuständen der Abmagerung, wie sie bei manchen Fällen von chronischem
Hydrocephalus des III. Ventrikels, insbesondere im Anschluß an
die Meningitis cerebrospinalis epidemica auftreten, geschlossen werden.
Bei Veigrößerungen der ebenfalls zum Zwischenhirn gehörenden Epi-
physe kommt es nicht nur zu krankhaft frühzeitiger Entwicklung der
Geschlechtsorgane und der Geschlechtslust, sondern — wohl durch
Reizung der Ventrikelwand — auch zu abnormer Eßlust, zur Polyphagie.
So sehen wir, daß nicht nur Durst, sondern auch Hunger von den
Physiologische Theorie der Hypnose. 67
Lebenszentren im zentralen Höhlengrau ausgelöst werden kann. In das
unter dem Sehhügel gelegene Corpus hypothalamicum, in das Corpus
Luysii wird von manchen Forschern das vasomotorische Zentrum ver-
legt. Von dieser Gegend sollen auch nach einzelnen Autoren (Liechten-
stern) die subcorticalen Anregungen zur Blaseninnervation erfolgen.
Medial vom Globus pallidus müssen auch die Innervationszentren für
die Talgdrüsen zu suchen sein ..." Auch der Bericht von Dresel und
das Buch von F. H. Lewy ist eingehend zu berücksichtigen, dort findet
man auch die grundsätzlich wichtige Frage erörtert, ob sich der vege-
tative Apparat in verschiedenen Stufen aufbaue. Dresel und F. H. Lewy
nehmen an, daß über die vegetativen Zentren in der Medulla oblongata
eine Staffel geschichtet sei, welche in der Umgebung des III. Ventrikels
im Nucleus periventricularis und in den Zentren des Zwischenhirnbogens
zu suchen sei. Im striopallidären System gelegene Zentren besorgten
dann die feinen Einstellungen. Die Autoren führen diesen Gedanken-
gang bezüglich der Zucker- und der Wärmeregulation im einzelnen durch.
So haben sie bei Diabetes mellitus eine Stelle des Pallidums für die
Störung der Zuckerregulation verantwortlich gemacht, eine Angabe,
die allerdings von Bielschowsky bestritten wird. Wie immer man diese
Dinge im einzelnen beurteilen möge, daß eine Staffelung vasovegetativer
Apparate existiert, ist fraglos. Man kann auch mit Sicherheit annehmen,
daß im Zwischenhirn Apparate gelegen sind, welche die Produktion der
Inkrete regeln, die aber anderenteils auch von den Inkreten beeinflußt
werden. Von besonderer Bedeutung erscheint in diesem Zusammenhang
die Frage nach den Zentren für die Sexualität. Es ist gegenwärtig sicher-
gestellt, daß für die Entstehung der Dystrophia adiposogenitalis Zentren
am Boden des Zwischenhirns von wesentlicher Bedeutung sind. Es ist
wahrscheinlich, daß die Hypophyse und das Zwischenhirn hier mit
hineinspielen. Bezüglich der Einzelheiten sei auf die Lehrbücher der
inneren Sekretion von Biedl und Weil verwiesen. Auch bezüglich des
Diabetes insipidus haben wahrscheinlich ähnliche Erwägungen zu gelten.
Es sind der Hypophysenhinterlappen und die vegetativen Zentren am
Boden des Zwischenhirns, die hier in Betracht kommen. Man kann also
sagen, daß die vegetativen Funktionen im Zwischenhirn eine Zentral-
stelle haben, und daß von dieser Zentralstelle aus das vegetative Leben
dirigiert wird. Diese Zentralstelle ist übergeordnet über eine primitivere,
welche in der Medulla oblongata gelegen ist, sie steht aber wahrscheinlich
auch noch mit höheren Staffeln in Verbindung. Es ist gar keine Frage,
daß die Funktion der Großhirnrinde von diesen Stellen aus weitgehend
beeinflußbar sein muß, worauf insbesondere Reichhardt immer wieder
verwiesen hat. Jedes Erleben psychischer Art, das an die Großhirnrinde
gebunden ist, geht aber irgendwie auch mit der Funktion des vegetativen
Systems einher. Dieses schwingt mit der Funktion des Cortex mit. Wir
5*
(38 Physiologische Theorie der Hypnose.
haben nun allen Grund, anzunehmen, daß das vasovegetative System
einen größeren Grad von Plastizität bewahrt hat als die corticale Funktion.
Seine Funktion erscheint in geringeren Graden differenziert zu sein.
Kraus spricht von einer vegetativen Tiefenpersönlichkeit. Wir dürfen
allerdings dabei nicht vergessen, daß diese vegetative Tiefenpersönlich-
keit kein Begriff ist, der psychologisch eindeutig ist. In jede corticale
Funktion , in jedes psychische Geschehen müssen die Vorgänge des
Vasovegetativen eingreifen. Freilich scheinen die Affekte in besonderer
Weise an das Zwischenhirn gebunden zu sein, und jedes primitivere
Erleben scheint mit einer stärkeren Resonanz der vasovegetativen Appa-
rate verbunden zu sein. Darauf verweisen ja bereits die Untersuchungen
über den sog. körperlichen Ausdruck der Gefühle, ein Terminus, den
man zweckmäßigerweise zu ersetzen hätte durch den Ausdruck der
körperlichen Wirkung der Affekte. Denn wesentlich ist immer neben
dem Gefühlsmäßigen das Vorstellungsmäßige, Bildhafte, Gedanken-
mäßige, an welchem das Gefühl haftet, und man kann die Ergebnisse
Pawlows und Heyers, welche zeigen, daß die Art des gezeigten Gegen-
standes für die Magensaftsekretion maßgebend ist, nicht verstehen,
wenn man lediglich von einer Gefühlswirkung spricht. (Vgl. hierzu
übrigens auch die Ausführungen Schilders in dem Buche von Schwarz.)
Wir können allerdings sagen, daß im allgemeinen mit dem Zurücktreten
der corticalen Funktion und mit dem Primitiverwerden derselben die
vasovegetativen Erscheinungen an Ausgiebigkeit zunehmen. Überall
dort, wo die affektiven Mechanismen stärker hervortreten, zeigt die
corticale Funktion primitivere Züge. Verschiebungen, Verdichtungen,
mangelhafte Differenzierung von Einzelheiten treten hervor, und Denk-
formen, wie sie uns vom Primitiven und vom Kind her bekannt sind,
treten auf. Wir können abkürzend sagen, daß die ausgebildete corticale
Funktion mit klar umschriebenen, zweckmäßiges Handeln ermöglichen-
den Bildern verbunden ist, daß diese corticale Funktion dann auf eine
primitive Stufe absinkt, wenn gleichzeitig das Vasovegetative stärker
in Erscheinung tritt. Wir können nun von der durch die Psychoanalyse
sichergestellten Erfahrung ausgehen, daß das durch Verdichtungen,
Verschiebungen, Symbolbildungen gekennzeichnete Denken einer onto-
genetisch und phylogenetisch früheren Entwicklungsstufe entspricht.
Wir müssen ferner uns darüber klar sein, daß die Affektivität, die Trieb-
haftigkeit, zu dem unveränderlichen Besitz alles Lebendigen gehört,
welches, als entwicklungsgeschichtlich tief verankert, in tieferen Hirn-
partien seinen Sitz hat. Die Hypnose wendet sich aber nach allem, was
wir wissen, an primitive Triebschichten. Die Haltung des Suggerierten
kennzeichnet sich ja in ihrer zielgehemmten masochistischen, die Autori-
tät in magischer Weise anerkennenden Form als ein archaisches und
primitives Erleben. Wir werden uns nicht wundern dürfen, daß sie als
Technik der Hypnose. 59
solche zu dem phylogenetisch tief verankerten vasovegetativen System
besonders enge Beziehungen hat. Die Wirkungen der Hypnose liegen
vorwiegend im vasovegetativen Bereich. Man sieht so, daß sich die
Resultate der psychologischen Analyse auf das engste berühren mit den
Resultaten der physiologischen Analyse, beide weisen darauf hin, daß
wir in der Hypnose ein primitives archaisches, regressives Phänomen zu
sehen haben.
Wir stehen also durchaus auf dem Boden der Anschauung, daß die
Phänomene der Hypnose aus der Psychologie und Psychophysiologie
des Hypnotisierten zu verstehen seien. Alrutz glaubte zeigen zu können,
daß vom Hypnotiseur eine Strahlung- ausgehe, welche unmittelbar,
physisch auf den Hypnotisierten wirke.* Wir selbst haben keine Phäno-
mene beobachtet, welche einen derartigen Schluß rechtfertigen würden.
XI. Technik der Hypnose.
Bevor wir eine Schilderung der Technik der Hypnose geben, müssen
wir grundsätzlich folgendes hervorheben. Man muß sich darüber klar
sein, ob man die Hypnose zu therapeutischen Zwecken verwenden will,
oder ob es sich lediglich um Experimente handelt. Ziele und Zwecke
der therapeutischen Hypnose sind natürlich völlig verschieden von denen
der experimentellen Hypnose. Die oberflächliche Hypnose, die thera-
peutisch so wichtig ist, bietet vom Standpunkt des Experimentators
nur ein relativ geringfügiges Interesse. Während der Therapeut in einer
großen Reihe von Fällen gar keine Anstrengungen machen wird, die
Hypnose zu vertiefen, hat der Experimentator allen Grund, die Tief-
hypnose anzustreben. Er wird also alle jene Mittel anwenden müssen,
welche die Hypnose zu vertiefen geeignet sind. Die therapeutische
Hypnose kann natürlich , sei es nun von vornherein , sei es erst auf
verstärkte Anstrengung hin, eine tiefe sein. Man kann es gar nicht genug
betonen, daß der therapeutische Zweck einer Hypnose durch jeden
Versuch, der nicht dem Heilbestreben gilt, gefährdet werden kann.
Man soll also therapeutische Tiefhypnosen nicht zu hypnotischen Ex-
perimenten verwenden, welche von dem Patienten stets irgendwie als
Experimente erkannt und innerlich gewertet werden und ihn in eine
Stellung zum Hypnotiseur bringen, welche dem therapeutischen Zweck
nicht günstig ist. Man muß sich ja immer wieder gegenwärtig halten,
daß man für alles, was in der Hypnose geschieht, dem Hypnotisierten
verantwortlich bleibt, und daß die Deckung durch die Amnesie niemals
eine vollständige ist. Wii gehen in der nachfolgenden Darstellung zu-
nächst nur der Technik der therapeutischen Hypnose nach und werden
erst, nachdem wir ein Bild der therapeutischen Hypnose gewonnen haben,
die experimentelle Hypnose in den Kreis unserer Betrachtung einbeziehen.
70 Technik der Hypnose.
Wir selbst verwenden als technisches Normal verfahren folgendes: Der
Patient liegt in möglichst bequemer Stellung und wird zunächst über
das Wesen und Bedeutung der Hypnose in kurzen Worten aufgeklärt.
Wir pflegen ihm etwa folgendes zu sagen: ,, Dadurch, daß Sie sich
den Worten des Hypnotiseurs ruhig hingeben und sich bemühen,
keinen inneren Widerstand zu leisten, werden Sie in einen Zustand der
inneren Ruhe kommen, der vielleicht zu einem schlafähnlichen Zustand,
vielleicht sogar zum Schlaf selbst führen wird. In einem solchen Zustand
wirkt das stärker auf Sie ein, was ich zu Ihnen spreche. Sie werden
empfänglicher für meine Worte." Diese Formel zur Aufklärung des
Patienten verwenden wir im allgemeinen immer dann, wenn uns die
Erzielung einer Tiefhypnose nicht unbedingt erforderlich erscheint. Er-
scheint uns diese als notwendig, so versichern wir dem Patienten auf
das bestimmteste, daß er sicherlich tief schlafen würde. Eine Reihe
von Patienten äußert vor der Hypnose Angst. Es ist wichtig, mit den
Patienten über die Ursachen der Angst zu sprechen. Die Patienten
scheuen die Möglichkeit, dem Hypnotiseur unter Umständen bedingungs-
los unterworfen zu sein. Man kann sie hierüber auf Grund dessen, was
oben gesagt wurde, leicht beruhigen. In einer Reihe von Fällen spielt
die Vergewaltigungsangst (Wunsch!) hinein, welche auch durch die
Gegenwart dritter Personen nicht beschwichtigt wird. Einige auf-
klärende Worte genügen meist. Man kann durch diese Vorbesprechungen
den Patienten meist in einen Gemütszustand bringen, der ihn der Hypnose"
zugänglicher macht. Wir lassen im allgemeinen einen Schlüssel oder
einen glänzenden Gegenstand fixieren, treten hinter den Patienten und
beginnen dem Patienten untei gleichmäßigem leichten Streichen über
die Stirne etwa folgendes zu sagen: ,,Die Augenlider werden immer
schwerer und schwerer, Sie werden müde, matt und schläfriger. Sie
haben das Gefühl der Schwere in den Gliedern. Die Müdigkeit wird
immer größer. Sie haben das Gefühl wie vor dem Einschlafen, es ver-
schwimmt alles vor ihren Augen, Sie können die Augen nicht mehr
offen halten, Sie sind in einem Zustand der vollkommenen, tiefen Ruhe,
Sie atmen ganz ruhig, tief und gleichmäßig, Sie haben das Gefühl wie
vor dem Einschlafen." Diese oder eine ähnliche Formel wiederholen wir
durch mehrere Minuten (2— 4) i nmer wieder. Fallen dann dem Patienten
die Augen nicht von selbst zu, so drücken wir mit sanftem Druck die
Lider abwärts und sagen wohl auch im Befehlston: „Sie schließen die
Augen und halten die Augen geschlossen." Es ist ein Fehler, den Patien-
ten allzulange fixieren zu lassen. Hat der Patient die Augen von selbst
oder auf unseren mehr oder minder ausdrücklichenBefehl hin geschlossen,
so setzen wir die Striche über die Stirn und die Wiederholung der Formel
in gleichmäßig eindringlichem, nicht allzu lautem Tone fort und fügen,
wenn wir den Eindruck haben, daß die notwendige Hypnosetiefe erreicht
Technik der Hypnose. J\
ist, die entsprechende Suggestion hinzu. Es ist auf jeden Fall unzweck-
mäßig, bei den ersten Sitzungen dem Patienten irgendeine Suggestion
zu geben, welche zu einem negativen Resultat führen kann. Man wird
sich im allgemeinen damit begnügen, dem Hypnotisierten unter leichten
Strichen über den Arm eine Wärmeempfindung im Arm zu suggerieren.
Man kann, wenn man den Eindruck hat, daß es sich um eine tiefe
Hypnose handle, auch unvermittelt eine Zahl aussprechen. (Die Patien-
ten können unter Umständen nach dem Erwachen erst durch den Hin-
weis auf die Zahl davon überzeugt werden, daß sie wirklich in Tief-
hypnose waren.) Dann fügt man jene Suggestion an, welche dem thera-
peutischen Zwecke dient. Man soll diese Suggestion, wie wir später
noch eingehend auseinandersetzen werden, möglichst sorgfältig formu-
lieren und einige Male wiederholen. Das Wecken aus der Hypnose soll
niemals plötzlich erfolgen, sondern langsam und schonend. Man sagt
dem Patienten: ,,Sie werden allmählich aus der Hypnose erwachen.
Sie werden sich nach dem Erwachen aus der Hypnose vollständig frisch
und munter fühlen. Sie werden weder Schwindel noch Kopfschmerzen
haben." Auch diese Suggestion wird zweckmäßigerweise mehrere Male
wiederholt. Schließlich sagt man dem Patienten: „Ich werde bis drei
zählen, Sie werden, wenn ich bis drei gezählt habe, erwachen." Man
zählt dann langsam bis drei.
Haben wir so die Hypnose abgeschlossen, so fragen wir nun den
Patienten sofort, was er während der Hypnose erlebt und gespürt habe.
Hat es sich um eine oberflächliche Hypnose gehandelt, so wird der
Patient meistens versichern, er habe alles gehört, habe nicht geschlafen
und habe sich nur etwas müde gefühlt, habe vielleicht auch ein Gefühl
der Schwere in den Gliedern gehabt. Meist wird auch, selbst bei sonst
sehr oberflächlichen Hypnosen, angegeben, die Empfindung der Wärme
sei erlebt worden. Die Zahl wird erinnert, wenn die Hypnose ober-
flächlich war.
Häufig ist der Patient von einer derartig oberflächlichen Hypnose
enttäuscht und versichert ausdrücklich, er habe alles gehört, sei durch
dieses oder jedes Geräusch noch besonders gestört worden, habe seine
Gedanken nicht unterdrücken können u. dgl. m. Es ist besonders wich-
tig, daß man in Fällen, für die eine tiefe Hypnose nicht notwendig ist,
dem Patienten mit ruhiger Bestimmtheit versichere, daß für den an-
gestrebten Zweck die erreichte Hypnosetiefe ausreichend sei, daß
jedoch möglicherweise bei den folgenden Hypnosen ein tieferer Grad
der Hypnose erzielt werden könnte.
Manche Patienten erreichen nicht einmal die hier beschriebene
Hypnosetiefe. Sie zeigen aber nach dem Aufstehen vom Sofa Schwin-
del, Kopfschmerzen, taumeln etwas, spüren dann ein Gefühl der Müdig-
keit und Schwere u. dgl. m. Man kann auf Grund solcher an sich un-
72 Technik der Hypnose.
erwünschter Nebenerscheinungen dem Patienten häufig klarmachen,
daß der Zustand doch für eine gewisse Beeinflussung durch die Hypnose
spreche.
Im allgemeinen pflegen wir den äußeren Umständen keine allzu große
Bedeutung zuzumessen. Weder eine peinliche Ausschaltung akustischer
Eindrücke, noch Abdunkelung des Raumes ist im allgemeinen notwendig.
Gröbere Reize pflegen wir allerdings fernzuhalten. Doch muß man den
zu hypnotisierenden Personen immer wieder klarmachen, daß dasWesent-
liche ihre eigene Einstellung sei.
In der Regel findet auch ohne Zuhilfenahme besonderer Hilfsmittel
bis zur dritten und vierten Hypnose eine Vertiefung des hypnotischen
Zustandes statt.
Von den kleineren Hilfsmitteln zur Vertiefung der Hypnose erwähnen
wir: Man kann dem Patienten den Befehl geben, das Blinzeln möglichst
zu unterdrücken. Es scheint, daß die okuläre Ermüdbarkeit hierdurch
gefördert wird (Federn), wir wissen ja übrigens, daß auch der Schlaf
vom Auge her seinen Ausgangspunkt nimmt, und daß Mauthner ja
auf Grund der Beachtung dieses Umstandes zu richtigen Vorstellungen
über die Lokalisation des Schlaf Zentrums gelangt ist.
Zeitliche Ausdehnung der hypnotischen Prozeduren ist häufig von
Erfolg begleitet. Besonders empfehlenswert ist die fraktionierte Methode
von O. Vogt. Nachdem die erste Hypnoseprozedur vorüber ist und
der Patient gewisse Sensationen in der Hypnose erlebt hat, werden
die erlebten Sensationen als Hilfsmittel für die weiteren Suggestionen
verwertet, und eine mehr oder minder große Reihe von Einzelhypnosen
wird in derselben Sitzung durchgeführt. Man gelangt dann innerhalb
einer Sitzung oft zu recht erheblichen Hypnosetiefen, die sonst nicht
ohne weiteres erreicht worden wären.
Gelegentlich gelingt es, von der Katalepsie aus die Hypnose zu ver-
stärken. Es gehört zu den wenigen, nicht durch den therapeutischen
Zweck unmittelbar gebotenen Eingriffen, die während der Hypnose
zulässig sind, den Arm des Patienten zu erheben. Bei tiefen Hypnosen
bleibt der Arm entweder kataleptisch oder sinkt vollständig schlaff ab.
Man kann durch unmittelbaren Befehl den Patienten zur Beibehaltung
einer unbequemen Haltung zwingen, was nicht selten auf die Hypnose
verstärkend wirkt.
Bei der Leichtigkeit, mit der im allgemeinen muskuläre Suggestionen
befolgt werden, kann gelegentlich der Versuch gemacht werden, während
der Hypnose die Hand des Patienten zu seinem Kopfe zu führen und
ihm nun bestimmt zu versichern, daß er die Hand vom Kopfe nicht weg-
bringen werde. Ein derartiges Verfahren ist aber ebenso wie die Sug-
gestion: ,,Sie werden die Augen nicht mehr öffnen können", nur zweck-
mäßig, wenn die Vertiefung der Hypnose aus therapeutischen Gründen
Technik der Hypnose. "]\
unbedingt erforderlich ist, denn man setzt sich der Gefahr aus, daß der
Patient erst recht die Bewegung durchführt, welche ihm als unmöglich
dargestellt wurde. So schlagen manche Patienten, wenn man ihnen
sagt, sie können die Augen nicht mehr öffnen, die Augen groß zum
Hypnotisierenden auf, was der ganzen Situation entschieden nicht sehr
zuträglich ist.
In manchen Fällen ist Ausdehnung der Striche über die Arme und
über den ganzen Körper von einem gewissen Vorteil, doch sind wir mit
der Verwendung dieses Mittels außerordentlich zurückhaltend, weil wir
alles, was die zielgehemmte Sexualität in der Hypnose zu einer ziel-
bewußten machen könnte, im allgemeinen vermeiden. Nicht aus Gründen
der Prüderie, sondern weil die Entfesselung der Sexualität in der Hypnose
therapeutisch keineswegs wünschenswert ist und die Gefahr mit sich
bringt, daß der therapeutische Rapport von manifesten Liebesbeweisen
des Hypnotiseurs abhängig werde. Einer der Gründe, weshalb wir die
Faszinationsmethode , das Hypnotisieren mittels des Blickes , nicht
empfehlen können, liegt darin, daß durch die Augen-Augenhypnose das
erotische Moment der Hypnose allzusehr verstärkt wird. Hierzu übrigens
noch eine kurze theoretische Bemerkung. Für das naive Bewußtsein
ist die Erotik des Blickes wesentlicher Bestandteil der Hypnose. Wir
pflegen, wie erwähnt, die Faszinationsmethode nicht zu verwerten.
Gleichwohl gab eine unserer Patientinnen an, sie habe einige Zeit nach
der Hypnose die ,, schwarzen" Augen des Hypnotiseurs gegen ihren
Willen immer wieder vor sich gesehen.
Eines der wesentlichsten Mittel zur Herbeiführung der Tiefhypnose
ist darin gegeben, daß den Patienten andere hypnotisierbare Personen
vorhypnotisiert werden. Daß die Hypnose in diesem Sinne ein Phänomen
ist, welches mit Nachahmung, Identifizierung, sozialer Gemeinschaft
innig verbunden ist, kommt hier zu klarem Ausdruck. Man erzielt
besonders gute Resultate in bezug auf die Herbeiführung der Tief-
hypnose, wenn man die Patienten serienweise hypnotisiert, und zwar so,
daß unter einer Gruppe einige gute Medien eingestreut sind. Die Resul-
tate, die Wetterstrand in bezug auf Tiefhypnose erhalten hat, erklären
sich daraus, daß er diese Methode der Serien verwendet hat.
Eine sehr bedeutsame Erleichterung in bezug auf die Erzielung von
Tiefhypnosen stellt die Schlafmittelhypnose dar, über die wir später im
Zusammenhang berichten werden.
Aus unserer ärztlichen Einstellung heraus vermeiden wir es grund-
sätzlich, Überrumpelungshypnosen zu machen und den Patienten durch
Anschreien, Schreck u. dgl. m. in die Hypnose hineinzutreiben. Auch
in der Hypnose selbst wählen wir nicht das harte, strenge, brutalisie-
rende Verfahren, sondern den Weg des bestimmten, aber milden Zuredens.
Freilich wird man hier nicht schematisieren dürfen. Während der Ein-
74 Technik der Hypnose.
leitung der Hypnose wird man das Lachen des Patienten unter Um-
ständen durch energisches Zufahren, Anschreien u. dgl. m. bewältigen
müssen. Gewinnt man während der Tiefhypnose den Eindruck, daß
der Patient im Begriffe ist, sich vom Hypnotiseur loszulösen, so wird
energisches Zufassen, eventuell sofortiges Wecken aus der Hypnose un-
bedingt erforderlich. Und hiermit kommen wir zu dem wichtigen thera-
peutischen Problem: der Handhabung der Tiefhypnose.
Während nämlich bei der oberflächlichen Hypnose die sorgfältige
Formulierung der Suggestion und ihr mehrfaches Wiederholen aus-
reichend zu sein pflegt, haben wir in der Tiefhypnose zunächst mit der
Möglichkeit zu rechnen, daß die Suggestion nur unvollkommen ver-
standen werde, denn, wie oben erwähnt, handelt es sich ja bei der Tief-
hypnose zum Teil wenigstens um eine traumhafte Veränderung des
Bewußtseins. Man schützt sich gegen diese Möglichkeit am besten so,
daß man den Patienten den Inhalt der Suggestion selbst wiederholen
läßt. Handelt es sich um amnesierende Patienten, so darf man sich
grundsätzlich nicht mit dem einfachen Vorsprechen der Suggestions-
formel begnügen. Man läuft sonst Gefahr, daß der Patient überhaupt
nicht beachtet hat, was man zu ihm gesprochen hat. Daß aus Tief-
hypnosen heraus die Patienten häufig den Versuch machen, den Kontakt
mit dem Hypnotiseur zu lösen und ihre eigenen Komplexe auszuleben,
haben wir bereits öfters erwähnt. Gegen derartiges schützt man sich
am besten so, daß man die erste hypnotische Sitzung, wenn es sich allem
Anschein nach um Tiefhypnose handelt, nicht zu lange ausdehnt. Jedes
Experimentieren, das über den unmittelbaren ärztlichen Zweck der
Hypnose hinausgeht, erhöht die Gefahr der hysteriformen Loslösung des
Hypnotisierten vom Hypnotiseur. Manche Personen verfallen sofort
bei den ersten Hypnoseprozeduren in einen Zustand, welcher zur Los-
lösung vom Hypnotiseur drängt. Sie halluzinieren etwa, ohne daß der
Hypnotiseur von ihnen die entsprechende Halluzination verlangt hat,
achten nur wenig auf die Worte des Hypnotiseurs u. dgl. m. Bei der-
artigem Verhalten des Patienten soll der Hypnotiseur durch energisches
Anschreien die Führung an sich reißen und, wenn das nicht sogleich
gelingt, den Patienten sofort wecken. Die folgenden Hypnosen, die
womöglich nicht am gleichen Tage vorzunehmen sind, gestaltet man
dann möglichst kurz und erzielt dann in der Regel, daß sich der Patient
willig den Anforderungen des Hypnotiseurs in der Hypnose fügt. Man
kann, wenn man auf derartiges achtet, die Entstehung hysterischer Aus-
nahmezustände verhüten, welche an sich den Verlauf einer Behandlung
nicht wesentlich stören würden, die aber dem Arzte in der Sprechstunde
schwere Verlegenheit bereiten würden. Die mildeste Form der Loslösung ist
es ja, wenn der Patient in der Hypnose den Rapport mit dem Hypnotiseur
einfach abbricht und weiterschläft, ohne sich um die Weckversuche des
Technik der Hypnose. 7C
Hypnotiseurs zu kümmern. Auch derartige Vorkommnisse werden nicht
auftreten, wenn man rechtzeitig darauf achtet, ob man mit dem Patienten
in Kontakt steht, und die Hypnose sofort unterbricht, wenn die Wieder-
herstellung des Kontaktes nicht möglich ist. Ist der Schlafzustand schon
da, so führt energisches Rütteln sehr häufig noch zum Erwachen des
Patienten. Im Rahmen der Krankenanstalt ist es natürlich ohne weiteres
möglich, den Patienten ruhig weiterschlafen zu lassen, irgendwelche
Nachteile für den Patienten und für die Behandlung sind aus einem
solchen Schlaf nicht zu erwarten. Im Rahmen der Sprechstunde und
der hausärztlichen Behandlung wird man natürlich alles tun müssen,
um das Auftreten derartiger Schlaf zustände zu vermeiden. Wie erwähnt,
ist es irrig, zu glauben, daß die Tiefe der Hypnose allein den therapeuti-
schen Erfolg und das Haften der Suggestion verbürge. Die Sorgfalt in
der Formulierung der Suggestion darf nicht vermindert werden, wenn
es sich auch um einen tiefhypnotisierten Patienten handelt. Angaben,
welche der Tief hypnotisierte macht, handle es sich nun um die Auf-
hellung einer Amnesie schlechthin oder um eine kathartische Hypnose,
sind nicht ohne weiteres glaubwürdig. Die Richtigkeit solcher Angaben
wird nicht durch die Hypnose allein, sondern durch den gesamten Sach-
zusammenhang erwiesen. Bei dem Wecken aus Tiefhypnosen ist be-
sondere Vorsicht notwendig. Selbst unter Anwendung größter Vorsichts-
maßregeln (langsame Vorbereitung des Erweckens, Suggestion gegen
Kopfschmerzen und ähnliche Nachwirkungen) sind unangenehme Folge-
erscheinungen wie Schwindel, Taumel, Benommenheit nicht selten. Man
kann versuchen, diese durch suggestives Streichen über die Stirne zum
Verschwinden zu bringen. Gelegentlich ist auch eine kurze Nachhypnose,
welche sich ausschließlich gegen die posthypnotischen Beschwerden
richtet, von Vorteil. Man kann übrigens im allgemeinen sagen, daß
Nachwirkungen stärker zu sein pflegen, wenn in der Hypnose viel ex-
perimentiert wurde und die Hypnose lang ausgedehnt wurde. Auch
hierin liegt die ernsthafte Mahnung, die ersten Tiefhypnosen nicht zu
lange auszudehnen. Es ist ein Kunstfehler, einen auch scheinbar
ruhig schlafenden Tiefhypnotisierten unbeobachtet zu lassen. Som-
nambule Handlungen können auch aus dem anscheinend ruhigen
Schlafe des Hypnotisierten heraus erfolgen. Ist der Tiefschlaf ab-
gebrochen, so empfiehlt es sich, den Patienten nicht sofort aus der
Beobachtung zu entlassen, sondern ihn noch durch einige Zeit in der
Nähe des Arztes zu belassen. Schwindel, Ohnmachtsanfälle können
gelegentlich unvermutet erfolgen. Im ganzen muß man sich darüber
klar sein, daß eine Tiefhypnose keinen gleichgültigen Eingriff dar-
stellt, denn die Tiefhypnose wendet sich an tiefliegende Seelen-
schichten des Menschen, die, einmal entfesselt, nicht immer leicht
zu bändigen sind.
75 Technik der Hypnose.
Daraus ergeben sich sofort einige Schlußfolgerungen bezüglich der
experimentellen Hypnose. Sie verspricht natürlich nur dann reichere
Ausbeute, wenn es sich um tief hypnotisierte Personen handelt. Tief-
hypnose muß also mit allen denkbaren technischen Mitteln angestrebt
werden. Personen, die man nicht genau kennt, wird man wohl kaum
zu derartigen Versuchen heranziehen können. Die Person, mit der man
Tiefhypnose vornehmen will, darauf hinzuweisen, daß es sich um keinen
ganz gleichgültigen Eingriff handelt, ist wohl selbstverständliches Gebot.
Nur ernstes wissenschaftliches Interesse bei entsprechender Vorbildung
und entsprechender Eignung zu wissenschaftlich ergiebiger Forschung
vermag die Herbeiführung experimenteller Hypnosen zu entschuldigen,
obwohl es rechtlich fraglich erscheint, ob selbst bei Einwilligung des zu
Hypnotisierenden die experimentelle Hypnose zulässig ist. Ausreichende
rechtliche Rechtfertigung der Hypnose ist letzten Endes doch nur der
therapeutische Zweck der Hypnose.
Doch wollen wir uns nun, bevor wir die Gefahren der Hypnose noch
eingehender betrachten, dem stärksten Mittel zuwenden, das uns zu
der Herbeiführung der Tiefhypnose bei sonst refraktären Personen dient,
der Schlaf mittelhypnose. Das Verfahren als solches ist von den älteren
Hypnotiseuren wiederholt verwendet worden. Von den neueren haben
es Kauffmann, Hallauer häufiger verwertet.
Gelegentlich ist eine Hypnose bei dem gleichen Individuum tiefer,
wenn die Hypnose zur Zeit des Nachmittags- oder Abendschlafes durch-
geführt wird. Wir haben ja auch sonst immer wieder auf die Beziehung"
der Hypnose zum Schlaf verwiesen und darauf aufmerksam gemacht,
daß gute Schläfer im allgemeinen leichter hypnotisierbar sind. Bei guten
Schläfern kann man ferner die Methode anwenden, daß man an ihr
Bett herantritt, während sie schlafen, und leise mit ihnen zu sprechen
beginnt. Sehr häufig gelingt es dann, mit dem Schläfer in einen Kontakt
zu treten, während der Schlaf andauert. Dieser Rapport entspricht
vollständig dem Rapport beim Hypnotisierten. Diese Erfahrungen legen
es nahe, daß auch künstlich erzeugter Schlaf zur Hypnose übergeleitet
werden könne. Die früheren Hypnotiseure haben sich hierzu zunächst
des Chloroforms bedient, und Hallauer bedient sich auch heute noch
dieses Mittels. Hallauer pflegt seinen Patientinnen (er ist Frauenarzt)
nicht zu sagen, daß er sie hypnotisieren wolle. Er verspricht ihnen viel-
mehr Narkosen und erzielt so Hypnose häufig schon nur durch das
Auflegen der Maske allein oder aber durch mehr oder minder große
Mengen von Chloroform. Er sieht es als einen besonderen Vorzug seines
Verfahrens an, daß die Patienten nichts davon wissen, daß es sich um
Suggestion und Hypnose handle, sondern glauben narkotisiert worden
zu sein. Wir halten es nicht für einen Vorzug, wenn der Patient nicht
weiß, was mit ihm geschieht. Mit guten Gründen versucht die moderne
Technik der Hypnose. jj
Psychotherapie den Patienten gegenüber jegliche Unaufrichtigkeit zu
unterlassen und sie hat so die Beziehungen des Psychotherapeuten zu
seinem Objekte würdiger gestaltet. Es mag Fälle und Situationen geben,
in welchen es nicht möglich ist, an dem Prinzip der Aufrichtigkeit des
Psychotherapeuten festzuhalten, den Grundsatz als solchen sollte man
nicht opfern. Nun ist es ja nicht wesentlicher Bestandteil des Hallauer
sehen Verfahrens der Hypnonarkose, daß man dem Patienten ver-
schweige, daß er hypnotisiert werde, und das Verfahren als solches
bleibt ja zweifellos wertvoll, wenn auch die Frage aufgeworfen werden
muß, ob nicht das Chloroform als stark wirkendes Mittel, das gelegent-
lich auch in ganz geringer Dosierung bei vorhandener Chloroform-
idiosynkrasie schwere Schädigungen bis zum plötzlichen Exitus setzen
kann, nicht vielleicht zweckmäßigerweise durch ein anderes Mittel ersetzt
werden könnte. Ein ähnliches Bedenken haben wir gegen die Verwen-
dung des Scopolamins, das Kausch bei kräftigen Männern sogar in
Dosen von 0,0015 g unter Hinzufügung von 0,01 g Morphium verwendet.
Nun beträgt die Maximaldosis von Scopolamin 0,0005 g. Ein Über-
schreiten von Maximaldosen zum Zwecke von Schlafmittelhypnosen
halten wir aus allgemeinen Gründen für bedenklich. Die Verwendung
von Morphium für Schlafmittelhypnosen lehnen wir gleichfalls ab, da
eine noch so geringe Gefahr, einen Menschen zum Morphinisten zu
machen, ohne zwingende Gründe nicht heraufbeschworen werden soll.
So scheint es am zweckmäßigsten zu sein, wie Kauffmann Veronal oder
irgendeines der Veronalderivate zu geben. Man ist genötigt, bei der
langsamen Wirkungsweise des Veronals und der Schlafmittel der gleichen
Gruppe das Schlafmittel etwa 2 Stunden vor der beabsichtigten Hypnose
nehmen zu lassen. Während dieser Zeit muß man dem Patienten den
Auftrag geben, er solle das Einschlafen verhindern. Man leitet dann
die Hypnose am zweckmäßigsten mit der Schlafsuggestion ein und
überläßt den Patienten sich selbst. Wenn Kauffmann seinen Hörern
sagt: ,,Sie glauben gar nicht, wie leicht oft eine Hypnose wirkt, nachdem
man etwas Veronal gegeben hat", so können wir das nur vollständig
bestätigen. Wir selbst bevorzugen im allgemeinen das Medinal, mit
welchem wir von 0,5 bis zu 1, in Ausnahmefällen bis zu \xj2 g steigen.
Es kann für gewisse Zwecke unzweckmäßig sein, die Gruppe des
Veronals zu verwenden, die ihre Wirkung so spät entfaltet. Nun
ist Paraldehyd ein Schlafmittel, das auch in hohen Dosen voll-
kommen unschädlich ist und eine sehr prompte Wirkung entfaltet.
Es hat nur den Nachteil des schlechten Geschmacks. Wir verwenden
Paraldehyd immer dann, wenn wir eine prompte Herbeiführung der
Hypnose wünschen. Denn 5 — 10 Minuten nach der Einnahme des
Mittels wird der Patient bereits hypnosereif. Gelegentlich muß man
mit der Dosierung hin und her tasten. Auch ist bei der Paraldehyd-
78 Technik der Hypnose.
hypnose die Gefahr größer, daß der Patient rasch in ein Stadium
der Schlaftiefe kommt, aus welchem heraus ein Rapport nicht her-
zustellen ist, oder daß das Paraldehyd einen Zustand traumhafter Ver-
wirrtheit schaffe, welcher die Fähigkeit zu Übernahme der Suggestion
aufhebt. Wir verwenden Paraldehyddosen zwischen 4 und 12 g. Dosen
über 8 g verwenden wir nur ganz ausnahmsweise. Im allgemeinen hat
es sich uns als zweckmäßig erwiesen, den Patienten nach der Hypnose
ruhig ausschlafen zu lassen. Gibt man geringere Dosen, wie etwa 4 g,
wie das Hoff in unserer Ambulanz getan hat, so kann man die Patienten
mit Begleitung nach Hause gehen lassen, nachdem man sie aus der
Hypnose geweckt hat. Sie sind zwar taumelig, kommen aber gut nach
Hause und schlafen dann zu Hause die Wirkung des Schlafmittels aus.
Hoff hat bei dem Massenbetrieb einer Ambulanz, wo etwa 10 bis
15 Patienten hypnotisiert werden müssen, Vorteile gesehen, wenn er
jedem der zu hypnotisierenden Patienten vorher 4 g Paraldehyd gab.
Die Hypnosen können dann leichter und mit einem geringeren Zeit-
aufwand erzielt werden. Obwohl wir, wie bereits erwähnt, es aus prin-
zipiellen Gründen vermeiden, es dem Patienten nicht wissen zu lassen,
daß es ein Schlafmittel sei, das er zur Erleichterung der Hypnose be-
komme, kann dies doch in einigen Fällen aus äußeren Gründen der
Fall sein. Wir möchten in diesem Zusammenhange eine interessante
Erfahrung, die man im Gefolge von Schlafmittelhypnosen nicht so selten
machen kann, an einem Beispiel mitteilen. Ein Patient wird nach einem
pathologischen Alkoholrausch zur Aufhellung der bestehenden Amnesie
h}^pnotisiert. Die Hypnose fördert von dem amnestischen Material nichts
zutage. Der Patient erhält daraufhin 0,75 Medinal, ohne daß er erfährt,
daß es sich dabei um ein Schlafmittel handelt, und wird 3 Stunden
später zu einer weiteren Hypnose gebracht. Vorher fällt auf, daß der
Patient durchaus lebhaft ist, in keiner Weise Müdigkeit, Schlafbedürf-
nis usw. äußert, obwohl er bisher noch nie Schlafmittel bekommen hatte.
Bei der darauf durchgeführten Hypnose verfällt der Patient sogleich
in Tiefschlaf, und es gelingt diesmal eine restlose Aufhellung der Amnesie
Vor dem Erwecken erhält der Patient die übliche Suggestion, daß er
sich völlig gesund und munter fühlen, nicht schläfrig sein werde. Nach
dem pünktlichen Erwachen aus der Hypnose ist dieser Patient trotz
der erhaltenen Suggestion außerordentlich schlaftrunken, taumelt und
schläft, zu Bette gebracht, sogleich tief ein. Diese Erfahrung bestätigt
in augenfälliger Weise unsere Ausführungen von der Wechselbeziehung
und der wechselweisen Vertretbarkeit psychologischer und pharmako-
logischer Wirkungen auf den Schlaf apparat ; der in diesem Falle vor-
liegende Mechanismus ist der, daß hier einerseits erst durch die psycho-
logische Wirkung der Hypnose die pharmakologische Wirkung des
Schlafmittels, man möchte sagen, eruptiv zum Ausbruch kommt, daß
Technik der Hypnose. 79
andererseits die pharmakologische Wirkung die psychologische Sugge-
stionswirkung vor dem Erwachen überdauert und durch diese nicht
mehr unterdrückt werden kann.
Man könnte die Frage auf werfen, ob es sich bei den Schlaf mittel-
hypnosen denn nicht lediglich um Schlaf handle und ob denn überhaupt
wirkliche Hypnosen vorlägen. Wer einmal Schlaf mittelhypnosen ge-
macht hat, wird diesen Einwand von vorn herein ablehnen müssen,
denn die Patienten führen Suggestionen durch und benehmen sich eben
in jeder Hinsicht so wie Tiefhypnotisierte. Man kann nicht einmal
sagen, daß die Bewußtseinstrübung eine tiefere ist als bei anderen
Hypnosen, doch hängt das freilich von der Menge der verwendeten
Schlafmittel ab.
Es ist ja sicherlich so, daß auch mit anderen Schlafmitteln Schlaf-
mittelhypnosen erzielt werden können. Wir selbst haben darüber keine
Versuche angestellt. Als Hauptforderung muß natürlich die gestellt
werden, daß das verwendete Mittel absolut unschädlich sei, denn man
darf ja nie vergessen, daß die Hypnose selbst nur ein technisches Mittel
der Neurosenbehandlung darstellt und an sich keinen absoluten Heil-
wert darstellt. Gelegentlich kommt man mit einem Glas Wein oder Likör
oder etwas Brom auch zum Ziele.
Ist einmal eine Schlafmittelhypnose erreicht worden, so ist es, wie
wir im Einklang mit Kauffmann hervorheben müssen, häufig nicht mehr
nötig, bei jeder neuen Hypnose wiederum Schlafmittel zu geben. Eine
einmal erzielte Tiefhypnose erleichtert auch hier alle späteren.
Man kann ja die Frage auf werfen, ob das, was mittels der Schlaf mittel-
hypnose erzielt worden ist, nicht auch ohne Schlafmittel hätte erzielt
werden können. Diese Frage kann nicht in Kürze beantwortet werden.
Wir sind von der Voraussetzung ausgegangen, daß der Zustand der
Hypnose ein Zustand sei, der gesetzmäßig aus dem Schlaf heraus erzielt
werden könne. Grundsätzlich muß daher jeder Mensch in eine Tief-
hypnose kommen können. Nun werden wohl die Bedingungen des
Zustandekommens der Tiefhypnose nicht ohne weiteres bei jedem
Menschen realisierbar sein. Wir erleben es immer wieder, daß Personen,
die eine Zeit hindurch gut hypnotisabel waren, plötzlich gegen Hypnose-
versuche refraktär sind. Wenn also ein Mensch sich nicht als hypnotisier-
bar ausweist, so könnte er vermutlich unter besonderen Bedingungen,
bei besonderer Anstrengung des Hypnotiseurs oder bei einer besonders
günstigen Konstellation vielleicht auch ohne Schlafmittel doch hypnoti-
sierbar sein. Denn auch das sehen wir, daß Personen, die sich wiederholt
als refraktär erwiesen haben, plötzlich, ohne daß wir den Grund hierfür
genau angeben können, sich als ausgezeichnet hypnotisierbar erweisen.
Daß die Tageszeit hierbei von Einfluß sein kann, ist bereits hervor-
gehoben worden. Aber Ermüdung, Schwächung durch körperliche Er-
gQ Technik der Hypnose.
krankungen spielen gleichfalls in den Bedingungen der Hypnosefähigkeit
eine Rolle. Auch zufällige Intoxikationen sind von Bedeutung. So
erweist sich der Morphinist in der Abstinenzphase meist als besonders gut
hypnotisabel. Bei einem Dipsomanen, den wir zunächst in einem freien
Intervall zu hypnotisieren versucht haben, gelang die Hypnose zunächst
nicht, es war aber eine besonders tiefe Hypnose vorhanden, als er das
nächste Mal unmittelbar nach der Einlieferung in die Klinik aus einer
dipsomanen Attacke heraus hypnotisiert wurde. Damit nähern wir uns
aber bereits dem Thema Schlafmittelhypnose. Das Schlafmittel schafft
günstige Bedingungen zur Verwirklichung eines Zustandes, der zwar
prinzipiell auch auf eine andere Weise hergestellt werden könnte, der
aber sich technisch nicht ohne weiteres verwirklichen läßt. Formulieren
wir kurz, so bewirkt die Schlaf mittelhypnose, daß die in jedem Menschen
vorhandene Fähigkeit zur tiefen Hypnose leichter verwirklicht werden
könne.
Wir dürfen uns übrigens darüber nicht im unklaren sein, daß es Fälle
gibt, welche sich auch gegenüber den Schlafmittelhypnosen als refraktär
erweisen. Wir sind ja bezüglich des Ausprobierens einer wirksamen
Dosis doch insofern beschränkt, als man nicht zu viele Versuche an
einem Patienten machen kann. Es wäre durchaus denkbar, daß unter
der Anwendung einer verbesserten Technik, etwa unter Hinzuziehung
des Äthers, die Zahl der refraktären Fälle sich praktisch reduzieren
ließe.
Schädigungen der Hypnose sind besonders bei Tiefhypnosen zu be-
fürchten. Es ist das meiste hierüber in dem Absatz über die Technik
der Tiefhypnose gesagt worden. Die Nachwirkungen der Hypnose liegen
entweder auf körperlichem Gebiet, Schwindel, Kopfschmerzen u. dgl. m.,
es können aber auch psychische Symptome jeder Art aus dem Gesamt-
bereich psychogener Erkrankungen hervorgerufen werden. Manifest-
werden, Verschlechterung von hysterischen Symptomen, ist ohne weiteres
möglich. Aus der Hypnose kann ein hysterischer Ausnahmszustand
werden u. dgl. m. J. H. Schultz hat zusammengetragen, was über
Hypnoseschädigungen bekannt ist. Alle diese Erscheinungen treten
natürlich besonders leicht bei Hypnosen auf, welche den Zwecken der
Schaulust und der Neugierde dienen und bei welchen die Suggestibilität
der Hypnotisierten dazu mißbraucht wird, um mit den Hypnotisierten
eine mehr oder weniger törichte Komödie aufzuführen. Bei der zu thera-
peutischen Zwecken erfolgenden Hypnose werden solche Zwischenfälle
nur die Bedeutung einer Reaktion haben, welche den endgültigen
therapeutischen Zweck nur fördert. Man darf sich also im Zug
einer derartigen Behandlung durch irgendwelche Nebenerscheinungen
nicht verblüffen lassen. Übrigens sind Hypnoseschädigungen durch
Schauhypnosen u. dgl. durch entsprechende Behandlung meist leicht
Technik der Hypnose. gj
zu beseitigen. Eine Gefahr der Hypnose liegt darin, daß sie als tech-
nisches Mittel zur Herbeiführung der Hörigkeit benützt werden kann.
Eine Gefahr, die freilich mit Rücksicht darauf, daß dem Hypnotisierten
ja stets ein Eigenwille verbleibt, nicht als übermäßig groß veranschlagt
werden darf. Daß aus der Hypnose Hörigkeit werde, setzt ja im all-
gemeinen den bösen Willen des Hypnotiseurs voraus. Freilich kann die
Bindung des Hypnotisierten an den Hypnotiseur auch ohne den bösen
Willen unter Umständen allzusehr verstärkt werden. Es ist das eine
Gefahr, welche der Psychotherapeut kennen und rechtzeitig bekämpfen
muß. Es wird über sie im allgemeinen im therapeutischen Teil noch
etwas eingehender zu sprechen sein. Diese Gefahr teilt übrigens die
Hypnose mit jeder anderen Form der psychischen Behandlung, handle
es sich nun um eine unbewußte oder um eine klar bewußte psychische
Einwirkung, denn die Ergebnisse der Psychoanalyse haben uns eindeutig
gezeigt, daß die Heilwirkungen auf dem Wege der Übertragung, d. h.
des Auftretens früherer psychischer Liebeseinstellungen und ihrer Bin-
dung an den Arzt, zustande kommen. Bei jeder psychischen Behandlung,
ja bei jeder ärztlichen Behandlung, sind wir in Gefahr, den Patienten
zu stark an uns zu binden, ihn zu unselbständig zu machen. Es ist
schwer zu entscheiden, ob diese Gefahr der Hypnosebehandlung in ver-
stärktem Maße zukomme. Jedenfalls ist aber diese Gefahr durchaus
vermeidbar, und es ist Folge mangelhafter Technik, wenn nach einer
Hypnosebehandlung eine allzu starke Bindung an den Arzt zurückbleibt.
Bei einer technisch gut durchgeführten Hypnosebehandlung kann man
eigentlich von einer Schädigungsmöglichkeit durch die Hypnose kaum
sprechen.
Im vorangehenden haben wir im wesentlichen die Technik der Hypnose
besprochen, und zwar in der Form, wie wir sie im allgemeinen zu üben
pflegen. Man kann selbstverständlich an die Stelle der eigentlichen
Hypnoseprozedur die Wachsuggestion setzen, bei welcher man dem
Patienten von vornherein nur die präzis formulierte Suggestion mitteilt,
wobei man den Patienten mit offenen oder geschlossenen Augen liegen
lassen kann. Man kann sich zur Einleitung der Suggestion mit Vorteil
der von Coue und Baudouin ausgearbeiteten Technik bedienen, welche
von den Autoren dazu bestimmt ist, den Patienten die Macht der Ge-
danken und Vorstellungen auf den Körper darzutun.
Erster Versuch: Die stehende Versuchsperson wird angehalten, sich
vollständig steif zu machen, so daß sie, durch einen Stoß aus dem
Gleichgewicht gebracht, um die Ferse als Drehpunkt fällt. Nach diesem
Vorversuch wird nun der Versuchsperson der Auftrag gegeben, sie solle
intensiv daran denken, daß sie nach hinten fallen werde. Die Mehrzahl
der Versuchspersonen pflegen in der Tat nach kurzer Zeit nach hinten
zu fallen. Man kann das auch in der Form unterstützen, daß man, hinter
Schilder und Kaudcrs, Lehrbuch der Hypnose. 6
$2 Technik der I typm
den Patienten tretend, einen leichten Druck gegen dessen Stirne ausübt.
Dieser Versuch ist bei der überwiegenden Mehrzahl von Menschen positiv.
Etwas schwieriger ist mit der entsprechenden Technik das Nachvorne-
fallen zu erzielen, was offenbar damit zusammenhängt, daß der Statik
des menschlichen Körpers nach das Nachhintenfallen leichter erfolgen
kann als das Nach vornefallen.
Zweiter Versuch: Die stehende Versuchsperson wird angehalten, die
Finger der Hände ineinander zu verschränken. Sie wird darauf an-
gewiesen, bei geschlossenen oder offenen Augen fest daran zu denken,
daß sie außerstande sei, die Finger aus der Verschränkung zu befreien
und die Hände auseinanderzuziehen. In der Tat gelingt es der über-
wiegenden Mehrzahl der Versuchspersonen nicht, die Hände aus der
Verschränkung zu lösen. In diesem Versuch spielen freilich neben dem
suggestiven Moment noch andere psychologische Faktoren mit. Bei
verschränkten Händen haben wir nur eine ungenügende Vorstellung
von der Lage der einzelnen Finger und sind infolgedessen nicht ohne
weiteres fähig, die richtige Innervation zu treffen.
Dritter Versuch : An einem Zwirnsfaden wird ein schwerer Gegenstand,
etwa ein Ring, befestigt, so daß der Faden straff gespannt herabhängt
(CHEVREUiLsches Pendel). Die Versuchsperson wird nun angewiesen,
intensiv an einen Kreis zu denken. Sehr bald gerät nun das Pendel in
die entsprechende schwingende Bewegung, von welcher die Versuchs-
person beim öffnen der Augen staunend Kenntnis nimmt. Läßt man
die Versuchsperson an ovale, gerade Linien u. dgl. denken, so ist die
Bewegung entsprechend abgeändert.
Der Vorteil dieser Proben besteht darin, daß sie in der Tat fast bei
allen Menschen zum Erfolg führen. Man kann mittels dieser Proben
auch sonst Widerspenstigen die Wirkung des Geistes auf den Körper
demonstrieren. Man kann diese Versuche sowohl zur Einleitung zu
Wachsuggestionen als auch zur Einleitung von Hypnosen in dem oben-
beschriebenen Sinne benützen.
Noch einige allgemeinere Bemerkungen über das Verhalten des
Hypnotiseurs während der Hypnose erscheinen erwünscht. Die populäre
Meinung geht dahin, daß der Hypnotiseur mit besonderer Aufmerksam-
keit und Energie die Hypnose durchführen müsse. Diese Anschauung
ist zweifellos unrichtig. Die innere Beteiligung oder Nichtbeteiligung
hat mit dem Gelingen der Hypnose nichts zu schaffen. Der Hypnotiseur
braucht ruhige Sicherheit und darf sich durch Abweichungen von dem
erwarteten Verlauf der Hypnose nicht verblüffen lassen. Irgendwelche
persönliche Eigenschaften des Hypnotiseurs sind nicht erforderlich. Das
Hypnotisieren ist eine Technik, die von jedem erlernt werden kann. Wir
selbst ziehen ein Verhalten des Hypnotiseurs vor, das ihn als Arzt
erscheinen läßt, und unterstreichen nicht die magischen Prozeduren.
Allgemeine Richtlinien der Hypnosetherapie. 83
Es mag sein, daß das letztere unter Umständen wirksamer zur Herbei-
führung der tiefen Hypnosen ist. Es bleibt mehr oder minder Sache
des persönlichen Geschmacks, inwieweit der Hypnotiseur den magischen
Charakter seiner Handlung unterstreichen will. Zur Erzielung thera-
peutischer Erfolge ist die magische Geste gewiß nicht erforderlich.
XII. Allgemeine Richtlinien
der Hypnosetherapie.
Wir haben im vorangehenden der Überzeugung Ausdruck gegeben,
daß im Prinzip jeder Mensch der Tiefhypnose zugänglich sei. Damit
wollen wir jedoch keineswegs ausdrücken, daß unter den Bedingungen
der ärztlichen Sprechstunde jeder Mensch in Tiefhypnose gebracht
werden könne. Nach Liebault verfallen etwa 16% dem Tiefschlaf,
nach Ringiers 35%. Ähnliche Zahlen hat Hilger angegeben. Trömner
erzielte sogar in einer Serie 52% Tiefhypnosen. Wir selbst können
Prozentzahlen nicht angeben, da wir, wie später noch ausgeführt werden
wird, in einer großen Reihe von Fällen von vornherein den Tiefschlaf
nicht anstreben und das schon in der Formulierung der einleitenden
Worte zum Ausdruck bringen. Im allgemeinen sind nach unseren Er-
fahrungen die mitgeteilten Prozentzahlen von Tiefschlafhypnosen eher
zu hoch gegriffen. Im übrigen handelt es sich ja bei diesen Statistiken
um eine bunte Mischung heterogensten Materials, so daß sie nur einen
relativen Wert habön. Auch nach unseren Erfahrungen ist die Schlaf-
tiefe im hohen Maß.e vom Lebensalter abhängig. Nach Trömner, dem
wir hier folgen, sind Kinder leicht und tief einzuschläfern, das mittlere
Lebensalter ist mittelschwer zu hypnotisieren, alte Leute sind im all-
gemeinen schwer zu beeinflussen. Nach den übereinstimmenden Er-
fahrungen der Autoren ist die Zahl der Patienten, die vollständig
refraktär sind, eine geringe. Die Prozentzahlen werden zwischen 2 und
6% angegeben. Auch hier sind die Zahlen natürlich sehr von der Art
des Materials abhängig und haben aus diesem Grunde kaum eine absolute
Bedeutung. Bei Kindern unter 5 Jahren wird man sich im allgemeinen
nicht ohne weiteres zu einer hypnotischen Behandlung entschließen,
da es schwer ist, die entsprechende Suggestionsformel zu finden.
Auch ist es fraglich, ob es sinnvoll sei, in einer Zeit, wo das Wach-
leben ähnliche Triebverteilungen aufweist wie die Hypnose selbst,
eine Hypnoseprozedur durchzuführen. Freilich liegen unseres Wissens
über die Hypnosen des früheren Kindesalters zu wenig gesicherte Er-
fahrungen vor.
Die Hypnose kann in sehr verschiedener Art und Weise therapeutisch
verwendet werden. Wir wollen zunächst drei Verwendungsarten von-
einander scheiden:
g4 Allgemeine Richtlinien der Hypnosetherapie.
1. Der hypnotisch erzeugte Schlaf wird als direkter Heilfaktor ver-
wendet.
2. In der Hypnose richtet sich die Suggestion unmittelbar gegen
jenes psychische oder physische Symptom, das zu beseitigen ist.
3. In der Hypnose werden vergessene Erlebnisse wieder in Erinnerung
gerufen und dem Bewußtsein zugänglich gemacht (kathartische Hypnose).
Zu 1. Wetterstrand hat darauf aufmerksam gemacht, daß man
körperlich heruntergekommene Kranke durch langdauernde Hypnosen,
welche über mehrere Tage hin ausgedehnt werden können, ausgezeichnet
ruhigstellen könne. Auch für Neurosen empfiehlt er dieses Verfahren.
Auch wir sind von der unmittelbaren Heilwirkung des Schlafes über-
zeugt und dehnen aus diesem Grunde, wenn die äußeren Umstände es
gestatten, die Tiefschlafhypnose über mehrere Stunden aus, wenn wir
uns überzeugt haben, daß ein Hinübergleiten in einen somnambulen
Ausnahmszustand nicht zu befürchten ist. Es empfiehlt sich aber auch
nach leichten Hypnosen in vielen Fällen die Patienten nach der eigent-
lichen Prozedur der Hypnose für einige Zeit (einige Minuten bis eine
Viertelstunde) im hypnotischen Schlaf zu belassen unter der Suggestion,
sie möchten nur ruhig weiterschlafen, alle Gedanken ,, abschalten", sich
auf sich selbst konzentrieren usw. Auf diese Weise wird ein natürlicher
Übergang, ein allmähliches Übergleiten vom hypnotischen in den Wach-
zustand erzielt und ein allzu brüskes Erwachen vermieden. Wir haben
von diesem Nachschlafen nach der eigentlichen Hypnoseprozedur immer
nur die günstigsten Wirkungen gesehen, in vielen Fällen auch eine Ver-
stärkung der in der Hypnose gegebenen Suggestionen durch den nach-
folgenden Schlaf. Nur in einzelnen Fällen waren wir selbst in der Lage,
wie das Wetterstrand empfiehlt, die Patienten länger schlafen zu
lassen und nur zu den Mahlzeiten zu wecken u. dgl. m. Diese hypnotische
Schlafkur hat sich uns unter anderem bei der Behandlung einer Magen-
neurose sehr bewährt. Die betreffende Patientin suchte total entkräftet,
hochgradig abgemagert die Klinik auf, litt an einem sowohl auf feste
wie auf flüssige Nahrung auftretenden, psychogen motivierten Erbrechen.
Die hypnotische Schlafkur zeitigte hier schon innerhalb weniger Tage-
einen bedeutenden Erfolg, der bald bis zur normalen Nahrungsaufnahme
ohne Erbrechen gesteigert werden konnte. Gelegentlich kann diese
Schlaf kur durch Abgabe von kleineren Schlafmitteldosen wirksam unter-
stützt werden. Durch Kombination von Dauerhypnosen und Schlaf -
mittelabgabe können die Patienten oft tagelang in einem Schlafzustand
gehalten werden, was sich uns besonders bei der Behandlung hart-
näckiger, auch organischer Tics und motorischer Reizerscheinungen über-
haupt sehr bewährt hat (vgl. hierzu auch den Somnifendauerschlaf bei
Schizophrenie von Kläsi). Derartige Schlaf kuren werden im allgemeinen
nur dort möglich sein, wo für entsprechende Überwachung gesorgt ist.
Allgemeine Richtlinien der Hypnosetherapie. 85
Auch bei der Schlafmittelhypnose dürfte die unmittelbare Schlafwirkung
mit von Bedeutung sein. Wir glauben, daß neben der physischen Wir-
kung des Schlafes auch die psychische Bearbeitung von Bedeutung ist,
welche der Mensch während des Schlafes seinen Erlebnissen zuteil werden
läßt. Es ist selbstverständlich, daß nur sehr tiefe Hypnosegrade für die
Ausnützung der Schlaf Wirkung als solcher in Frage kommen.
Zu 2. Die direkte Suggestion kann sowohl im oberflächlichen als auch
im Tief schlafe gegeben werden und wirken. Sie kann sich gegen das
Symptom als solches richten und soll dann möglichst detailliert gegeben
werden. Wenn wir etwa gegen Schlaflosigkeit vorgehen, so werden wir
uns nicht damit begnügen, dem Patienten zu sagen: ,,Sie werden gut
schlafen", sondern wir werden, angepaßt an seine Lebensgewohnheiten,
sagen: „Sie werden um diese und diese Zeit müde und schläfrig werden,
Sie werden zu Bett gehen, werden ein Gefühl der Schwere in allen Gliedern
haben, Sie werden sehr schläfrig sein, die Augen werden Ihnen zufallen,
Sie werden tief und fest einschlafen, Sie werden ungestört von irgend-
welchen quälenden Träumen die ganze Nacht hindurch schlafen und
am Morgen um soundso viel Uhr erquickt aufwachen." Gelegentlich
empfiehlt es sich sogar, hinzuzufügen, daß der Patient nach Befriedigung
eines Bedürfnisses ruhig weiterschlafen werde.
Wenn sich die Suggestion gegen hysterische Anfälle richtet, so wird
es zweckmäßig sein, sich genau die Gefühle vor dem Eintreten des
hysterischen Anfalls beschreiben zu lassen und dann die Suggestion zu
geben, daß die Sensationen auch bei Aufregungen nicht auftreten, und
daß aus diesem Grunde der hysterische Anfall nicht erfolgen werde.
Man soll also möglichst detailliert suggerieren unter der peinlichen
Beobachtung der Lebensumstände des Patienten.
Will man organische Symptome beeinflussen oder Symptome, deren
Psychogenese nicht klar zutage liegt, so ist der Weg der direkten Sug-
gestion wie der oben beschriebene der einzig gangbare. Handelt es sich
jedoch um Symptome, deren Psychogenese bekannt und mit einiger
Wahrscheinlichkeit erschlossen ist, so empfiehlt es sich, nicht unmittelbar
gegen das Symptom mit der Suggestion vorzugehen, sondern womöglich
die Suggestion gegen die psychischen Momente zu richten, welche das
Auftreten des Symptoms verschuldet haben. Wir werden also im all-
gemeinen es vorziehen, etwa einer Kranken, welche immer dann hyste-
rische Anfälle bekommt, wenn sie eine bestimmte Person sieht, nicht ledig-
lich zu suggerieren, daß sie bei dem betreffenden Anlasse ruhig bleiben
soll, sondern wir werden uns bemühen, in Erfahrung zu bringen, woher
diese Person zu ihrer krankmachenden Wirkung gelange, werden die
Erinnerungen untersuchen, welche etwa beim Erscheinen dieser Person
auftauchen, und werden versuchen, die Erinnerungen zu entkräften.
Wir haben kürzlich einen jungen Mann behandelt, der bei Prüfungen
$(5 Allgemeine Richtlinien der Hypnosetherapie.
aus dem Gefühl lebhafter Angst und Befangenheit heraus versagte. Es
erwies sich, daß in den Prüfungen die Angst vor dem überstrengen Vater
wieder aufgelebt war. Die Suggestion richtete sich nicht lediglich gegen
die Prüfungsangst, sondern auch gegen die angstvolle Stellungnahme
gegenüber dem Vater. Wir versuchen also stets bis zu den psychischen
Ursachen vorzudringen und bekämpfen diese psychischen Ursachen
mittels der Suggestion. Man sieht aber sofort, daß zu derartiger Behand-
lung vertiefte Beschäftigung mit dem Patienten unbedingt erforderlich
ist. Wir sind der Ansicht, daß diese vertiefte Beschäftigung mit dem
Patienten dann ersprießlicher sein wird, wenn man über psychoana-
lytische Kenntnisse verfügt, und wenn man in der Lage ist, die psycho-
analytische Technik bei den der Hypnose vorangehenden Gesprächen
in Anwendung zu bringen. Darüber später noch einiges mehr.
Zu 3- Die Grundlagen der kathartischen Hypnose beruht auf der
Annahme, daß das neurotische Symptom auf verdrängten eingeklemmten
Affekten beruhe. Die Hypnose hebt Hemmungen und Verdrängungen
auf und befreit den eingeklemmten Affekt (Breuer). Wir haben über
das Grundsätzliche bereits berichtet. Wir haben auch bereits hervor-
gehoben, daß die Hypnose nur den Zugang zu den Erlebnissen des
Systems Vbw. eröffnet, aber nicht zu den Erlebnissen des Systems Ubw.
Dieses ist aber die Hauptquelle der neurotischen Symptome, und wir
werden schon hier darauf aufmerksam gemacht, daß die kathartische
Hypnose sich häufig als insuffizient erweisen werde. Man beseitigt durch
die Katharsis oberflächlicher liegendes traumatisches Material, was unter
Umständen Heilung herbeiführen kann, ist aber gegenüber wichtigem,
tiefer verdrängtem Material oft machtlos. In def Tat sind unsere eigenen
Ergebnisse mittels der kathartischenHypnose nicht sehr zufriedenstellend.
Es muß aber angeführt werden, daß andere Autoren, wie Kohnstamm
und Friedfmann, Frank und Bezzola viel günstigere Ergebnisse erzielt
haben und daß trotz allem die kathartische Hypnose als ernsthafte
therapeutische Methode gewertet werden muß. Sehr häufig gibt aber,
wie erwähnt, der Patient während der Hypnose nicht andere Auskünfte
als im Wachzustand, dann wieder gibt er nur Dinge an, die er selbst
schon gewußt hat, aber verschwiegen hatte und schließlich ist das
Material, das wirklich vergessen war und durch die Hypnose zutage
gefördert wurde, oft nicht von hinreichend großer Bedeutung. Für
die Behandlung mittels der kathartischen Hypnose kommen selbst-
verständlich nur Neurosen in Betracht, organische Störungen entziehen
sich ihr vollkommen. Im allgemeinen wird für die Katharsis tiefe
Hypnose erwünscht sein. Doch hat Freud bereits angegeben, daß bei
Patienten, welche der Tiefhypnose nicht zugänglich sind, auf leichte
suggestive Maßnahmen hin, Einfälle erfolgen. Diese unter suggestivem
Einfluß erfolgten Erinnerungen führen in direkter Linie zu der späteren
Allgemeine Richtlinien der Hypnosetherapie. #7
Methodik der Psychoanalyse, zu der Methodik des freien Einfalls.
Betonen wir, daß die Methode des freien Einfalls zweifellos die weitaus
tieferdringende und ergebnisreichere ist. Frank bedient sich zur Herbei-
führung der Katharsis gleichfalls der oberflächlichen Hypnose. Einige
Bemerkungen über die Technik der kathartischen Hypnose, die auch
bei der Aufhellung von Amnesien, wenn diese aus irgendeinem Grunde
wünschenswert erscheint, in Anwendung gebracht wird, sind hinzu-
zufügen. Wir müssen damit rechnen, daß die Aufhellung nicht in einer
oder in wenigen Sitzungen erfolge. Die Aufhellung erfolgt vielmehr in
mühsamer Arbeit stückweise. Man vergleiche hierzu etwa die Beob-
achtung von Naef, welcher eine große amnestische Lücke schrittweise
aufgehellt hat. Bei der Aufhellung amnestischer Lücken muß man
ebenso wie beim Vordringen zu den Ursachen eines neurotischen Sym-
ptoms irgendeinen Ausgangspunkt wählen. Bei den amnestischen Lücken
kann man entweder von der letzterinnerten Situation ausgehen oder
von der ersten Erinnerung nach der Wiederkehr des Normalzustandes.
Von dort aus muß man sich schrittweise vorwärtstasten, immer gewärtig,
daß diese oder jene Angabe sich als unrichtig erweise. Es empfiehlt
sich daher, gelegentlich wieder neu von den gekennzeichneten Ausgangs-
punkten auszugehen.
Bei der kathartischen Neurosenbehandlung ist das Symptom der
natürliche Ausgangspunkt. Bereits die ersten Beobachtungen von
Breuer und Freud haben ergeben, daß es nicht genügt, irgendeine der
psychischen Ursachen eines Symptoms aufzudecken, sondern daß alle
Gelegenheiten aufgedeckt werden müssen, welche das Symptom hervor-
gerufen haben. In der Mehrzahl der Fälle wird der Gang der Re-
amnesierung der sein, daß die Untersuchung von den letzten Anlässen
her immer weiter in die Vergangenheit bis in die Kindheit zurückschreitet.
Auch hier wird man stets fragen müssen, ob die von den Patienten
gebrachten Erinnerungen Erinnerungen oder Phantasien seien. Sehr
häufig kann eine solche Entscheidung nicht ohne weiteres getroffen
werden. Sie ist auch für den therapeutischen Effekt gleichgültig, es
handelt sich ja bei der kathartischen Hypnose nicht um die Feststellung
der historischen Wirklichkeit, denn hinter den erdichteten Phantasien
können sich wichtige psychische Realitäten verbergen und es mag schon
der in den Phantasien gegebene verschleierte Hinweis für den Patienten
von therapeutischer Bedeutung sein. Grundsatz jeder kathartischen
Neurosenbehandlung muß es sein, daß möglichst viele, ja womöglich
alle1) der psychischen Ursachen eines Symptoms aufgedeckt werden
müssen, bevor das Symptom endgültig verschwindet. Man darf also
nicht erwarten, daß ein Symptom verschwinde, wenn der eine oder der
andere Anlaß des Symptoms aufgedeckt ist.
x) Strenggenommen ist die Aufdeckung aller Ursachen eine unlösbare Aufgabe.
gg Allgemeine Richtlinien der Hypnosetherapie.
Nach unseren ganzen Ausführungen halten wir die Methode der un-
mittelbaren therapeutischen Suggestion für die wesentlichste. Sie hat
nicht nur die breiteste Anwendungsmöglichkeit, sondern ist auch im
allgemeinen die wirksamste. Wir pflegen dieses Verfahren als das
Normalverfahren anzuwenden. Bei lediglich organischen Symptomen
ist der Behandlungsplan ein außerordentlich einfacher. Die Hypnose
wird möglichst vertief t, und ist eine entsprechende Hypnosetiefe erreicht,
so wird die therapeutische, direkt gegen das Symptom gerichtete Sug-
gestion möglichst eindringlich und klar formuliert. Die Behandlung
muß oft wiederholt werden. Handelt es sich um eine Neurosenbehand-
lung, so verwenden wir bisweilen einige (2—3) Stunden zur psycho-
analytisch orientierten Aussprache mit dem Patienten. Erst dann be-
ginnen wir mit den hypnotischen Sitzungen, denen wir aber stets Aus-
sprachen vorausschicken. Das in der Aussprache Ermittelte wird zur
Formulierung der Suggestion verwertet. Auch in den folgenden Sitzungen
verwenden wir einen erheblichen Teil der zu Gebote stehenden Zeit auf
die Aussprache und achten streng darauf, daß die Suggestion möglichst
individuell gestaltet sei. Bei Neurosen legen wir im allgemeinen der
Vertiefung der Hypnose keinen besonderen Wert bei und konzentrieren
unsere Energie auf die Aufhellung des psychischen Zustandes des
Patienten. Im allgemeinen pflegen die ersten Zeichen der Besserung
bei Fällen, die therapeutisch reagieren, sich bald einzustellen; etwa nach
der 3. bis 4. hypnotischen Sitzung. Die Besserung macht dann im all-
gemeinen rasche Fortschritte. Ist Symptomfreiheit erzielt, so soll man
die Behandlung gleichwohl nicht sofort abbrechen. Rezidive nach der
ersten Befreiung von den Symptomen sind häufig, so daß wir das erste
Rezidiv sogar erwarten und erst nach dessen Beseitigung mit einer
Heilung rechnen. Es ist begreiflich, daß derartige Hypnosebehandlungen
nicht in einer ganz kurzen Zeitspanne erledigt werden können. Wir
rechnen durchschnittlich auf 15—25 Sitzungen bei auch nur einiger-
maßen ernsthaften Neurosen. Es wird später noch zu erwähnen sein,
daß die Hypnose bei schweren Neurosefällen nicht ausreichend ist.
Hier tritt die Psychoanalyse in ihre Rechte. Näheres bezüglich der
Indikationsstellung der Hypnosebehandlung werden wir noch im spe-
zielleren Teil ausführen. Ein besonderes Gewicht ist während jeder
Hypnosebehandlung darauf zu legen, daß der Patient angehalten wird,
nicht dem Arzt zuliebe seine Symptome aufzugeben, sondern daß er
sich selbst zuliebe auf seine Symptome verzichten lerne. Man wird
den Patienten dazu zwingen, den Sinn seiner Symptome mehr oder
minder tief einzusehen und auf seine Symtome verzichten zu lernen.
Überhaupt muß bei der Methode der direkten Suggestion von einer
gewissen Phase der Behandlung an darauf geachtet werden, daß der
Patient erfahre und sich danach richte, daß er aus seiner eigenen Ein-
Allgemeine Richtlinien der Hypnosetherapie. go,
Stellung heraus die Symptome zum Schwinden zu bringen habe. Man
wird natürlich nicht gut tun, die Betonung der Selbständigkeit in der
ersten Phase der Behandlung zu forcieren, wohl aber muß der Verweis
auf den eigenen Willen des Patienten in den späteren Formulierungen
immer wieder durchgeführt werden. Niemals wird man auf jene Bilder
würdeloser Abhängigkeit des Hypnotisierten vom Hypnotiseur stoßen,
auf jene Hörigkeit des Hypnotisierten gegenüber dem Arzt, welche die
älteren Hypnotiseure so häufig angestrebt haben, und welche mit Recht
als Hypnoseschädigung gefürchtet werden. Der eine von uns hat zu
Beginn seiner ärztlichen Tätigkeit noch Gelegenheit gehabt, solche
Hypnosehörigen als Überbleibsel einer früheren Zeit zu sehen. Im Wesen
der Hypnose liegt derartiges gewiß nicht, und bei zureichender Technik
können derartige Kunstprodukte leicht vermieden werden. Ja, man
könnte geradezu sagen, es bedarf einer besonderen Bemühung in der
verkehrten Richtung, damit derartige Bilder zustande kommen. Es darf
nicht der Ehrgeiz des Hypnotiseurs und des Psychotherapeuten über-
haupt sein, den Patienten möglichst stark an sich zu binden. Jede
psychotherapeutische Bindung des Patienten an den Arzt hat ja letzten
Endes nur den Zweck, den Patienten zum eigenen freien Erleben zu
bringen und ihn von jenen Hemmungen zu befreien, welche dei Ent-
faltung seiner Persönlichkeit im Wege stehen. Jede psychotherapeutische
Bindung muß also gelöst werden und es ist eine wichtige Phase jeder
Psychotherapie, daß diese Lösung kunstgerecht vollzogen werde. Die
Einsicht in das Wesen dieser Vorgänge verdanken wir der Lehre Freuds
von der Übertragung, auf die wir eindringlich verweisen.
Wir haben immer wieder betont, daß die Hypnose ein regressiver
Zustand sei: Die Rückkehr zu einem undifferenzierteren und ungestal-
teren Sein. Man könnte fragen, welchen Sinn es denn haben könne,
ein solches Aufgeben von Differenzierungen zu erzwingen. Man ver-
kenne nicht die Bedeutung des Chaos oder des Primitiven, denn von
hier aus nimmt jede neuere Gestaltung ihren Ausgang. Hier im System
Ubw. Freuds, in der Sphäre, liegen die Quellen des Schöpferischen.
Die ärztliche Hypnose schmilzt fehlerhafte Differenzierungen ein und
zwingt das Individuum, ein Seelenleben von höherer Anpassungsfähig-
keit und besserer Durchdringung der Realität wieder aufzubauen. Der
Wiederaufbau erfolgt eben unter der Leitung der Persönlichkeit des
Arztes. Im Rapportverhältnis liegt eben ein wesentliches Bestandstück
der Hypnose. Hierin und in der relativ geringen Tiefe der Rückkehr
zum Ungestalteten, in den Vorbehalten der Hypnotisierten liegt jene
eigentümliche Schwäche des Hypnotisierten, welche ihn so tief unter
den wirklich Schaffenden und den wirklich Liebenden stellt.
Hier ist Gelegenheit, noch einmal auf die Lehre von Coue und Bau-
douin mit einigen Worten einzugehen. Beide begehen einen grund-
OQ Spezielle Hypnosetherapie.
legenden psychologischen Irrtum, wenn sie die Rolle des Mitmenschen
in der Suggestion und in der Hypnose verkennen. Baudouin irrt auch,
wenn er der Willensentscheidung der Persönlichkeit grundsätzlich einen
hemmenden Einfluß zuschreibt. Es ist nicht richtig, wenn er die An-
sicht vertritt, die Willensentscheidung verschärfe das neurotische Sym-
ptom. Auch die Willensentscheidung stützt sich auf Kräfte aus dem
System Ubw. und ruft solche Kräfte in dem Individuum wach. Der
Willensentscheid kann störend wirken, wenn er vom System Ubw. nicht
die richtige Unterstützung findet. Wir haben aber keinen Grund, auf
jene mächtige Unterstützung der Willensentscheidung zu verzichten,
und wenden uns besonders in der zweiten Phase der Behandlung ohne
Zögern auch an die rationale Persönlichkeit des Erkrankten, sowohl bei
oberflächlichen als auch bei tief Hypnotisierten. Mit anderen Worten,
wir verschmähen es durchaus nicht, in gewissen Phasen der Behandlung
die Beeinflussung in oberflächlicher und tiefer Hypnose mit einer Dia-
lektik zu verbinden, welche etwa der DuBOisschen Persuasionsmethode
angenähert ist.
XIII. Spezielle Hypnosetherapie.
Aus dem oben Angeführten geht hervor, daß wir es nicht für richtig
halten, in jedem Fall unser Hauptaugenmerk der Vertiefung der Hypnose
zuzuwenden. Nun ist die Entscheidung, ob wir für eine Behandlung
oberflächliche oder tiefe Hypnose brauchen, deswegen wichtig, weil wir
von allem Anfang an den Patienten entsprechend vorbereiten müssen.
Wir werden uns also fragen, bei welchen Zuständen wir Tiefhypnose
brauchen, und bei welchen Zuständen wir mit oberflächlicher Hypnose
auskommen. Hier kann folgende allgemeine Regel gegeben werden:
Tiefe Hypnose ist im allgemeinen notwendig:
1. bei Aufhellung von Amnesien1), 2. bei der Beeinflussung organischer
Symptome, 3- zur Festigung des Entwöhnungswillens bei Süchtigen.
Die Tiefhypnose ist grundsätzlich nicht notwendig bei neurotischen
Störungen, wenn auch gelegentlich bei solchen tiefe Hypnose wünschens-
wert sein kann.
Wenden wir uns nun den speziellen Aufgaben zu.
A. Behandlung organischer Erkrankungen.
Jede Erkrankung ist in ihrer Erscheinungsweise und in ihrem Bilde,
wie das der eine von uns wiederholt betont hat, weitgehend von der
zentralen Stellungnahme der Persönlichkeit abhängig. Man hat hierbei
gar nicht immer das Recht, von psychogenen Zutaten zu sprechen.
x) Allerdings verwirft Frank bei seinen kathartischen Hypnosebehandlungen
die Tiefhypnose und arbeitet mit mitteltiefen Hypnosen.
Behandlung organischer Erkrankungen. 91
Psychotherapie wird nun, ganz abgesehen davon, ob sie imstande ist,
das Grundleiden zu beeinflussen, durch die Beeinflussung zur Stellung-
nahme Wesentliches erzielen können. Solches gilt etwa von den Be-
schwerden Herzkranker und von den ängstlichen Erwartungen, welche
die Herzkranken an ihre Krankheit knüpfen können, die gelegentlich
geradezu unter dem Bilde der Angstneurose die äußere Erscheinung der
Krankheit beherrschen. Sehr häufig wird einfacher Zuspruch, Persuasion
u. dgl. genügen, um die Stellungnahme des Patienten in günstiger Weise
zu beeinflussen. Häufig wird jedoch Hypnose notwendig werden, die
freilich mit aller Schonung und Vorsicht einzusetzen hat. Gerade bei
diesen Fällen wird man sich im allgemeinen zu langwierigen Psycho-
analysen nicht entschließen. Im wesentlichen kommen für derartige
Behandlungen, deren Erfolg sich nach } — 4 Sitzungen bereits ankündigen
muß, chronische Erkrankungen in Frage: Gelenks- und Knochen-
erkrankungen, Carcinose u. dgl. m. Von den Krankheiten des Nerven-
systems verdient von diesem Gesichtspunkt aus die multiple Sklerose
eine besondere Beachtung, deren Erscheinungsweise so stark mit
psychogenen Momenten durchsetzt ist. Wir haben ja schon im voran-
gehenden betont, daß für jede organische Erkrankung die Stellungnahme
der Persönlichkeit mit in Frage kommt, ohne daß wir etwa, wenn der
Wille zur Kompensation organischer Störungen nicht ausreichend ist,
das Recht hätten, ohne weiteres von Hysterie od. dgl. zu sprechen.
Auch der Wille zur Kompensation einer organischen Gleichgewichts-
störung kann durch Psychotherapie erheblich verbessert werden. Die
verblüffenden Erfolge, welche man beim Beginn einer Übungsbehand-
lung der Tabes dorsalis nicht selten sieht, können wohl am besten auf
diese Art erklärt werden. Der Kranke gibt ja bisweilen den Kampf
gegen ein Symptom, das bei richtiger Anleitung und Einstellung kompen-
sierbar wäre, oft allzufrüh auf. Bei gewissen Gebieten scheinbar orga-
nischer Erkrankungen ist es schwer, das Organische von dem Funktio-
nellen zu trennen. Es gilt das insbesondere von den Magen-Darm-
erkrankungen. Oben wurde ja ausführlich auseinandergesetzt, welch
starken Einfluß das Psychische auf Motilität und Sekretion des Darmes
hat. Auch zweifellos organische Veränderungen im Bereiche des Magen-
Darmtrakts, etwa eine Dilatation und Ptosis des Magens, macht erst
dann Erscheinungen, wenn psychische Momente hinzutreten. Das heftige
Erbrechen solcher Kranker, ihre kaum erträglichen Beschwerden schwin-
den oft überraschend schnell in einer Hypnosebehandlung, welche nach
den Grundsätzen der Neurosenbehandlung zu erfolgen hat. Fälle von
Hyperemesis gravidarum und zwar auch solche, an deren Entstehung
neben psychischen auch toxische Momente mitwirken, sind ein günstiges
Objekt der Hypnosetherapie. Bestimmte Formen der Stuhlträgheit sind,
wie Forel hervorgehoben hat und wie wir selbst bestätigen können,
Q2 Spezielle Hypnosetherapie.
durch psychische Behandlung sehr häufig günstig beeinflußbar. Hier
wird nicht einmal immer tiefe Hypnose notwendig sein. Sehr viele
von den Magen- und Darmneurosen mit mehr oder minder ausgeprägter
organischen Symptomen sind freilich als Neurosen zu werten, und sie
brauchen das ganze Rüstzeug der Neurosentherapie, d. h. man wird
ohne Psychoanalyse nicht weiterkommen, wenn es sich um schwerere
Fälle handelt. Man wird jedoch besonders bei akuten Fällen gelegentlich
mit der Hypnose Ausgezeichnetes erreichen. So haben wir bei einem Sin-
gultus bei einer Sarkomatose des Peritoneums, der im Anschluß an eine
zum Zwecke exakterer Untersuchung vorgenommene Äthernarkose ein-
getreten war und jeder anderen Therapie getrotzt hatte, mit zwei
Sitzungen einen prompten Erfolg erzielt. Auf gynäkologischem Gebiete
sind Fluorerscheinungen, Menstruationsbeschwerden, Hyperemesis
gravidarum von Forel, Hallauer, Liepmann, Mayer wiederholt mit
gutem Erfolge behandelt worden. Über die Behandlung der vaginalen
Anästhesie werden wir später noch einige Worte hinzufügen. Bei der
Behandlung derartiger Störungen wird man sich wohl stets fragen
müssen, was von diesen Störungen als Organneurose aufgefaßt werden
kann, also als eine am bestimmten Organ lokalisierte Neurose, und was
als unmittelbare organische Störung aufgefaßt werden muß. Überwiegt
der organneurotische Anteil, so sind die allgemeinen Grundsätze der
Neurosenbehandlung zur Anwendung zu bringen, über die wir später
im Zusammenhang sprechen werden. Über hypnotische Beeinflussung
von Hauterkrankungen berichtet Bunnemann.
Das Asthma bronchiale kann gelegentlich durch Hypnose beeinflußt
werden. Doch scheint diese Beeinflussung nicht leicht zu erzielen zu
sein, wir selbst haben entsprechende Erfolge nicht erzielt.
Auch als nicht psychogen kenntliche Störungen im vegetativen
Nervensystem, wie z. B. Hyperhydrose, erweisen sich bisweilen durch
tiefe Hypnose beeinflußbar.
Kohnstamm und Friedemann haben über die Heilung eines Base-
dow durch Hypnose berichtet. Als Normal verfahren zur Basedow-
Behandlung kommt allerdings die Hypnose keineswegs in Frage.
Alle Möglichkeiten der psychischen Beeinflussung sind ausführlich
berücksichtigt in dem Sammelwerk von O. Schwarz : Psychogenese und
Psychotherapie von Organsymptomen. Wir verweisen auf dieses Werk,
betonen jedoch ausdrücklich, daß die Bearbeiter der einzelnen Abschnitte
die Behandlungsmethode der regulären Psychoanalyse viel zu gering
einschätzen. Diese ist die Methode der Wahl zur Behandlung schwerer
neurotischer Störungen, gleichgültig, ob diese sich in Organsymptomen
auswirken oder nicht. Die Hypnose ist lediglich die Methode für die
leichten und mittelschweren Fälle und ist auch bei der Behandlung der
schweren Fälle häufig symptomatisch von großem Vorteil.
Hypnotische Schmerzbeeinflussung und Hypnonarkose. m
B. Hypnotische Schmerzbeeinflussung und Hypnonarkose.
Eine besondere Stellung innerhalb der Hypnosetherapie hat die Ver-
wertung der Hypnose zur Ausschaltung der Schmerzen. Daß psychogene
Schmerzen durch Hypnose beeinflußbar sind, ist selbstverständlich. Aber
eine auch nur oberflächliche Beschäftigung mit dem Schmerzproblem
ergibt, daß die Gesamtstellung des Individuums von sehr wesentlicher
Bedeutung für die Wahrnehmung und Einschätzung des Schmerzes ist.
Der Schmerz muß verschiedene psychische Stationen passieren, bevor
er in seiner endgültigen Form erscheint. Die Endstationen sind zweifel-
los von der Hypnose her beeinflußbar. Freilich ändert die Hypnose
sicherlich auch die Blutversorgung der analgetisch gemachten Stellen
und wir wissen aus einer ganzen Reihe von Untersuchungen, daß durch
Suggestion analgetisch gemachte Extremitäten bei Stichen weniger
bluten. Wir sind also der Ansicht, daß die Analgesiesuggestion auch
vasovegetative Apparate abändert, und es ist noch außerordentlich
fraglich, ob sich diese Abänderung lediglich auf den Blutgefäßapparat
bezieht. Es muß immerhin zu denken geben, daß Schmerzen, welche
aus Organen mit glatter Muskulatur stammen, doch leichter beeinflußbar
sind als Schmerzen, welche anderer Genese sind. Doch ist das experi-
mentelle Material über diesen Punkt nicht groß genug, um zu einem
endgültigen Resultat zu kommen. Die Hypnose kann als solche ver-
wendet werden zur Durchführung von kleinen Operationen. Tiefhypnose
wird dabei im allgemeinen wünschenswert sein. Zahnärztliche Eingriffe
sind wiederholt in Hypnose gemacht worden. Es fragt sich, ob der
immerhin recht unsichere Erfolg derartiger Bemühungen zur aufgewen-
deten Mühe im richtigen Verhältnis steht. Zur Durchführung größerer
Operationen genügt die Hypnose jedenfalls nicht. Hier scheint aber
ein Verfahren besonders bedeutsam, das in letzter Zeit besonders von
Friedländer empfohlen wird, nämlich die Hypnonarkose; da es sich
im Grunde nicht um eine Beeinflussung des Schmerzes in der Hypnose
handelt, sondern um eine Unterstützung der Narkose durch die Hypnose,
werden wir erst etwas später eingehender über dieses Verfahren sprechen
und wenden uns zunächst zu den Versuchen, die Geburtsschmerzen
durch die Hypnose zu lindern und aufzuheben. Hallauer verwendet
psychische Beeinflussung gleichfalls zur Unterstützung der Narkose und
spart so Narkosemittel. Umgekehrt verwendet er Chloroform zur Er-
leichterung der Hypnose.
Versuche, Geburten durch Hypnose schmerzlos zu machen, stammen
schon aus der älteren Zeit der Beschäftigung mit der Hypnose. Kogerer
hat jüngst über günstige Erfahrungen berichtet. Man kann die Patien-
tinnen während der Geburt in einen hypnotischen Schlaf versetzen. Nach
dem Erwachen aus dem hypnotischen Schlaf wissen die Patientinnen
Q4 Spezielle Hypnosetherapie.
nichts über die Geburt. Sie sind amnestisch für die Geburt. Eine Reihe
von Autoren befürchtet, daß durch ein derartiges Verfahren den Frauen
das Geburtserlebnis genommen werde und hierdurch die richtige mütter-
liche Zuneigung Einbuße erleiden könne. Kogerer bevorzugt deshalb ein
Verfahren, in welchem er während der Geburt nur Anästhesie suggeriert
und den Frauen das Geburtserlebnis, den Geburtsschmerz ausgenommen,
beläßt. Wir müssen vom allgemeinen Gesichtspunkt aus, ganz abgesehen
von der psychologischen Wertigkeit des Geburtserlebnisses für die Frau,
betonen, daß ja auch Erlebnisse der Tiefhypnose dem individuellen
Bestände des Seelischen zugehören, so daß die Mutter das Geburts-
erlebnis auch dann hat, wenn sie amnesiert. Dieses Erlebnis könnte
durch eine neuerliche Hypnose ohne weiteres dem Bewußtsein wieder
zugänglich gemacht werden. Es wäre der Mühe wert, derartige Versuche
zu machen, wobei es von besonderem Interesse wäre, festzustellen, in
welcher Weise der Geburtsschmerz in derartigen Fällen nacherlebt wird.
Uns ist es bei Hypnoseversuchen wiederholt aufgefallen, daß bei Auf-
hellung von Amnesien in der Hypnose applizierte Schmerzreize an
analgetisch gemachten Körperstellen häufig besonders schwer wieder
erweckt werden können. Die Problematik der Hypnoseanalgesie scheint
uns derzeit noch nicht vollständig geklärt zu sein, da wir nicht wissen,
wie groß der Anteil der peripheren Schmerzbeeinflussung und Ver-
minderung ist. Es ist übrigens bemerkenswert, daß fast sämtliche
Autoren, welche sich mit der Schmerzbefreiung durch Hypnose bei
Geburten beschäftigen, angeben, daß sie auch die Wehentätigkeit be-
einflußt hätten. Im allgemeinen wird für die hypnotische Schmerz-
beeinflussung der Gebärenden eine Vorbereitung in der Schwangerschaft
notwendig sein. Es ist unwahrscheinlich, daß auf der Höhe der Schmer-
zen der entsprechende Rapport zwischen Hypnotiseur und der Patientin
hergestellt werden kann. Das Verfahren der hypnotischen Geburts-
analgesie und der Geburt in der Hypnose dürfte wegen der immerhin
etwas umständlichen Vorbereitung nicht zur allgemeinen Verbreitung
geeignet sein, ist aber im geeigneten Einzelfall sicherlich empfehlenswert .
Daß die Hypnose allein zur Durchführung größerer Operationen nicht
genügt, wurde bereits hervorgehoben. Wohl aber kann die Hypnose
die Narkose in wirksamer Weise unterstützen. Friedländer gibt an,
daß erhebliche Mengen des Narkoticums erspart werden können, wenn
die Patienten vorher hypnotisiert werden (ebenso Hallauer). Wir
halten diese Angabe für durchaus glaubhaft, sie entspricht völlig unseren
theoretischen Überzeugungen in bezug auf das enge Ineinandergreifen
psychischer und physischer Faktoren. Da es zweifellos für den Patienten
von großer Wichtigkeit ist, daß die Menge der Narkotica nicht allzu
groß sei, müßte, falls das Verfahren sich auch weiterhin bewährt, ge-
fordert werden, daß das Verfahren bei jeder Narkose angewendet werde.
Die Behandlung neurotischer Störungen. 95
Die Hypnonarkose stellt das theoretische Gegenstück zur Schlafmittel-
hypnose dar und scheint uns ein wichtiger Hinweis auf ein therapeu-
tisches Prinzip zu sein, dem vielleicht in der Zukunft nicht nur auf dem
Gebiete der Narkotica und Hypnotica, sondern ganz allgemein eine
größere Bedeutung zukommen dürfte. Wir meinen das Prinzip, daß
psychische Einwirkungen durch medikamentöse unterstützt werden
können und anderenteils medikamentöse und körperliche auf psychischem
Wege zu voller Wirksamkeit gebracht werden können. Hier eröffnet
sich eine neue bedeutsame Anwendung einer künftigen Pharmako-
psychoanalyse. Der eine von uns hat auf dieses wichtige Gebiet zu-
künftiger Forschung wiederholt hingewiesen.
C. Die Behandlung neurotischer Störungen.
Trotz der oben erwähnten bedeutsamen Anwendungsgebiete der
Hypnosetherapie bleibt das Hauptanwendungsgebiet der Hypnose das
Gebiet der Neurose. Freilich darf man dabei nie außer acht lassen, wie
wir das bereits wiederholt betont haben, daß die Hypnose nur ein tech-
nisches Hilfsmittel zur Behandlung und nicht die Behandlung selbst
ist. Die allgemeinen Grundsätze der Neurosenbehandlung wird man
auch bei der Hypnosetherapie nicht außer acht lassen dürfen. Einer
der wichtigsten Grundsätze ist, daß man den Patienten stets zwingen
muß, gegen das neurotische Symptom zu handeln. So ist es notwendig,
den Angstneurotiker in jene Situation hineinzuzwingen, welche ihm die
Angst verursacht. Sind beispielsweise Schluckbeschwerden vorhanden,
so wird man darauf bestehen müssen, daß der Patient gerade jene Speise
ißt, welche ihm Schlingbeschwerden macht u. dgl. m. Fast stets erweist
sich das Zurückweichen vor dem Symptom als unzweckmäßig. Freilich
wird man mit dem Zwang gegen das Symptom im allgemeinen erst dann
einsetzen können, wenn eine gewisse Bindung an den Arzt bereits erreicht
ist. Auch bei psychoanalytischen Behandlungen fordert der Grundsatz
der aktiven Therapie, den Patienten etwa in die angstgebende Situation
hineinzuzwingen. Der Psychoanalytiker weiß, daß hierbei tiefliegendes
verdrängtes Material zum Vorschein kommt, das dann durch die Analyse
aufgelöst werden kann. Aber auch bei der nichtanalytischen ,, aktiven"
Therapie wird offenbar das gleiche verdrängte Material dem Zugriff
des Psychotherapeuten erst bei solcher Behandlung faßbar. Auch
während einer Hypnosebehandlung wird unter Umständen Trennung aus
der gewohnten Umgebung notwendig werden, wenn wir auch der An-
sicht sind, daß im allgemeinen die Bedeutung der Loslösung vom Milieu
überschätzt zu werden pflegt. Wenn wir nun die verschiedenen neuro-
tischen Störungen einzeln besprechen, so gehen wir bei ihrer Einteilung
nicht von dem Gesichtspunkt wissenschaftlicher Systematik aus, sondern
berücksichtigen in der Einteilung mehr die praktischen Bedürfnisse.
Q(5 Spezielle Hypnosetherapie.
1. Aktualneurosen. Unter Aktualneurosen faßt Freud jene Neu-
rosen zusammen, welche von einer unmittelbaren sexuellen Schädigung
ihren Ausgangspunkt nehmen. Ihr Hauptkennzeichen ist Angst. Wir
können auch von akuten Angstneurosen sprechen. Wenn auch die
sexuelle Unbefriedigung , bedingt durch Abstinenz oder irgendwelche
unbefriedigende Formen des Sexualverkehrs, sei es nun Coitus inter-
ruptus, condomatus u. dgl. m., im Vordergrunde steht, so ist doch nie-
mals die körperliche Unbefriedigung allein das Maßgebende. Die körper-
liche Unbefriedigung wird erst dann krankmachend, wenn psychische
Momente hinzutreten. Das Wesentliche ist die psychosexuelle Nicht-
befriedigung, der allerdings von körperlicher Seite her Vorschub geleistet
wird. Dieser Gesichtspunkt ist therapeutisch deshalb wichtig, weil die
körperliche Unbefriedigung einesteils aus äußeren Gründen nicht immer
abgeändert werden kann, anderenteils die erreichte körperliche Be-
friedigung die Neurose dann nicht aufhebt, wenn sie nicht entsprechend
psychisch vorbereitet ist und so auch zur psychischen Befriedigung führt.
Es kommt ja dem Arzte keineswegs zu, Personen, die sexuell zurück-
haltend leben, gegen deren Überzeugung in die mannigfaltigen Gefahren
des außerehelichen Geschlechtsverkehrs hineinzudrängen. Ganz ab-
gesehen davon, daß dieser in befriedigender Form für viele nicht ohne
weiteres erreichbar ist. Auch das Beiseitelassen von Vorsichtsmaßregeln
im ehelichen Verkehr ist sehr häufig aus einer Reihe von Gründen nicht
möglich. Anderenteils ist der Arzt gehalten, bei allen akuten Angst-
zuständen das Sexualleben der Patienten gründlich zu durchforschen
und mit ihnen durchzusprechen. Aufklärung und Beratung sind sehr
häufig auch dann wirksam, wenn die äußere Form der Sexualbetätigung
nicht abgeändert wird. Allerdings kann man unter Umständen leicht
Sexualschädigungen abstellen. Wir haben wiederholt die Erfahrung
gemacht, daß Ehemänner selbst bei genügender Potenz auf die Be-
friedigung der Frau nicht genügend Rücksicht nehmen, was Ursache
nervöser Störungen sein kann. Hier hat eingehende Belehrung ein-
zusetzen. Im übrigen und gerade bei derartigen Angstzuständen wird
man stets trachten, dem Patienten seiner eigenen Sexualität gegenüber
eine größere innere Freiheit beizubringen. Die Hypnose bei derartigen
Angstzuständen ist meistens nur eine oberflächliche, aber auch diese
genügt vollkommen, und man erzielt gerade bei derartigen Fällen unter
Berücksichtigung unserer sonstigen Grundsätze der Hypnosebehandlung
oft ausgezeichnete Resultate, so daß für derartige Fälle die Hypnose
geradezu die Methode der Wahl ist. Das gilt freilich nur von den akuten
Fällen. Hat der ganze Zustand bereits längere Zeit hindurch bestanden,
so wird die Behandlung schwieriger und man darf bei jenen Fällen
ausgebildeter Phobie, wie Brückenangst, Gehangst u. dgl. m., nicht
ohne weiteres Erfolge erwarten.
Die Behandlung neurotischer Störungen. 97
2. Phobien. Auch hier wird man meist mit oberflächlicher Hypnose
zu arbeiten genötigt sein, wird Erfolge haben, wenn man das psychische
Gesamtbild berücksichtigt, doch wird bei schweren und schon seit langer
Zeit bestehenden Fällen die Psychoanalyse von vornherein die Methode
der Wahl sein. Nur ausnahmsweise wird man auch bei schweren Fällen
den Versuch einer Hypnosebehandlung machen. Der Patient ist immer
wieder in die angstgebende Situation hineinzutreiben. Kommt man mit
oberflächlicher Hypnose nicht zum Ziel, so ist ein Versuch mit Schlaf-
mittelhypnose gerechtfertigt. Diese Grundsätze gelten sowohl von Geh-
und Brückenangst und ähnlichen Störungen als auch von Errötungs-
furcht u. dgl. m.
3. Bei Zwangsneurosen ist die Psychoanalyse, wenn sie nur aus
äußeren Gründen irgendwie durchführbar ist, die Methode der Wahl.
Mittels der Hypnosebehandlung erzielt man nur bei sehr leichten Fällen
Erfolge, deren Dauerhaftigkeit zu wünschen übrig läßt. Verhältnismäßig
günstig für hypnotische Behandlung liegen jene nichtchronischen Fälle
von Zwangsneurose, bei denen ohne starkes Hervortreten des Gesamt-
bildes zwangsneurotischer Charakterzüge die Zwangsneurose in Form
eines Einzelsymptoms, von den übrigen seelischen Inhalten mehr oder
minder isoliert, auftritt. Wir haben in mehreren derartigen Fällen von
Zwangsneurose bei weiblichen Patienten, bei denen sich als Ersatz-
symptom für Fehlen des Sexualverkehrs, dem sadistischen Grundcharak-
ter der Zwangsneurose entsprechend, ihr verdrängtes Sexualverlangen
in einen zwangsmäßig auftretenden Drang, Personen der Umgebung zu
würgen, verwandelt hatte, mit gutem Erfolge und lange dauernden
Remissionen Hypnosebehandlung durchgeführt. Auch hier hat natürlich
regelmäßig analytisch orientierte Symptombesprechung, Rückführung
desselben auf die verdrängte Sexualeinstellung voranzugehen.
4. Beschäftigungsneurosen und Tic. Zur Behandlung des Tics
ist es zweckmäßig, sich zunächst der Methode von Brissaud, Meige
und Feindel zu entsinnen. Sie besteht darin, daß der Patient angehalten
wird, vor dem Spiegel die Unterdrückung des Tics zu erlernen. Er muß
zunächst nur eine kurze Zeit vor dem Spiegel den Tic unterdrücken.
Solche Übungen werden mehrmals während des Tages gemacht und
man muß darauf bestehen, daß sie in der zunächst geforderten kurzen
Zeit einwandfrei gelingen. Die Zeit der Unterdrückung des Tics vor dem
Spiegel wird hierauf systematisch vergrößert. Von besonderer Wichtigkeit
hierbei ist, daß das zuckende Gebiet von den Fingern des Tiqueurs be-
rührt wird. Erst der sensible Reiz ermöglicht eine volle Aufmerksamkeits-
konzentration auf das zuckende Gebiet. Häufig reicht man bei leichtern
Fällen mit dieser Methode aus. Bei schwereren ist die Hypnose das
souveräne Mittel. Tiefhypnose ist hier unbedingt erforderlich. Als be-
sonders wirksam erweist sich hier die Schlaf mittelhypnose. Es ist
Schilder und Kauders, Lehrbuch der Hypnose. 7
(j(X Spezielle Hypnosetherapie.
wünschenswert, daß man den Tickranken im Anschluß an die Hypnose,
sei diese nun eine Schlafmittelhypnose, oder erfolge sie ohne Schlafmittel,
lange und ausgiebig schlafen läßt. Selbst in jenen Fällen, welche ohne
Schlafmittel in Tiefhypnose gebracht werden können, verwenden wir
bisweilen zur Verstärkung der Schlafwirkung Schlafmittel. Die Behand-
lung muß natürlich durch längere Zeit hin fortgesetzt werden. Mit dieser
Behandlungsmethode hat Kauders sogar bei den Tics der Postence-
phalitiker wesentliche Besserungen, vorübergehend gänzliche Remis-
sionen erzielen können. Daß sich bei Behandlung organischer und neu-
rotischer Tics eine hypnotische Dauerschlafbehandlung (Kombination
von Hypnose, unterstützt durch gelegentliche Abgabe kleinerer Schlaf-
mitteldosen), die man oft durch mehrere Tage andauern lassen kann,
sehr bewährt, wurde bereits erwähnt.
Hier sind einige allgemeinere Bemerkungen am Platz. Es hat sich
ja die Anschauung Bahn gebrochen, daß die Grenze zwischen psycho-
genen und organischen Tics nicht scharf zu ziehen sei (vgl. hierzu
Gerstmann und Schilder), und wir haben die Berechtigung, auch die
psychogenen Tics zu dem striopallidären System in Beziehung zu setzen.
Dieses scheint gegenüber psychischen Maßnahmen besonders leicht an-
sprechbar zu sein. Es erhebt sich also die Frage, ob nicht auch andere
striopallidäre Symptome hypnotisch beeinflußbar wären. So hat Rein-
hold die Mikrographie postencephalitischer Parkinsonismen hypnotisch
beeinflußt, und es ist bekannt, daß auch die Akinesen auf psy-
chischem Wege gut beeinflußbar sind. Leider ist jedoch die Wirkung
der psychischen Behandlung in derartigen Fällen nur von ganz kurzer
Dauer. Offenbar vermag der psychische Einfluß nicht dauernd gegen
die organische Störung anzukämpfen. Bei einem von Kauders beob-
achteten Fall der Hypnosebehandlung eines postencephalitischen Tics
bildete sich der komplex gebaute Tic der Gesichtsmuskulatur zunächst
zu einem einfachen Blepharospasmus zurück, der schließlich unter weiterer
Behandlung einer längeren völligen Remission wich. Beim Rezidivieren
des Tics trat nur mehr der Blepharospasmus allein auf, auch dieser
erwies sich auf Hypnose prompt, aber immer nur vorübergehend be-
einflußbar. Jedenfalls bilden aber diese Beobachtungen einen Hinweis
darauf, daß in der Hypnose auch organische Symptome beeinflußt
werden können und daß die Beeinflußbarkeit in der Hypnose nicht ohne
weiteres zur Differentialdiagnose zwischen einer funktionellen und orga-
nischen Störung herangezogen werden kann.
Beschäftigungsneurosen wird man nach ähnlichen Grundsätzen be-
handeln wie die Tics. Freilich handelt es sich beim Schreibkrampf unter
Umständen um ein sehr hartnäckiges Leiden, dessen sichere Beeinfluß-
barkeit durch Hypnosetherapie man nicht ohne weiteres voraussagen
kann.
Die Behandlung neurotischer Störungen. 99
5. Stottern ist wohl im ganzen unter ähnlichen Gesichtspunkten zu
betrachten, wie die Tics. Das hysterische Stottern ist natürlich eine
Gruppe für sich. Diese erweisen sich sehr leicht beeinflußbar,
während die Fälle mit den typischen schweren Stottererscheinungen doch
eine ernstere Bedeutung haben. Die Erscheinungen gehen hier zum
mindesten zum Teil über das striopallidäre System. Kronfeld zieht
die Hypnosetherapie der Übungsbehandlung vor. Unsere eigenen, in
diesem Punkte nicht sehr zahlreichen Erfahrungen sind weniger günstig.
6. Die Hysterie in sämtlichen ihren Erscheinungen ist eine der
dankbarsten Objekte hypnotischer Therapie. Das gilt zunächst von
den groben motorischen Erscheinungen, sei es nun, daß es sich um
Lähmungen, Astasie, Abasie, Mutismus, Aphonie, hysterische Con-
tracturen handle. Auch die Reizerscheinungen in der Form von
Schütteln, Krämpfen sind auf hypnotischem Wege meist leicht zu be-
einflussen. Die Bemerkung ist vielleicht angezeigt, daß das Gefüge
der Kriegs- und Unfallshysterien in der Mehrzahl der Fälle be-
sonders primitiv zu sein pflegt, dementsprechend ist es hier leichter,
Erfolge zu erzielen. Man darf aber aus diesen Erfahrungen nicht,
wie wiederholt geschehen ist, eine Theorie der Hysterie im allge-
meinen ableiten und das therapeutische Handeln schematisieren.
Es ist gerade bei der Hysteriebehandlung besonders wichtig, daß man
sich mit dem Seelenleben der Patienten auch wirklich in dem oben
angegebenen Sinne beschäftige und zumindest einen oberflächlichen
Einblick in das psychische Gefüge des Symptoms bekomme. Gerade
hier ist die Forderung besonders dringend zu erheben, daß die Therapie
eine durchaus individuelle sein müsse. Beobachtet man die im all-
gemeinen therapeutischen Teil gegebenen Richtlinien, so kann man
nicht nur auf gute momentane Erfolge, sondern auch auf ausgezeichnete
Dauererfolge rechnen. Eine tiefe Hypnose ist zur Behandlung der
Hysterie keineswegs erforderlich und es ist auch nicht erwünscht, daß
die tiefe Hypnose forciert werde. Wir verfügen über nach solchen
Grundsätzen behandelte Hysteriefälle, welche trotz ungünstiger äußerer
Verhältnisse nicht rückfällig geworden sind. Es ist selbstverständlich,
daß auch bei hypnotischer Behandlung der Astasie, Abasie Übung und
Ermunterung ständig einzugreifen haben. Bei Schlingbeschwerden, auch
bei jenen, welche mit Kardiospasmus verbunden sind, wird man den
Patienten zunächst in der Hypnose zum Schlucken anhalten müssen.
Ist der erste Erfolg erreicht, so geht die Besserung dann meistens rapide
vonstatten. Ähnlich geht man beim hysterischen Erbrechen vor.
Patienten mit hysterischen Anfällen wird man nicht nur immer in die
affekterzeugende Situation hineintreiben, sondern auch die affekterzeu-
gende Situation in der Hypnose immer wieder nacherleben lassen, ein
Verfahren, das sich uns auch bei anderen psychogenen Störungen sehr
7*
100
Spezielle Hypnosetherapie.
bewährt hat. Da wir die Hypnose zur Charakterumgestaltung verwerten,
so verlassen wir uns grundsätzlich nicht auf Suggestionen, welche der
Patient amnesiert hat, und wir erachten eine Behandlung im allgemeinen
erst dann als abgeschlossen, wenn sämtliche amnestische Lücken be-
hoben sind. Wir vermeiden es streng, irgendwelche Teile der Behandlung
amnesiert zu lassen.
Während eines Ausnahmezustandes ist Hypnose häufig nur schwer
erzielbar. Manchmal gelingt es, Ausnahmszustände durch Hypnose zu
coupieren. Im übrigen steht der hypnotischen Behandlung von Hysterien
mit Ausnahmszuständen nichts hindernd im Wege. Fälle mit schweren
Charakterveränderungen sollte man von vorn herein mit der regulären
Technik der Analyse behandeln. Von der kathartischen Methode haben
wir im allgemeinen weniger Günstiges gesehen als von der Methode der
direkten Beeinflussung.
Es gibt Fälle, bei welchen die Hypnosetherapie versagt und auch
eine Psychoanalyse nicht ohne weiteres durchführbar ist. Es sind das
vorwiegend Fälle, bei welchen seit langer Zeit schwere Lähmungen
bestehen. Hier hilft entweder gewaltsames Üben oder der faradische
Strom. Wir pflegen bei solchen Behandlungen allerdings den Schmerz
mehr als Drohung als in Form wirklicher Schmerzapplikation zu ver-
wenden. Wir lassen den Schmerz nur kurze Zeit einwirken, stellen
Besserung in Aussicht, lassen den Patienten sofort üben und fügen
hinzu, daß dann, wenn die Besserung nicht eintrete, weitere Schmerz-
anwendung notwendig sein werde. Wir legen es durchaus nicht darauf
an, das Verschwinden des Symptoms in einer Sitzung zu erzwingen,
sondern geben sehr häufig Suggestionen, welche sich auf den nächsten
Tag beziehen, in der Erwartung, daß im Schlaf eine günstige Weiter-
verarbeitung stattfinden werde. Diese kleine Modifikation erweist sich
auch bei in der Hypnose gegebenen Suggestionen gelegentlich als wert-
voll. Ist das Symptom auf diesem etwas gewaltsamen Wege zum
Schwinden gebracht, so hat nun erst recht die rationelle Psychotherapie,
der Versuch der Charakterumgestaltung, einzusetzen. Diese Methode
ist selbstverständlich nur bei groben, äußerlich sichtbaren Erscheinungen
anwendbar. Hartnäckige organneurotische Erscheinungen auf hyste-
rischem Boden sind, wie auch Kronfeld hervorhebt, nicht immer
leicht behebbar.
7. Zur Charakterveränderung und Charakterbeeinflussung
eignet sich die Hypnose im allgemeinen wenig. Sie könnte höchstens als
Brücke zu den ersten Beeinflussungen dienen, welche rasch abgebrochen
werden muß. Hier tritt die Psychoanalyse oder die ADLERsche Individual-
psychologie in ihre Rechte. Mit der Anerkennung der praktischen
Brauchbarkeit der Individualpsychologie in einer Reihe von Fällen
sagen wir zunächst nichts über den Wahrheitsgehalt der AüLERSchen
Die Behandlung neurotischer Störungen. \Q\
Lehre aus. Die Untersuchung dieses Problems ist an dieser Stelle nicht
möglich. Hiermit haben wir auch gleichzeitig ausgesprochen, daß die
Verwendung der Hypnose für pädagogische Zwecke nur ausnahmsweise
in Betracht kommen dürfte. Auch hier wird es dann wesentlich sein,
daß die Bindung an den Hypnotiseur rechtzeitig gelöst werde und daß
so suggeriert werde, daß die Suggestion nicht äußerlich hafte, sondern
organisch in die Gesamtpersönlichkeit verwoben werde.
An den Hypnotiseur wird häufig die Anforderung gestellt, er solle
Personen von ihrer Liebesleidenschaft befreien u. dgl. m. Ein derartiger
Versuch ist von vorn herein nur auf den ausdrücklichen Wunsch der
betreffenden Person zulässig. Im allgemeinen wird man sich aber hüten
müssen, plump in das Seelenleben der Hypnotisierten hineinzupfuschen.
Auch hier wird man sich in das individuelle Seelenleben der betreffenden
Person vertiefen müssen, die Bindungen der übergroßen Fixierungen
an eine Person aufzudecken trachten, und sehr häufig wird die Hypnose
als solche dann überhaupt überflüssig werden. Betonen wir an dieser
Stelle nochmals, daß die Hypnose immer nur technisches Hilfsmittel
der Psychotherapie ist, ein Hilfsmittel, das bequem und wirksam ist,
das aber in einer Anzahl von Fällen durch andere technische Hilfs-
mittel ersetzt werden kann.
8. Süchtigkeit. Forel berichtet, daß er mittels Hypnose beim
Alkoholismus günstige Erfolge erzielt hat. Ähnlich Haupt. Wir selbst
verfügen nicht über entsprechende Erfahrungen. Im allgemeinen halten
wir es für angezeigt, auch beim Alkoholiker die Entziehung durch äußere
Mittel zu sichern.
Den Versuch, Morphinisten das Morphium, Cocainisten das Cocain
lediglich durch Hypnose zu entziehen, halten wir für wenig Erfolg ver-
sprechend. In Einzelfällen mag er gelingen. Im allgemeinen halten
wir es für erforderlich, den Morphinisten und Cocainisten zur Entziehung
zu internieren. Ohne das Thema im einzelnen erschöpfend darzustellen,
empfehlen wir, das Morphium nicht plötzlich vollständig zu entziehen,
sondern etwa im Verlauf von 5—6 Tagen. Treten bedrohliche Erschei-
nungen auf, so wird man unbedenklich die Entziehung noch etwas
verlangsamen. Hohe Veronaldosen während der Entziehung, etwa vom
3. Tage angefangen, haben sich als brauchbar erwiesen. Die Abstinenz-
beschwerden der Morphinisten reagieren auf Hypnose oft außerordent-
lich günstig. Man sollte die Entziehung stets durch Hypnose zu er-
leichtern trachten. Im allgemeinen sind die Süchtigen unmittelbar nach
der Entziehung besonders leicht hypnotisabel, ein Faktum, das aus
theoretischen Gründen von Interesse ist. Haben es doch neuere Unter-
suchungen (Wuth) wahrscheinlich gemacht, daß ein Reizzustand im
sympathisch-parasympathischen System die Abstinenzbeschwerden her-
vorruft. Die besondere Beeinflußbar keit in der Abstinenzphase fügt
\Q2 Spezielle Hypnosetherapie.
sich gut unseren allgemeinen theoretischen Anschauungen ein. Hat man
in der Abstinenzphase mit der Hypnose begonnen, so setzt man zweck-
mäßig die Hypnosebehandlung fort, um den Abstinenzwillen des Pa-
tienten zu stärken. Individuelle Vertiefung in die Gründe der Süchtig-
keit ist auch hier erwünscht. Freilich sichert nach unseren Erfahrungen
auch dieses Verfahren den Süchtigen keineswegs immer gegen Rückfälle.
Allzu langes Verweilen in der Anstalt nach der Entziehung halten wir
nicht für erwünscht. Im allgemeinen erscheinen uns 3 — 4 Wochen als
ausreichend, vorausgesetzt, daß der Patient ohne Zuhilfenahme von
Schlafmitteln schläft.
Die Entziehung von Schnupfcocainismus macht im allgemeinen nur
geringe Abstinenzbeschwerden, doch ist die Gefahr der Rückfälle be-
sonders groß. Über Entwöhnung von Nicotin fehlen uns eigene Erfah-
rungen, Hypnose kann sie wohl erleichtern. Zur Entwöhnung von
Süchtigen ist tiefe Hypnose wohl unbedingt erforderlich.
9- Zur Behandlung der Perversionen ist die Hypnose in den meisten
Fällen nicht hinreichend. Sofern man überhaupt eine psychische Be-
handlung für Erfolg versprechend hält, ist Psychoanalyse anzuwenden.
Das gilt auch besonders von der Homosexualität. Nur Schrenk-
Notzing gibt an, mittels der Hypnose Erfolge erzielt zu haben. Wir
betonen wieder, daß es niemals Aufgabe des Hypnotherapeuten sein
kann, unorganisch dem Seelenleben des Patienten etwas einzupfropfen.
Er wird unter Umständen auf mögliche Erfolge dann verzichten, wenn
er nicht Aussicht hat, das Seelenleben des Patienten einheitlich um-
zugestalten.
10. Behandlung von Potenzstörungen ist ein wichtiges Teilgebiet
der Hypnosetherapie. Die vaginale Anästhesie der Frau kann gelegentlich
durch Hypnosebehandlung sehr günstig beeinflußt werden. Eine Reihe
von Fällen trotzt allerdings der Hypnosebehandlung. Man vergesse nie,
den psychischen Ursachen der vaginalen Anästhesie nachzugehen. Das
gleiche gilt vom Vaginismus. Man vernachlässige hierbei nicht die
körperliche Untersuchung, welche unter Umständen anatomische Ano-
malien aufdeckt, die die Kohabitation erschweren oder unmöglich
machen.
Auch bei der Impotenz des Mannes hat selbstverständlich eine körper-
liche Untersuchung zu erfolgen, doch wird man in der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle keinen lokalen Befund finden. Dementsprechend
kommt die lokale Behandlung im wesentlichen nur als Suggestivmittel
in Frage. Man wird auch die Bedeutung der Allgemeinleiden für die
Potenzstörungen nicht überschätzen dürfen. Es ist selbstverständlich,
daß eine Dystrophia adiposogenitalis , ein schwerer Diabetes, eine
schwere Tabes oder das vorgeschrittene Senium eine Impotenz setzen.
Aber selbst das grobe organische Leiden schwächt sehr häufig nur die
Die Behandlung neurotischer Störungen. \qt>
Potenz und die Erscheinungsweise der Potenzstörung ist sehr häufig
nur von den psychischen Faktoren abhängig. Das gilt insbesondere von
den Potenzstörungen des Seniums. Selbst in Fällen von scheinbar
organischen Potenzstörungen bringt die Psychotherapie häufig noch
Erfolg. Eine rationelle Psychotherapie der Impotenz muß selbstver-
ständlich den psychischen Ursachen nachgehen, welche die Impotenz
bedingt haben. Diese können sehr verschiedener Art sein. Sehr häufig
steckt eine Perversion hinter der Impotenz. Eine primitive infantile
Sexualität verzichtet auf das normale Sexualziel. Die Störungen liegen
gelegentlich im Bereiche des Ödipuskomplexes, vielfach in noch primi-
tiveren Schichten. Eingehende, analytisch orientierte Vorbesprechungen
sind in jedem Falle erforderlich. In schweren Fällen ist Psychoanalyse
notwendig. Für die leichten und mittelschweren ist Hypnose, die nicht
immer tief zu sein braucht, ein vorzügliches Hilfsmittel. Im allgemeinen
geben jene Fälle eine günstigere Prognose, bei denen die normale Ge-
schlechtsbetätigung wenigstens vorübergehend früher einmal erreicht
war. Schwierig sind jene, welche das 30. Lebensjahr ohne entsprechende
Sexualbetätigung überschritten haben. Liegt eine Perversion oder Neu-
rose (Angstneurose!) zugrunde, so hängt der Erfolg von der Beeinflussung
des Grundleidens ab. Bei den leichten Fällen, etwa bei denen, welche
nur gegenüber bestimmten Objekten, etwa wertvollen Liebesobjekten,
versagen, führt rationelle Psychotherapie meist rasch zum Ziel. Medika-
mentöse Unterstützung kann vorteilhaft sein. Man kann die Angst
durch Brom abdämpfen, doch muß man sich darüber klar sein, daß
dieses Mittel ebenso wie die Beseitigung von Hemmungen durch Alkohol
doch nur bei leichteren Fällen angezeigt ist. Bei schwereren verzichtet
man zweckmäßig auf derartige Hilfsmittel. Unterstützung der Psycho-
therapie durch hormonale Präparate ist nicht nur zulässig, sondern sogar
zweckmäßig. Gelegentlich ist auch Yohimbim von Vorteil. Man darf
jedoch nie vergessen, daß alle diese Medikamente nur die Vorbedingungen
für den Geschlechtsakt verbessern, daß das Hauptgewicht der Behand-
lung immer wieder darauf zu legen ist, den Patienten in- und außerhalb
der Hypnose zur richtigen Einstellung gegenüber seiner Sexualität zu
bringen. Sexualhemmungen haben den Patienten sehr häufig dazu ge-
bracht, daß er über die Anatomie des weiblichen Genitales unorientiert
ist. Sachliche Belehrung ist hier oft unumgänglich notwendig. Kleine
technische Ratschläge nützen dem Patienten oft außerordentlich. Viel-
fach wird besonders dem an Ejaculatio-praecox- Kranken Fernhalten
von sexueller Betätigung empfohlen. Im ganzen soll man aber nicht
vergessen, daß vom Standpunkt der Impotenzbehandlung aus allzu lange
Abstinenz keineswegs nützlich ist. Man wird den Patienten das Verbot,
sexuell zu verkehren, nur dann geben, wenn man erwartet, daß er es
durchbrechen werde. Die Bedingungen sind für den Patienten dann in-
1Q4 Spezielle Hypnosetherapie.
sofern günstig, als er nicht unter dem Eindruck einer bestimmten Aufgabe
steht, was ja stets zu vermeiden ist. Im allgemeinen hat der Impotente
nur allzusehr die Neigung, den Versuch der Sexualbetätigung einzustellen.
Man muß ihn dann zu solchen Versuchen zwingen. Man wird sich dabei
aber stets vor Augen halten müssen, daß der Arzt die Empfehlung zum
außerehelichen Geschlechtsverkehr auch dem Manne nur dann geben
wird, wenn zwingende Gründe vorhanden sind und wenn der Patient
mit den möglichen Konsequenzen vertraut ist. Einen Ehekonsens vor
völliger Wiederherstellung der Potenz zu geben, ist unstatthaft. Wenn
wir diese aphoristischen Bemerkungen in bezug auf die Impotenz-
behandlung hinzugefügt haben, so soll hiermit nur zum Ausdruck ge-
bracht werden, wie ungenügend etwa eine mechanisch gegebene Sug-
gestion in der Impotenzbehandlung wäre. Hier muß noch einmal be-
sonders betont werden, daß die Hypnose nur ein technisches Mittel im
Rahmen der psychischen Behandlung darstellt.
1 1 . Die Enuresisnocturna kann durch Hypnose sehr häufig günstig
beeinflußt werden. Man kann entweder die Suggestion so formulieren,
daß man durch die Hypnose den Patienten zum regelmäßigen Wach-
werden erzieht, oder man kann ihn darauf einstellen, bei dem geringsten
Harndrang sofort zu erwachen. Nicht alle Fälle reagieren auf hypno-
tische Behandlung.
D. Die Hypnose bei Psychosen.
Einige Bemerkungen über Hypnosen bei Psychosen seien angefügt,
obwohl die Hypnose bei Psychosen mehr theoretisches als praktisches
Interesse bietet. Daß psychogene Depressionen auf eine psychische Be-
handlung reagieren, ist selbstverständlich und bedarf wohl keiner ein-
gehenden Begründung. Aber die Grenze zwischen den endogenen und
reaktiven Depressionen ist keine scharfe, und man wird den Versuch
einer Hypnosebehandlung auch dann nicht scheuen, wenn es sich um
leichte zirkuläre Störungen handelt. Wir haben nicht nur gelegentlich
symptomatische Beruhigungen gesehen, sondern auch Unterbrechung
der Krankheit, eine Unterbrechung, die freilich nicht vor Rezidiven
schützt. Ist ein Erfolg erzielbar, so tritt dieser meistens bald zutage,
und es empfiehlt sich nicht, den Versuch der Hypnosebehandlung über
3 — 5 Sitzungen hinaus zu erstrecken, wenn nicht eine entscheidende
Besserung eintritt. Bei schweren Melancholien wird man von vornherein
auf derartige Behandlungs versuche verzichten. Im ganzen muß man
sich darüber klar sein, daß die Hypnosebehandlung von Depressionen
nur in einer geringen Anzahl von Fällen Erfolg verspricht. Die Hypnose
bleibt meistens eine oberflächliche, man forciere die Vertiefung nicht,
da derartige Patienten sehr häufig auch gegenüber Schlafmittelhypnosen
refraktär sind.
Die Hypnose bei Psychosen. \Q^
Bei Schizophrenie und Paraphrenie wird man im allgemeinen Hypnose
nicht anwenden. Eine Ausnahme bilden nur jene Schizophreniefälle,
die unter dem Bilde der Neurose beginnen. Meist wird man aber auch
hier andere Wege der Psychotherapie mit größerem Erfolg einschlagen
können1).
Kauders hat bei deliranten Zuständen verblüffende Ruhigstellungen
und Tiefschlaf durch Hypnose erzielt und zwar beim Delirium tremens
und bei der hyperkinetischen Encephalitis. Das theoretisch interessante
Faktum hat keine wesentliche praktische Bedeutung. Auch die von
Hartmann und Schilder hervorgehobene Erscheinung, daß mit Schlaf-
mittelhypnosen bei Paralytikern weitgehende optische Suggestibilität
erreicht werden kann, während Amnesie und motorische Erscheinungen
zu fehlen pflegen, ist lediglich von theoretischer Bedeutung.
Überblicken wir noch einmal das über die therapeutische Bewertung
der Hypnose Gesagte, so sehen wir, daß wir es zwar nicht mit einem
unfehlbar wirkenden Zaubermittel zu tun haben, wohl aber mit einem
sehr wertvollen technischen Hilfsmittel, das, richtig gehandhabt, völlig
gefahrlos ist. Man darf freilich nicht den Hypnotisierten in der Hypnose
mit mehr oder minder sinnlosen Experimenten quälen und wird dann
keinen Anlaß haben, das Wort Meynerts zu wiederholen, die Hypnose
sei ein würdeloses Schauspiel.
x) Breuking berichtet über Erfolge bei der Behandlung (schizophrener!) Psy-
chosen mit katarthischen Hypnosen. Doch ist uns die Arbeit leider im Original
nicht zugänglich.
Literaturverzeichnis.
Ausführliche Literaturangaben, besonders in bezug auf die ältere Literatur,
finden sich in den Büchern von:
Moll: Der Hypnotismus, V. Aufl. Berlin 1924.
Forel: Der Hypnotismus, 10. und 11. Aufl. 1921.
Zusammenfassende Darstellungen geben ferner:
Hirschlaff: Hypnotismus und Suggestivtherapie, 2. Aufl. Leipzig.
Trömner: Aus Natur- und Geisteswelt : Hypnotismus und Suggestion, 4. Aufl. 1922.
Bostroem: Hypnose, in Abderhaldens Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden.
Von den älteren Arbeiten ist die zusammenfassende Arbeit von O. Vogt zu
erwähnen: Zeitschr. f. Hypnotismus Bd. 93.
Über den Zusammenhang zwischen Physisch und Psychisch ist das Buch von
O. Schwarz: Psychogenese und Psychotherapie körperlicher Symptome, Wien
1925, ein verläßlicher Führer.
Ferner die Lehrbücher der Psychotherapie von LH. Schultz und Kronfeld.
Adlersberg und Porges: Die neurotische Atmungstetanie. Wien. Arch. f. inn.
Med. Bd. 8. 1924.
Alruiz: Problems of hypnotism. Soc. for psychical research, Teil 83» Bd. 32.
Astruck: Über psychische Beeinflussung von Atmung und Puls in der Hypnose.
Arch. f. d. ges. Psychol. Bd. 45-
Baudouin: Suggestion und Autosuggestion. Dresden: Sybillenverlag 1922.
Bezzola: Zur Analyse psychotraumatischer Symptome. Journ. f. Psychol. u.
Neurol. Bd. 8. 1907.
Bickel: Die wechselseitige Beeinflussung zwischen psychischem Geschehen und
Blutdruck. Leipzig: Veit 1916.
Bjerre: zitiert nach Ferenczi.
Bonhoeffer: Ein Beitrag zur Kenntnis epileptischer Bewußtseinsstörungen mit
erhaltener Erinnerung. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 1900, S. 577-
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Spiegel und. Goldblom : Die Körperhaltung im Zustand der sogenannten Hypnose
der Säugetiere. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 207. 1925.
Stern: Zur Frage der psychogenen Dermatosen. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u.
Psychiatrie Bd. 79.
Strauss: Wesen und Vorgang der Suggestion. Berlin: Karger 1925.
||q Literaturverzeichnis.
Trömner: Das Problem des Schlafes. Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens
1922, H. 84.
Verworn: Beiträge zur Physiologie des Zentralnervensystems. Die sogenannte
Hypnose der Tiere. Jena 1898.
Vogt: Zeitschr. f. Hypnotismus Bd. 3/4. 1895/96. Zur Kenntnis des Wesens und
der psychologischen Bedeutung des Hypnotismus.
Vorkastner : Arch. f. Psych. 1925-
Wagner- Jauregg: Über Suggestion, Hypnose und Telepathie. Wien 1919.
Weber: Der Einfluß psychischer Vorgänge auf den Körper, besonders auf die
Blutverteilung. Berlin: Julius Springer 1910.
Weinberg: Psyche und willkürliches Nervensystem. Zeitschr. f. d. ges. Neurol.
u. Psychiatrie Bd. 24, Nr. 85, 86, 93- 1923-
Wetterstrand: Die Behandlung des chronischen Morphinismus. Zeitschr. f.
Hypnotismus Bd. 4. 1896.
Wuth: Über Probleme des Morphinismus. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie
Bd. 96. 1925.
Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig.
Verlag von Julius Springer in Berlin W 9
Medizinische Psychologie für Ärzte und Psychologen. Von Paul
Schilder, Professor, Dr. med. et phil., Assistent der Psychiatrischen Klinik
in Wien. Mit 9 Textabbildungen. (374 S.) 1924.
12 Reichsmark; gebunden 13.20 Reichsmark
Aus dem Inhalt: I. Einleitung. II. Die Lehre von der Wahrnehmung. I.Wahrnehmungen
und Vorstellungen. 2. Die optischen Wahrnehmungen. 3. Akustische Wahrnehmungen. 4. Tast-
wahrnehmung und Kinästhesie. III. Handlung und Sprache. 1. Die Handlung. 2. Die Sprache.
3. Bewegungs- und Sprachstörungen bei Geisteskranken und zur Frage der psychischen Energie.
IV. Das Gedächtnis. 1. Einprägung, Erlernen, Assoziation. 2. Wiedererkennen, Erinnern, Vergessen.
3. Psychische Übungsphänomene. V. Das Triebleben, der Wille und das Handeln. 1. Allgemeines
über Trieb und Willen. 2. Die Sexualität und Partialtriebe der Sexualität. 3. Die Ichtriebe. 4. Die
Verdrängung und die Wiederkehr des Verdrängten. 5. Die Symbolik. 6. Die psychische Energie
und der Wirkungswert. 7. Umsetzungen der Triebenergien. 8. Die Regression. 9. Der Traum.
10. Das Denken, n. Die Hypnose. 12. Das Unbewußte. 13. Zur Pathologie des Denkvorganges.
14. Die Gefühle. VI. Ich und Persönlichkeit. 1. Zur Phänomenologie des Icherlebens. 2. Die
Depersonalisation. 3. Das Zeiterlebnis. 4. Die Persönlichkeit. 5. Die Stellungnahme zur eigenen
Krankheit. 6. Allgemeineres. Die Erkenntnis der fremden Persönlichkeit. 7. Die Genialen und ihr
Schaffen. VII. Affekte und Erlebnisse. 1. Liebe und Erotik. 2. Die soziale Struktur. 3. Affekte.
4. Zur Psychologie der Religion. 5. Zur Psychologie der Ästhetik. 6. Der Arzt und die Psychologie.
Literaturverzeichnis. Sachverzeichnis.
Seele lind Leben. Grundsätzliches zur Psychologie der Schizophrenie und
Paraphrenie, zur Psychoanalyse und zur Psychologie überhaupt. Von Paul
Schilder, Professor, Dr. med. et phil., Assistent der Psychiatrischen Klinik
in Wien. Mit 1 Abbildung. (204 S.) 1923. 9.70 Reichsmark
Inhaltsverzeichnis: Einleitung. — A. Ziel und Methode. — B. Phänomenologie und
Psychoanalyse. I. Über Begriffe und Sätze. II. Körper und Welt. III. Ethos und Neurose. IV. Zur
Psychologie der Schizophrenie. V. Zur Psychoanalyse, Ergänzungen und Zusätze. — Schlußwort.
(Bildet Band 35 der „Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie
und Psychiatrie".)
Die Bezieher der „Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie"
und des „Zentralblattes für die gesamte Neurologie und Psychiatrie" erhalten
die Monographien mit einem Nachlaß von 10%.
DaS K-ÖrperSChema. Ein Beitrag zur Lehre vom Bewußtsein des eigenen
Körpers. Von Paul Schilder, Professor, Dr. med. et phil., Assistent der
Psychiatrischen Klinik in Wien. (96 S.) 1923. 3.50 Reichsmark
Aus dem Inhalt: Einleitung. I. Alloästhesie und Allochirie. IL Das Körperschema der
Amputierten. III. Die Autotopagnosie (Pick) und ihre Beziehung zur Praxis. IV. Die Verwertung
des Körperschemas in der Praxis und die Rechts- und Linkswahl beim Handeln. V. Folgerungen
und Ausblicke. Anhang. Über die Wahrnehmung der Bewegung durch die Haut. Literaturnachweis.
Über das Wesen der Hypnose, von Paul Schilder, Professor,
Dr. med. et phil., Assistent der Psychiatrischen Klinik in Wien. Zweite,
durchgesehene Auflage. (36 S.) 1922. 1.20 Reichsmark
Inhaltsverzeichnis: I. Vorstellung und Wahrnehmung. IL Die körperlichen Grund-
lagen der Hypnose. III. Der Bewußtseinszustand der Hypnotisierten. Gedächtnis und Hypnose.
IV. Die psychische Haltung des Hypnotisierten. V. Der Hypnotiseur. Anmerkungen und Zusätze.
Verlag von Julius Springer in Berlin W 9
PsychOpattlOlOgiSChe Dokumente. Selbstbekenntnisse und Fremd-
zeugnisse aus dem seelischen Grenzlande. Von Karl Birnbaum. (334 S.)
1920. 8 Reichsmark
Der Aufbau der PsychOSe. Grundzüge der psychiatrischen Struktur-
analyse. Von Dr. Karl Birnbaum, Privatdozent der Psychiatrie an der
Universität Berlin. (114 S.) 1923. 3.60 Reichsmark
Psychotherapie. Charakterlehre. Psychoanalyse. Hypnose.
Psychagogik. Von Dr. med. et phil. Arthur Kronfeld, Berlin. Zweite,
verbesserte und vermehrte Auflage. (323 S.) 1925.
12 Reichsmark; gebunden 13.20 Reichsmark
Suggestion Und Hypnose. Von Dr. med. phil. jur. Max Kauffmann,
Universitätsprofessor zu Halle a. S. Zweite, vollständig umgearbeitete
Auflage. Mit 4 zum Teil farbigen Tafeln. (140 S.) 1923. 3.50 Reichsmark
® Psychogenese und Psychotherapie körperlicher Sym-
ptome. Von R. Allers- Wien, J. Bauer- Wien, L. Braun- Wien, R. Heyer-
München, Th. Hoepfner-Cassel, A. Mayer-Tübingen, C. Pototzky-Berlin,
P. Schilder- Wien, 0. Schwarz- Wien, J. Strandberg-Stockholm. Heraus-
gegeben von Oswald Schwarz, Privatdozent an der Universität Wien. Mit
10 Abbildungen im Text. (499 S.) 1925.
27 Reichsmark; gebunden 28.50 Reichsmark
Erster Teil: Entwicklung, Gestaltung und Bewältigung des Leib-
Seele-Problems in der Medizin. Das Problem des Organismus. Von
O. Schwarz. — Das Leib-Seelenproblem vom Standpunkt der Philosophie
und naturwissenschaftlichen Psychologie. Von P. Schilder. — Die indivi-
duelle Konstitution als Grundlage nervöser Störungen. Von J. Bauer. —
Begriff und Methodik der Deutung. Von R. Allers.
Zweiter Teil: Spezielle Pathologie psychogener Organsymptome.
Grundriß der psychogenen Störungen der Sprache. Von Th. Hoepfner. —
Psychogene Störungen der Herztätigkeit. Von L. Braun. — Über Asthma
bronchiale und psychogene Atmungsstörungen. Von L. Braun. — Psy-
chogene Funktionsstörungen des Verdauungstraktes. Von G. R. Heyer. —
Psyche und Hautkrankheiten. Von J. Strandberg. — Psychogene Miktions-
störungen. Von O. Schwarz. — Psychogene Störungen der weiblichen
Sexualfunktion. Von A. Mayer. — Psychogene Störungen der männlichen
Sexualfunktion (psychogene Impotenz). Von O. Schwarz. — Psychogenese
und Psychotherapie von Organsymptomen beim Kinde. Von C. Pototzky.
Dritter Teil: Psychotherapie. Grundformen der Psychotherapie. Von
R. Allers.
Literaturverzeichnis. — Sachverzeichnis.
Vorlesungen über Psychopathologie des Kindesalters.
Von Dr. med. August Homburger, a. o. Professor und Leiter der Poliklinik an
der Psychiatrischen Klinik in Heidelberg. (Etwa 850 S.) 1925-
27 Reichsmark; gebunden 29,80 Reichsmark
® Psychologie des Säuglings. Von Dr. Siegfried Bernfeld in Wien
(277 S.) 1925. 12 Reichsmark; gebunden 13.20 Reichsmark
Die mit @ bezeichneten Werke sind im Verlag von Julius Springer in Wien erschiene!
Verlag von Julius Springer in Berlin W 9
PsychopatholOglSChe Dokumente. Selbstbekenntnisse und Fremd-
zeugnisse aus dem seelischen Grenzlande. Von Karl Birnbaum. (334 S.)
1920. 8 Reichsmark
Der Aufbau der PsychOSe. Grundzüge der psychiatrischen Struktur-
analyse. Von Dr. Karl Birnbaum, Privatdozent der Psychiatrie an der
Universität Berlin. (114 S.) 1923. 3.60 Reichsmark
Psychotherapie. Charakterlehre. Psychoanalyse. Hypnose.
Psychagogik. Von Dr. med. et phil. Arthur Kronfeld, Berlin. Zweite,
verbesserte und vermehrte Auflage. (323 S.) 1925.
12 Reichsmark; gebunden 13.20 Reichsmark
Suggestion Und Hypnose. Von Dr. med. phil. jur. Max Kauffmann,
Universitätsprofessor zu Halle a. S. Zweite, vollständig umgearbeitete
Auflage. Mit 4 zum Teil farbigen Tafeln. (140 S.) 1923. 3.50 Reichsmark
® Psychogenese und Psychotherapie körperlicher Sym-
ptome. Von R. Allers- Wien, J. Bauer- Wien, L. Braun- Wien, R. Heyer-
München, Th. Hoepfner-Cassel, A. Mayer-Tübingen, C. Pototzky-Berlin,
P. Schilder- Wien, O. Schwarz- Wien, J. Strandberg-Stockholm. Heraus-
gegeben von Oswald Schwarz, Privatdozent an der Universität Wien. Mit
10 Abbildungen im Text. (499 S.) 1925.
27 Reichsmark; gebunden 28.50 Reichsmark
Erster Teil: Entwicklung, Gestaltung und Bewältigung des Leib-
Seele-Problems in der Medizin. Das Problem des Organismus. Von
O. Schwarz. — Das Leib-Seelenproblem vom Standpunkt der Philosophie
und naturwissenschaftlichen Psychologie. Von P. Schilder. — Die indivi-
duelle Konstitution als Grundlage nervöser Störungen. Von J. Bauer. —
Begriff und Methodik der Deutung. Von R. Allers.
Zweiter Teil: Spezielle Pathologie psychogener Organsymptome.
Grundriß der psychogenen Störungen der Sprache. Von Th. Hoepfner. —
Psychogene Störungen der Herztätigkeit. Von L. Braun. — Über Asthma
bronchiale und psychogene Atmungsstörungen. Von L. Braun. — Psy-
chogene Funktionsstörungen des Verdauungstraktes. Von G. R. Heyer. —
Psyche und Hautkrankheiten. Von J. Strandberg. — Psychogene Miktions-
störungen. Von O. Schwarz. — Psychogene Störungen der weiblichen
Sexualfunktion. Von A. Mayer. — Psychogene Störungen der männlichen
Sexualfunktion (psychogene Impotenz). Von O.Schwarz. — Psychogenese
und Psychotherapie von Organsymptomen beim Kinde. Von C. Pototzky.
Dritter Teil: Psychotherapie. Grundformen der Psychotherapie. Von
R. Allers.
Literaturverzeichnis. — Sachverzeichnis.
Vorlesungen über Psychopathologie des Kindesalters.
Von Dr. med. August Homburger, a. o. Professor und Leiter der Poliklinik an
der Psychiatrischen Klinik in Heidelberg. (Etwa 850 S.) 1925.
27 Reichsmark ; gebunden 29,80 Reichsmark
^Psychologie des Säuglings. Von Dr. Siegfried Bernfeld in Wien.
(277 S.) 1925. 12 Reichsmark; gebunden 13.20 Reichsmark
hie mit IV bezeichneten Werke sind im Verlag von Julius Springer in Wien erschienen